Hamburg. Wird das Straßencafé an der Ecke zugig oder windstill? Forscher wollen auch vorhersagen, wie sich Abgase ausbreiten.

Wer an verregneten Tagen die U-Bahn-Station an der HafenCity Universität (HCU) verlässt, sollte seinen Regenschirm gut festhalten: Bei Südwestwind treten dort ab und zu Böen auf, die viermal schneller sind als der durchschnittliche Wind an dieser Stelle. Auslöser ist wohl das Gebäude der Universität: Davor staut sich Wind an, der sich dann unter Umständen heftig auf der anderen Seite entlädt. Hätten die Planer auf den nordöstlichen Zipfel des kantigen Baus verzichtet, würde der Wind womöglich weniger pfeifen. Das jedenfalls nehmen Hamburger Forscher an, die das HCU-Gebäude mit seinen Windverhältnissen vermessen haben.

Dabei geht es ihnen natürlich nur am Rande um den Erhalt von Regenschirmen. „Der Wind bestimmt, wie sich Schadstoffe ausbreiten, wie hoch die Feinstaubbelastung ist und wo sich im Sommer die Hitze staut“, sagt Professor Felix Ament vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg. Mit Blick auf Hunderttausende Autos in der Hansestadt und den Klimawandel, der Hamburg mehr heiße Tage bescheren dürfte, könnte es beim Städtebau noch wichtiger werden, den Einfluss der Windverhältnisse erheblich genauer vorherzusagen als früher.

Sechs Stationen in Bodennähe

Böen treten in der Stadt zwar natürlicherweise auf, aber eben auch durch Gebäude wie am U-Bahn-Ausgang zur HafenCity Universität. „Das ist so ähnlich, als ob man in einen Bach Steine hineinlegt und dadurch Stromschnellen, Wirbel und Gischtzonen entstehen“, sagt Ament. Der Meteorologe und seine Kollegin Sarah Wiesner haben unter anderem Daten ausgewertet, die sechs in Bodennähe vor dem HCU-Gebäude platzierte Messstationen erhoben hatten. Die Geräte stehen in einem Abstand von nur 20 Meter nebeneinander. „Trotzdem unterscheiden sich die Ergebnisse in Windstärke und Windrichtung enorm“, sagt Ament.

Bislang orientieren sich Ingenieure und Architekten an Computermodellen, mit denen sich die Windverhältnisse auf einige Hundert Meter vorhersagen lassen. Ein neues, von den Hamburger Forschern mit Messdaten gefüttertes Programm soll bis auf einen Kubikmeter genau sein und auch Gebäudeteile erfassen. Die Simulation könnte etwa dazu beitragen, Neubauten so zu konstruieren und anzuordnen, dass Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft zumindest nicht überschritten werden, weil die Windverhältnisse dafür sorgen könnten.

Umweltbehörde testet Vorabversion

„Wir können dann auch sagen, an welcher Ecke ein Straßencafé gut aufgehoben ist oder welchen Windeffekt ein achtstöckiger Neubau auf Fußgänger hätte“, sagt Sarah Wiesner. Ob es sich lohnt, den Ort mit Bäumen oder Hecken zu schützen, könne das Modell ebenfalls zeigen. Zusätzlich untersuchen die Hamburger Forscher mithilfe eines Windkanals, wie sich in der HafenCity geplante Gebäude auf die Windverhältnisse auswirken könnten. Aus all diesen Daten soll ein Modell entstehen, das auch die Bedingungen an anderen Standorten vorhersagen kann. „Das große Ziel ist, die Windverhältnisse in ganz Hamburg zu simulieren“, sagt Wiesner.

Eine Vorabversion der Software wird in Hamburg schon von der Umweltbehörde getestet. Dabei geht es zunächst allerdings um die Benutzerfreundlichkeit, noch nicht um konkrete Vorhaben. Anschließend wird das Programm verfeinert. Fertig sein werde die Software voraussichtlich in anderthalb Jahren, sagt Ament.

Dritte Mess-Serie

Derzeit läuft eine dritte Mess-Serie an der HafenCity Universität, wobei die Forscher neben den sechs Messstationen in Bodennähe und einem 30-Meter-Mast am Hafen auch einen kleinen Fesselballon der Technischen Universität Dresden einsetzen, der auf dem Dach der HafenCity Universität befestigt ist und bis zu 400 Meter hoch aufsteigt. Im Zuge des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts „Stadtklima im Wandel“ wird zudem die Temperatur und Feinstaubbelastung in Berlin und Stuttgart gemessen.

In der Hansestadt kooperiert dar­über hinaus die Universität Hamburg mit der Feuerwehr, die das Modell CT-Analyst erprobt, um die Ausbreitung von gefährlichen Stoffen nach großen Störfällen zu berechnen.