Hamburg. Junge Leute wollen sich verstärkt ehrenamtlich engagieren. Doch Vereinen fällt es schwer, sie in ihre Strukturen zu integrieren.

Ehrenamtliches Engagement ist in Deutschland eine verlässliche Größe, rund 23 Millionen Menschen gehen hierzulande einer Freiwilligentätigkeit nach. Nicht nur große Akteure auf internationaler Ebene wie Unicef oder der ASB profitieren von freiwilligen Helfern, sondern vor allem lokale Vereine und Initiativen sind dringend darauf angewiesen. Der aktuelle Freiwilligensurvey vom Deutschen Zentrum für Altersfragen, die umfangreichste deutsche Langzeitstudie zum Ehrenamt, gibt Grund zur Hoffnung, dass das auch zukünftig so bleibt.

Demzufolge ist das Engagement der 14- bis 24-Jährigen in den letzten fünf Jahren stark angestiegen. Hat sich der Anteil engagierter Personen zwischen 1999 und 2009 noch recht konstant bei 35 Prozent bewegt, so sind es nach der Auswertung von 2014 nun schon 47 Prozent. Gleichzeitig ist die tendenzielle Bereitschaft bei denjenigen, die sich nicht engagieren, mit rund 82 Prozent außergewöhnlich hoch. Hilfsbereitschaft, Gemeinschaftsorientierung und soziale Verantwortung sind feste Größen im Werteverständnis der Generation Y.

Woran liegt es also, dass sich trotz der hohen Bereitschaft nicht noch mehr junge Menschen ehrenamtlich engagieren? Nicht am Willen zum Engagement, sondern vor allem an zeitlichen Faktoren liegt das Problem der Generation Y, glaubt Christopher H. Stappert, Projektreferent der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg. Der Freiwilligensurvey bestätigt das: Durch Ganztagsschulen, G-8-Abitur, dem Wegfall des Zivildienstes und die Bologna-Reform haben junge Menschen kaum noch Kapazitäten für zeitaufwendige und verbindliche Freizeitbeschäftigungen. „Die Verschulung des Studiums mit erhöhtem Leistungsdruck und Anwesenheitspflicht verschärft das Problem noch“, so Stappert.

Ehrgeizig, hochqualifiziert, freiheitsliebend

Lars Krys ist trotzdem dabei geblieben. Der 27-Jährige ist Gruppenführer bei der Freiwilligen Feuerwehr in Hamburg-Stellingen. Die Feuerwehr kennt er von klein auf, schon sein Vater und einige Onkel waren Feuerwehrmänner. Von der Jugendfeuerwehr trat er mit 17 Jahren über zur Einsatzabteilung und arbeitete sich von dort aus langsam hoch. Mit Einsätzen, Ausbildung und Stadtteilarbeit beansprucht ihn das Ehrenamt wöchentlich etwa acht bis zehn Stunden. „Für jemanden, der nur halbherzig dabei ist, ist es zu zeitaufwendig. Gerade am Anfang in der Grundausbildung sieht man die Familie nur wenig und ist vorrangig Feuerwehrmann“, sagt Krys.

Jugendliche und junge Erwachsene sind es seit jeher gewohnt, selbstbestimmt und selbstorganisiert zu arbeiten. Sie wollen ihre Arbeit flexibel gestalten können. Dafür stellen sie sich gerne Herausforderungen und können nicht nur digital hervorragend kommunizieren, sondern sind auch hochgradig vernetzt. Organisationen könnten sich diese Eigenschaften zunutze machen, wenn sie im Gegenzug Entwicklungspotenzial zulassen.

Christopher H. Stappert sieht bei vielen Vereinen aber ein Problem, der jungen Generation dabei entgegenzukommen: „Oft fehlt es an Mut, für Ehrenamtliche agile Strukturen zu schaffen.“ Als Leiter der ASB Zeitspender-Agentur in Hamburg bringt Jens Schunk Freiwillige und Organisationen miteinander in Kontakt. Seiner Meinung nach hängen die Vermittlungsprobleme auch mit der Art der ehrenamtlichen Tätigkeit zusammen: „Natürlich ist das klassische Ehrenamt, Vereine mit Vorstandsposten, die Zeit kosten und langfristige Verantwortung erfordern, schwieriger mit jungen Menschen zu besetzen.“ Die Zielgruppe der 14- bis 30-Jährigen möchte aber vor allem etwas für die gute Sache tun, verlangt Unmittelbarkeit, will schnell ein klares Ergebnis sehen. Bedingungen, die Vereinsarbeit nicht immer erfüllen kann.

Ehrenamtliche: „Jeder Einsatz ist anders.“

Immer neue Herausforderungen und Abwechslung erlebt auch Lars Krys, wenn er mit der Freiwilligen Feuerwehr zu Löscheinsätzen fährt. Der Lohn für seine Arbeit ist für ihn vor allem das gute Gefühl, den Bürgern helfen zu können: „Die Leute sind froh, wenn wir um die Ecke kommen. Man sieht ihnen die Erleichterung oft an, manchmal gibt es auch ein Danke.“

Die Motivation für sein Ehrenamt bezieht er aber vor allem aus der Kameradschaft, bei der Freiwilligen Feuerwehr hat er viele Freunde gefunden. „Man ist eine Einheit und kann sich aufeinander verlassen. Jeder steht für den anderen ein, es ist wie eine große Familie.“ Der Freiwilligensurvey kann empirisch bestätigen, dass die Erwartungen der Generation Y an freiwillige Tätigkeiten vor allem Spaß an der Arbeit und der Kontakt zu sympathischen Menschen sind. Auch die Möglichkeiten, anderen zu helfen und etwas für das Gemeinwohl zu tun, sind ausschlaggebend für die Entscheidung zum Ehrenamt. „Pragmatisch gesehen erwirbt man sich damit ganz nebenbei auch Kompetenzen und Qualifikationen für den Lebenslauf. Auch das spielt in unserer Leistungsgesellschaft natürlich eine Rolle“, ergänzt Stappert.

Damit sich die Generation Y auch zukünftig weiterhin für ehrenamtliche Tätigkeiten begeistern kann, sieht er vor allem die Vereine und Organisationen in der Pflicht, sich strukturell an die veränderten Bedürfnisse anzupassen: „Transparenz ist wichtig, um zu zeigen, wo flexible Arbeit möglich ist. Auch eine gute Einarbeitung am Anfang spielt eine große Rolle für die weitere Motivation. Und nicht zuletzt: eine Wertschätzungskultur, zum Beispiel durch eine Weihnachtsfeier speziell für Ehrenamtliche.“

Jens Schunk von der ASB Zeitspender-Agentur rät zugunsten flexibler Arbeitszeiten zu der Möglichkeit, sich nicht bindend, sondern stattdessen projekthaft zu engagieren. Etwa über die Hamburger Initiative „Tatkräftig“, die es Gruppen von Freiwilligen ermöglicht, sich in einzelnen Projekten einen Tag lang zu engagieren. In Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen oder hilfsbedürftigen Menschen ist diese Hilfe zeitlich flexibel, gemeinnützig und wird gleichzeitig noch zum Gemeinschaftserlebnis.