Hamburg. 400 Experten treffen sich in Hamburg, um Umweltprobleme in Nord- und Ostsee sowie globale Themen zu beraten.

Zum 25. Mal lädt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hy­drographie (BSH) zum Symposium „Aktuelle Probleme der Meeresumwelt“. Etwa 400 Experten treffen sich am Mittwoch und Donnerstag in Hamburg. Die Bandbreite der Themen reicht vom Symposiums-Klassiker – der Verschmutzung und Überdüngung der Meere – über die Fischerei, die Schifffahrt bis zum zukünftigen Bergbau in der Tiefsee.

„Seit einem Vierteljahrhundert diskutieren wir die Herausforderungen, denen wir bei Nutzung und Schutz der Meere gegenüberstehen“, sagt die Präsidentin des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Monika Breuch-Moritz, anlässlich der Tagung. Am Anfang sei das Symposium vor allem von der „Umweltcommunity“, also Umweltfachleuten aus Wissenschaft, Behörden, Wirtschaft und Verbänden, besucht worden. Inzwischen habe es sich „zu einer Plattform entwickelt, auf der verschiedenste Branchen aktiv mitarbeiten. Heute ist das Meeresumwelt-Symposium ein Forum für alle, die mit dem Meer zu tun haben und den Umweltschutz ernst nehmen“, freut sich die Präsidentin.

Zu den diesjährigen Referenten zählt Ralf Nagel, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder (VDR) und ehemaliger Wirtschaftssenator der SPD in Bremen. Die Schifffahrtsbranche sei auf „grünem Kurs“, so Nagel. Ein Beispiel sei das wachsende Interesse an umweltschonenden Antrieben wie Flüssiggas (LNG). Um es als Alternative zum Schweröl zu etablieren, brauche es jedoch international einheitliche Rechtsvorschriften, bessere Bedingungen zur Finanzierung von innovativen Projekten und eine ausreichende Versorgungsstruktur für LNG, forderte Nagel im Namen des VDR.

Schiffsneubauten müssen seit 2013 internationale Mindeststandards für die Energieeffizienz erfüllen, so Nagel. Auch werde derzeit diskutiert, ob auf den Fahrten der CO2-Ausstoß dokumentiert werden müsse; dies unterstützt der VDR. Eine solche globale Anforderung passe zu einer kürzlich von der EU beschlossenen CO2-Berichtspflichten für Schiffe. Kritisch sieht der VDR jedoch Angaben für einzelne Transporte oder Schiffe, etwa den CO2-Ausstoß pro Tonne und Seemeile.

Den Beitrag der Schifffahrt zur Vermüllung der Meere hält Nagel für gering: Es sei ausnahmenslos verboten, „dass Plastikmüll und anderer umweltgefährdender Müll über Bord geworfen wird“. Der Abfall werde auf den Schiffen getrennt und in den Häfen entsorgt. Dazu wünscht sich Nagel, dass das sogenannte No-special-fee-system, das sich bereits im Ostseeraum bewährt habe, in allen EU-Häfen eingeführt wird. Das heißt, sämtliche Entsorgungsleistungen sind in den Hafengebühren enthalten und werden nicht nach abgegebenen Mengen berechnet.

Der Löwenanteil des Plastikmülls auf See stamme aus der Fischerei, sagt der Reedervertreter. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) fordert seit einigen Jahren Fischer an Nord- und Ostsee auf mitzuhelfen, das Problem zu bekämpfen. Mehr als 100 Fischer beteiligen sich nach Nabu-Angaben am Projekt „Fishing for litter“. Sie sammeln den Müll, der sich in ihren Netzen verfangen hat, an Bord und packen ihn nach dem Anlegen in einen Container im Heimathafen – von Greetsiel am Mündungstrichter der Ems bis Sassnitz auf der Insel Rügen.

