Berlin . 1,8 Millionen Deutsche leiden an Rhythmusstörungen. Das Risiko eines Schlaganfalls steigt.

Je älter wir werden, desto größer ist die Gefahr, dass unser Herz unregelmäßig schlägt. Zu den häufigsten Gründen, weshalb es aus dem Takt gerät, gehört das Vorhofflimmern. Fast 1,8 Millionen Deutsche leiden daran. Das hat eine Auswertung von Krankenkassendaten durch das Kompetenznetz Vorhofflimmern ergeben. Die Spezialisten befürchten, dass die Zahl der Betroffenen in Deutschland bis 2020 auf 2,13 Millionen steigen wird. Wir erklären die Hintergründe.

Wie entsteht Vorhofflimmern?

Bei einem gesunden Menschen schlägt das Herz in Ruhe etwa 60- bis 70-mal pro Minute. Vorhofflimmern bewirkt, dass es stolpert, mal schneller – bis zu 160 Schläge pro Minute – und mal langsamer pulsiert. „Die Ursache ist vor allem im linken Herzvorhof zu suchen“, sagt Professor Andreas Götte, Chefarzt der Kardiologie des St.-Vincenz-Krankenhauses in Paderborn, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung und Vorstandsmitglied des Kompetenznetzes Vorhofflimmern mit Sitz in Münster. „Im linken Vorhof münden die Lungenvenen, sie pumpen viel Blut aus der Lunge ins Herz und sorgen dafür, dass dieser Bereich besonders belastet ist.“ Der hohe Druck, der so entsteht, sorgt Götte zufolge dafür, dass sich zunehmend Bindegewebszellen einlagern und dadurch die elektrischen Impulse, welche die Herzzellen untereinander weitergeben, langsamer werden.

Wer trägt ein besonderes Risiko?
„Vor allem Menschen ab einem Alter von 60 Jahren, deren Herz durch jahrelange Arbeit ermüdet ist“, erklärt der Kardiologe. „Ein hoher Blutdruck und regelmäßige, intensive Bewegung – etwa bei Hochleistungssportlern – sind weitere Risikofaktoren.“ Rhythmusstörungen könnten aber auch durch eine Herzschwäche sowie durch Übergewicht und Diabetes mellitus entstehen. Götte: „Diabetes ist eine Stoffwechselstörung, die auch den Stoffwechsel der Herzmuskelzellen betrifft.“

Woran erkennt man es?
Ein über 30 Sekunden anhaltender, komplett unregelmäßiger Pulsschlag ist laut Götte das wichtigste Symptom: „Diese Empfindung, die plötzlich auftritt, wird häufig begleitet von Schwindelgefühlen und einer geringeren Leistungsfähigkeit.“ Zuweilen ende das Vorhofflimmern so abrupt, wie es begonnen habe. Aber es könne auch andauern, bis das Herz mithilfe eines Elektroschocks wieder in Takt gebracht werde. Bedenklich: Laut Götte bemerken manche Menschen das Flimmern gar nicht, es werde oft zufällig bei einer anderen Untersuchung festgestellt.
Warum ist Vorhofflimmern riskant?

Weil das Blut nicht mehr gleichmäßig aus den Vorhöfen in die Herzkammern gepumpt wird, bilden sich Gerinnsel, die bis ins Gehirn gelangen und dort schnell eine der vielen kleinen Adern verstopfen können. Dadurch wird ein Teil des Hirns nicht mehr mit Blut versorgt, Gewebe stirbt ab, ein Schlaganfall entsteht.

Was tun, wenn das Herz
unregelmäßig schlägt?

Fühlt man das Herz stolpern oder rasen, sollte man zum Hausarzt gehen. Dieser stellt durch ein Elektrokardiogramm (EKG) fest, ob es sich um Vorhofflimmern handelt und wie groß das Risiko eines Schlaganfalls ist. Daraufhin kann die Herzfrequenz von Medikamenten wie Betablockern oder Blutverdünnern wieder in regelmäßige Bahnen gelenkt werden. Götte: „Zuweilen ist es notwendig, das Flimmern durch eine Art Elektroschock – elektrische Kardioversion genannt – zu beenden.“ Diese Aktion und die weitere Behandlung übernimmt ein Kardiologe.
Wie behandeln Kardiologen?

„Es ist wichtig, die Bildung von Gerinnseln mithilfe von blutverdünnenden Medikamenten zu verhindern“, erklärt Andreas Götte. Am bekanntesten sind immer noch die sogenannten Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar – eine Marcumar-Therapie aber muss durch die Kontrolle von Messwerten beim Arzt überwacht werden. Die Wirkung von Marcumar kann durch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder durch die Ernährung verstärkt beziehungsweise abgeschwächt werden. Andreas Götte: „Alternativ gibt es jetzt vier ,Noaks‘, also neue orale Antikoagulanzien. Diese bekommen Patienten, die Probleme mit Marcumar haben. Unter anderem sinkt durch die Einnahme der neuen Mittel die Blutungsrate im Gehirn.“

Gibt es hilfreiche operative Eingriffe?
Als etablierte Alternative zu antiarrhythmischen Medikamenten nennt der Kardiologe die sogenannte Katheterablation, auch Lungenvenenisolation betitelt. „Dabei wird ein Katheter durch die Leiste eingeführt und bis in den linken Herzvorhof vorgeschoben. Dort verödet der Kardiologe das Gewebe der Lungenvenen mithilfe von Hitze, Kälte oder durch einen Laser, damit es keine ,Fehlzündungen‘ mehr gibt“, sagt Götte. Eine weitere Möglichkeit anstelle der Einnahme von Blutverdünnungsmedikamenten ist nach seinen Worten der mechanische Verschluss des „Herzohrs“ – eines Teils des Organs, in dem die gefährlichen Gerinnsel entstehen. „Das geschieht häufig bei Patienten, die keine Blutverdünner vertragen und bei denen die Gefahr eines Schlaganfalls besteht“, sagt Kardiologe Götte.