Washington. Eine seit mehr als neun Jahren reisende Sonde soll sehr nah an dem Zwergplaneten vorbeirasen - und viele Rätsel lösen.

Als „New Horizons“ losflog, war Pluto noch ein Planet. Im Januar 2006 startete die Nasa-Sonde vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida, sieben Monate später degradierte die Internationale Astronomische Union (IAU) den vergleichsweise kleinen Pluto zum Zwergplaneten. Eigentlich hatte die US-Raumfahrtbehörde mit der rund 700 Millionen Dollar teuren Mission die Ersterkundung aller neun Planeten abschließen wollen, jetzt waren es plötzlich nur noch acht. Trotzdem gilt der erste Besuch eines irdischen Flugkörpers bei Pluto und seinen fünf Monden am kommenden Dienstag (14. Juli) als Meilenstein der Raumfahrtgeschichte.

„Ich habe immer gesagt, dass wir einen Pluto finden würden, der mit zwei Wörtern beschrieben werden kann: etwas Wunderbares“, sagte Missionsleiter Alan Stern der „New York Times“. „Und das stellt sich jetzt als komplett wahr heraus. Das Pluto-System ist absolut verblüffend.“

Seit mehr als neun Jahren ist „New Horizons“ (Neue Horizonte) unterwegs, hat rund fünf Milliarden Kilometer zurückgelegt und ist an Mars, Saturn, Uranus, Jupiter und Neptun vorbeigeflogen, bevor nun endlich das mit Spannung erwartete Ziel der langen Reise ansteht: Auf rund 12.000 Kilometer soll sich „New Horizons“ dem Pluto nähern und ihn mit seinen sieben wissenschaftlichen Instrumenten untersuchen. Wenn man aus dieser Distanz auf Manhattan schauen würde, erklärt Wissenschaftler Stern, könnte man die Seen im Central Park ausmachen.

Sonde ist 50.000 km/h schnell

Aber die Mission bleibt bis zur letzten Sekunde spannend. Weil die etwa Klavier-große und rund 500 Kilogramm schwere Sonde mit rund 50.000 Kilometer pro Stunde unterwegs ist, könnte schon ein Zusammenstoß mit einem Objekt so klein wie ein Reiskorn das ganze Vorhaben zu Fall bringen. Vor wenigen Tagen gab es dann auch noch einen technischen Fehler, den die Nasa aber wieder beheben konnte. Er sei „ziemlich zuversichtlich“, dass alles gut geht, gibt sich Forscher Stern gelassen.

So lang die Reise war, so kurz ist dann ihr eigentlicher Höhepunkt: Nur etwa zwei Tage hat die Sonde rund um den Vorbeiflug Zeit, um gute Fotos und Messungen von Pluto zu machen. Da bleibt nicht viel Zeit für Kommunikation mit der Erde. Für das erlösende Signal, das den erfolgreichen Vorbeiflug bestätigt, hat die Nasa ein kleines Zeitfenster gegen 0300 Uhr in der Nacht zum Mittwoch (15. Juli) eingebaut.

Die Erforschung des 1930 von dem US-Amerikaner Clyde Tombaugh entdeckten Zwergplaneten sei „wie ein archäologischer Spatenstich in die Geschichte des äußeren Solarsystems“, hatte Stern schon beim Start der Sonde gesagt. Der etwa minus 230 Grad kalte Pluto ist eine Art Eiszwerg, wie sie zu Zigtausenden bei der Entstehung des Sonnensystems übrig geblieben sind und seitdem den sogenannten Kuipergürtel bilden.

Unendlich viele neue Fragen

Bislang haben Forscher nur fragmentarisches Wissen über Pluto, das vor allem von Bildern des Hubble-Weltraumteleskops stammt. Für Planetenforscher sei der Eiszwerg „eine noch fast unbekannte Welt“, sagt Tilman Spohn, Direktor des Berliner Instituts für Planetenforschung. Die ersten, noch verschwommenen Fotos, die „New Horizons“ lieferte, haben unendlich viele neue Fragen mit sich gebracht. Der Vorbeiflug der Sonde soll den Winzling, der mit einem Durchmesser von etwa 2300 Kilometern kleiner als der Erdenmond (3500 Kilometer) ist, erstmals kartographieren und - so hoffen Wissenschaftler - viele Jahrzehnte alte Rätsel lösen. Ob es auf dem Pluto schneit, beispielsweise. Oder ob in seinem Eiskern ein Ozean versteckt liegt.

Auch deutsche Wissenschaftler sind an dem Projekt beteiligt. Forscher des Rheinischen Instituts für Umweltforschung an der Universität Köln sollen mit Hilfe eines Radiomessgeräts Oberflächentemperaturen von Pluto und seinem Mond Charon messen und die Massen und Dichten von Pluto und Charon direkt bestimmen. Ihre Arbeit wird vom Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert.

Nach dem Pluto-Besuch soll „New Horizons“, die unter anderem zwei US-Münzen und einen kleinen Haufen Asche des 1997 gestorbenen Pluto-Entdeckers Tombaugh an Bord hat, noch tiefer in den Kuipergürtel hineinfliegen. Wie und wohin genau, beraten die Nasa-Wissenschaftler noch.

Aber die Spannung sei schon da, wie Astronom Michael Brown, der 2005 den Zwergplaneten Eris im Kuipergürtel entdeckte, der „New York Times“ sagte. „Wir sind ziemlich sicher, dass es dort draußen etwas gibt, was so groß ist, dass wir aufhören können, uns über Möchtegern-Dinge wie Pluto zu sorgen und anfangen können, uns mit dem wirklichen neunten Planeten zu beschäftigen.“

Der Weg der Raumsonde „New Horizons“ zum Pluto

Nach einer Flugzeit von mehr als neun Jahren soll die Nasa-Raumsonde „New Horizons“ (Neue Horizonte) an diesem Dienstag Pluto passieren. Sie wird sich, so der Plan, dem Zwergplaneten bis auf rund 12.000 Kilometer nähern - und ihm damit so nahe kommen wie kein irdischer Flugkörper zuvor. Der Weg zum Pluto war lang:

19. Januar 2006: „New Horizons“ startet vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida

7. April 2006: Die Sonde fliegt an der Umlaufbahn des Mars vorbei

Juni 2006: „New Horizons“ entdeckt einen kleinen Asteroiden, der später „APL“ getauft wird

28. Februar 2007: Die Sonde fliegt am Jupiter vorbei und nähert sich ihm auf rund 2,3 Millionen Kilometer

8. Juni 2008: „New Horizons“ fliegt durch die Umlaufbahn des Saturn

18. März 2011: Die Sonde durchquert die Umlaufbahn des Uranus

25. August 2014: „New Horizons“ kreuzt die Umlaufbahn des Neptun

Dezember 2014: Die Nasa weckt die Sonde aus ihrem „Winterschlaf“ und bereitet sie auf das Treffen mit Pluto vor

14. Juli 2015: Der große Tag - „New Horizons“ soll in rund 12 000 Kilometer Entfernung an Pluto vorbeifliegen

2017 - 2020: Falls die Nasa zustimmt, könnte die Sonde nach ihrem Vorbeiflug am Pluto auch noch den Kuipergürtel mit seinen zigtausend Objekten erkunden