Vor der Ostseeinsel machte sich der Umweltverband WWF auf die Suche nach Netzresten, die an Wracks im Wasser schweben. Von dem Projekt wird Jochen Lamp, vom WWF-Ostsee-Büro in Stralsund, am ersten Symposiumstag berichten. An 28 von 30 untersuchten Wracks fanden die WWF-Taucher Netzreste, in denen sich bodennah lebende Meeresbewohner tödlich verheddern können. Im September 2014 holten die Meeresschützer an fünf Einsatztagen insgesamt rund zwei Tonnen dieser Geisternetze ans Tageslicht.

Viele Müllteile im Meer sind ­dagegen winzig klein und dennoch ­gefährlich für Wasserbewohner. Dr. Lilian Busse vom Umweltbundesamt ­zitiert Schätzungen, nach denen etwa zehn Prozent der weltweit hergestellten Kunststoffe früher oder später im Meer enden – jedes Jahr 290 Millionen Tonnen. Von 663 Arten von Lebewesen sei bislang bekannt, dass sie regelmäßig Kontakt mit Plastikabfällen haben, sagt Busse. So verwenden Seevögel Netz­reste als Nistmaterial, und Fische, ­Muscheln und Krebsen nehmen sie versehentlich als Nahrung auf.

Das sogenannte Mikroplastik könne sogar zur Ausbreitung von Krankheitserregern beitragen, betont Dr. Gunnar Gerdts von der Biologischen Anstalt Helgoland. An den winzigen Partikeln bilden sich sogenannte Biofilme, ein Belag aus Mikroorganismen. Darunter können auch Bakterien sein, die bei Menschen Krankheiten verursachen, warnt Gerdts. Diese ­würden zusammen mit den Plastikpartikeln von der Strömung verbreitet.

Kläranlagen können die feinen Plastikteilchen nur zum Teil zurückhalten, berichtet Gerdts. Effektiver holen die Anlagen Stickstoffverbindungen aus dem Abwasser. Dennoch bleiben diese ein großes Umweltproblem, urteilt Dr. Markus Salomon vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. Die Stickstoffverbindungen gelangen in Binnen- und Küstengewässer und wirken dort als Dünger. Im Frühjahr und Sommer, wenn die Wassertemperaturen steigen und die Sonne viel Licht spendet, wachsen die gut gedüngten Algen übermäßig stark (Eutrophierung) und treten an den Küsten massenhaft auf. Wenn sie absterben, werden sie von Mikroorganismen zersetzt. Das verbraucht Sauerstoff, der dann den Wasserlebewesen fehlt. Ein bekanntes Beispiel für diesen Effekt sind Sauerstofflöcher – und damit verbunden sterbende Fische – in der Elbe.

Salzwassernachschub aus der Nordsee wird die Ostsee über Jahre entlasten

Der südliche Teil der Nordsee und die gesamte Ostsee seien besonders von der Eutrophierung betroffen, sagt Salomon. Hauptverursacher der Stickstoffbelastung sei die Landwirtschaft, „insbesondere eine nicht nachhaltige Düngepraxis“. Salomon: „Etwa 77 Prozent der Stickstoffeinträge in das deutsche Einzugsgebiet der Nordsee stammt aus dieser Quelle.“

Zumindest die überdüngte Ostsee kann derzeit aufatmen. Im Dezember bliesen atlantische Stürme große Mengen sauerstoffreiches Salzwasser aus der Nordsee in die Ostsee. Fast zwei Wochen hielt die natürliche Beatmung an und war so stark wie seit 1951 nicht mehr. Der Salzwassereinstrom werde durch seinen hohen Sauerstoffgehalt „die Umweltbedingungen in den tieferen Becken der Ostsee für die kommenden Jahre maßgeblich verbessern“, freuen sich Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung und stellen diese Erkenntnis auf dem BSH-Symposium vor.

Die Kurzfassungen der Symposiumsvorträge stehen unter www.bsh.de, Stichwort Aktuelles (rechts Spalte)