Front Roya. Mittel gegen Mücken und Zecken sind keine menschliche Erfindung. Auch Tiere versuchen, die Blutsauger in die Flucht zu schlagen.

Die Plagegeister haben wieder Hochsaison. Ein Heer von Mücken, Zecken und anderen Blutsaugern startet in diesen Wochen seine Angriffe, überall scheint es zu surren, zu krabbeln und zu stechen. Doch Menschen sind keineswegs die einzigen Opfer der kleinen Vampire. Schließlich lässt sich eine nahrhafte Blutmahlzeit genauso gut aus einem anderen Säugetier oder einem Vogel zapfen. Aber auch die sind nicht bereit, die Attacken einfach so über sich ergehen zu lassen. Tiere haben im Laufe ihrer Evolution eine ganz Palette von verschiedenen Insekten-Repellents erfunden.<

Die Osha-Wurzel, die in den Rocky Mountains wächst, ist zum Beispiel ein echtes Allround-Talent. Sie wirkt nicht nur gegen Magenschmerzen und Infektionen, sondern schlägt auch Insekten in die Flucht. Eine Legende der Navajo-Indianer erzählt, dass es einst die Bären waren, die den Menschen das Wissen über die Heilkräfte des vielseitigen Gewächses gebracht haben. Und vielleicht ist da ja etwas dran. Schließlich zerkauen nordamerikanische Braunbären immer wieder mal eine Osha-Wurzel und schmieren sich den mit Speichel vermischten Brei ins Gesicht. Wollen sie sich mit der stark nach Sellerie duftenden Rezeptur gegen lästige Insekten schützen? Eine bessere Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten hat bis jetzt zumindest noch niemand gefunden.

Aus Studien an anderen Tieren wissen Biologen, dass aromatische Pflanzen gegen Blutsauger helfen können. Weißrüssel-Nasenbären in Panama zum Beispiel haben die Vorzüge eines Gehölzes namens Trattinickia aspera entdeckt. Dieses Gewächs sondert ein stark nach Menthol riechendes Harz ab. Ein Nasenbär, der sich das ins Fell schmiert, mag zwar duften wie ein Hustenbonbon. Dafür hält er sich aber Flöhe, Zecken, Läuse und Stechmücken vom Leib.

Anderenorts setzen Nasenbären auf die abschreckende Wirkung von Zitrusfrüchten. Und damit sind sie nicht die Einzigen. Die Anthropologin Mary Baker von der University of California in Riverside hat beobachtet, wie sich Weißschulter-Kapuzineraffen in Costa Rica mit dem Saft und dem Fruchtfleisch verschiedener Zitrusgewächse einrieben. Laborversuche haben inzwischen gezeigt, dass diese Pflanzen etliche Verbindungen enthalten, die Insekten und Spinnentiere vertreiben oder sogar abtöten können.

Ein Team vom Smithsonian-Institut im US-amerikanischen Front Royal hat die Wirkung von Zitrusfrüchten auf Zecken getestet. Dabei haben die Forscher aus Zitronenschalen gewonnene Flüssigkeit unter die Lupe genommen sowie 24 Verbindungen aus Früchten und Blättern verschiedener Zitrusgewächse. Tatsächlich krabbelten die Zecken etlichen dieser Substanzen aus dem Weg. Und wenn sie doch damit in Kontakt kamen, konnten sie anschließend nicht mehr richtig klettern. Die größte Wirkung zeigten dabei die Flüssigkeit aus der Zitronenschale und die Verbindung Carveol.

Kapuzineraffen benutzen verschiedene Pflanzen als Repellents

Allerdings beschränken sich Kapuzineraffen nicht nur auf solche Zitrus-Wirkstoffe. Gerade diese Primaten sind als besonders einfallsreiche Repellent-Nutzer bekannt. Je nach Art und Region schmieren sie sich und ihren Gefährten die unterschiedlichsten Substanzen in den Pelz. Schließlich bietet ihr Lebensraum eine ganze Palette von aromatisch duftenden Pflanzen, die sich mit Speichel zum wirksamen Insekten-Repellent verarbeiten lassen. Zwiebeln zum Beispiel. Oder verschiedene Pfeffergewächse. Dabei rupfen sie aber keineswegs irgendwelche Vertreter der Pfefferverwandtschaft ab, sondern entscheiden sich gezielt für die Art Piper marginatum – ein Gewächs, dem das ätherische Öl Safrol einen starken, lakritzähnlichen Duft verleiht. Die Biologin Erica Jansen vom Hope College in Holland im US-Bundesstaat Michigan hat in Laborversuchen herausgefunden, dass Piper marginatum Mückenlarven viel effektiver abtötet als Pfefferarten ohne Lakritzaroma. Braune Kapuzineraffen sind auf die Idee gekommen, sich mit Tausendfüßern der Art Orthoporus dorsovittatus einzureiben. Auch darin haben Forscher vom Smithsonian-Institut einen insektenbekämpfenden Sinn entdeckt. Denn in den Sekreten der Tausendfüßer finden sich giftige Verbindungen. Zwei davon schlugen in den Experimenten die Weibchen der Gelbfiebermücke Aedes aegypti in die Flucht. Auch Ameisensäure scheint ein wirksames Rezept gegen Blutsauger zu sein. Mehr als 200 Vogelarten nehmen immer mal wieder ein Bad im Ameisenhaufen oder schmieren sich die Krabbeltiere ins Gefieder. Dabei haben sie eine Vorliebe für Arten, die reichlich Ameisensäure produzieren. Die nämlich wirkt Laborversuchen zufolge besonders effektiv gegen Federläuse.

Auch im Nest lauert ein Heer von Parasiten, die Küken und Eltern nicht nur Blut abzapfen, sondern auch verschiedene Krankheiten übertragen können. Wenn Gesundheit und Bruterfolg nicht übermäßig leiden sollen, sind Maßnahmen zum Schutz der Kinderstube gefragt. Manche Vögel scheinen dabei auf pflanzliche Unterstützung zu setzen. Etliche Arten wie Stare, Spatzen oder Blaumeisen sind dafür bekannt, dass sie regelmäßig frische, aromatische Pflanzen in ihre Nester tragen. Einige Biologen vermuten, dass sie damit vor allem ihre Partner beeindrucken wollen. Doch die duftende Raumausstattung könnte auch gegen Blutsauger wirken. Manche Stare tragen zum Beispiel gern die Stängel der Wilden Möhre in ihr Nest. Diese Pflanze enthält eine Verbindung namens Beta-Sitosterol, die Milben abschreckt und an der Eiablage hindert.

Stadtvögel bauen Zigarettenreste in Nester ein, um Schädlinge abzuwehren

Einige Stadtvögel scheinen sich auf eine modernere Variante des Nestschutzes verlegt zu haben. Diesem neuen Trend ist ein Team von der Universidad Autónoma de México in Mexiko-Stadt auf die Spur gekommen. Die Forscher hatten Nester der Haussperlinge auf dem Gelände der Universität untersucht und in fast neunzig Prozent davon Cellulosefasern aus Zigarettenfiltern gefunden. Kippen in der Kinderstube – das klingt erst einmal nicht gesundheitsfördernd. Andererseits haben Tabakpflanzen ihr Nikotin ja gerade entwickelt, um hungrige Insekten von ihren Blättern fernzuhalten.

Greifen also auch Spatzen im Kampf gegen Parasiten neuerdings zur Nikotin-Waffe? Es spricht einiges dafür. Bei den untersuchten Nestern ließ sich klar erkennen: Je mehr Zigarettenreste, umso weniger Milben. Dazu passt auch das Ergebnis eines Experiments: Die Forscher hatten Spatzen-Kinderstuben mit Parasitenfallen bestückt, die entweder den Filter einer frischen oder den einer gerauchten Zigarette enthielten. Letztere lockten wesentlich weniger Blutsauger an – vermutlich wegen des darin enthaltenen Nikotins. Allerdings könnten dabei noch andere Tabakinhaltsstoffe eine Rolle gespielt haben. Klar ist jedenfalls, dass gegen die alten Gegner im Nest immer neue Strategien gefragt sind.