Hamburg. Initiatoren wollen ein Netzwerk bilden, um die Diskussion über eine nachhaltige Nutzung der Ozeane voranzutreiben.

Die Stadt bekommt eine neue Institution: Die Deutsche Meeresstiftung will maßgebliche Akteure, die die Ozeane nutzen oder schützen wollen, zusammenbringen und damit dem Lebensraum mehr Geltung verschaffen. Im Juni solle die Stiftung gegründet werden, sagen die beiden Initiatoren Frank Schweikert und Frank Otto.

Der eine, Frank Otto, ist den Hamburgern als Medienunternehmer und Unterstützer verschiedener kultureller Projekte bekannt, die sich oft mit Zukunftsfragen des Planeten auseinandersetzen. Der andere, Frank Schweikert, leitet als Journalist und ausgebildeter Biologe das Aldebaran-Büro. Es trägt Ergebnisse der ökologisch orientierten Meeres- und Klimaforschung in die Öffentlichkeit und unternimmt mit der gleichnamigen Segelyacht selbst Forschungsfahrten.

„Wir leben auf einem Wasserplaneten“, sagt Frank Otto, „Meere sind ein Riesenthema, größer als man annimmt. Sie sind auch ein Wirtschaftsfaktor, gerade für Hamburg – und damit auch ein Hamburger Thema.“ Weil viele Ressourcen an Land nicht nachhaltig bewirtschaftet werden, würden die Meere an Bedeutung gewinnen, ergänzt Frank Schweikert. „Die große Vorkämpferin für einen nachhaltigen Umgang mit den Meeren, Elisabeth Mann Borgese, sagte einmal, dass Algen in der Zukunft essenziell für die Menschheit werden, sei es als Eiweißlieferant in der Ernährung oder als technischer Rohstoff. Und die Methanvorkommen am Meeresgrund könnten große Mengen Energie liefern. Diese noch verborgenen Schätze der Ozeane bergen nicht nur Chancen, sondern auch die Gefahr, dass deren Ausbeutung die Umwelt zerstört. Deshalb muss die Diskussion über eine nachhaltige Nutzung der Meere rechtzeitig und breit geführt werden.“

Bislang, so Schweikert, gebe es eine Vielzahl von vereinzelten Akteuren, ebenso viele Verantwortlichkeiten und zu wenige gemeinsame Anstrengungen beim Umgang mit den Meeren. „Wissenschaftler und Politiker, Rechtsexperten, Wirtschaftsvertreter und Umweltschützer ziehen bislang nicht am selben Strang. Die Deutsche Meeresstiftung sieht sich als Moderator und Partner der unterschiedlichen Akteure. Wir wollen ein leistungsfähiges Netzwerk schaffen, um das Thema voranzubringen und stärker ins nationale Bewusstsein zu rücken.“

Nach mehrjähriger Vorbereitung wollen Otto und Schweikert die Stiftung nun aus der Taufe heben. Sie hat ein Kapital von 50.000 Euro, das unangetastet bleibt. In Zeiten niedriger Zinssätze funktioniert der traditionelle Stiftungsansatz, die Arbeit mit den Erträgen aus einem stattlichen Kapital zu finanzieren, nicht mehr. Deshalb gehen die sechs Gründungsmitglieder einen anderen Weg, den der Verbrauchsstiftung. Diese schüttet ihr Kapital aus, um ihre Arbeit zu finanzieren. „Wir haben derzeit Zusagen von einer Viertel Million Euro, an denen ich beteiligt bin“, sagt Frank Otto, Sohn des Hamburger Versandhaus-Gründers Werner Otto. Schweikert: „Bislang haben wir vier Stifter, die sich mit Beträgen zwischen 30.000 und 70.000 Euro beteiligen.“ Weitere Stifter seien herzlich willkommen.

Dr. Peter Dill, Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Fischwirtschaft, gehört ebenso zu den Gründungsmitgliedern wie Professor Hartmut Graßl, der im Kontext der Klimaforschung viel zur Fernerkundung der Meere mithilfe von Satelliten gearbeitet hat.

Mit im Boot sitzt auch der Internet-Unternehmer Kai Pohlmann. Er gründete 1991 die Agentur KMF, entwickelte sie zu einer führenden Online-Agentur und machte daraus die United Digital Group. „Als er seine Firmenanteile verkaufte, versprach Pohlmann seinen Kindern, dass er sich nun nur noch für die Meere engagiert“, erzählt Schweikert. „Er macht für uns den gesamten Internetauftritt.“ Ebenfalls aus der Wirtschaft kommt der sechste Stiftungsgründer Heinz Schelwat. Er ist Geschäftsführer eines Unternehmens, das Meerestechnologien entwickelt und anbietet.

Das Konzept der Stiftung orientiert sich an Vorbildern in den USA und vor allem in Oxford. Dort hat die Global Ocean Commission ihren Sitz, die sich für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der hohen See (alle Meeresgebiete außerhalb nationaler Wirtschaftszonen) engagiert. Sie nennt fünf Triebfedern der Zerstörung: die steigende Rohstoffnachfrage, Tiefseetechnologien, Überfischung, Klimawandel/Zerstörung von Lebensräumen und ein schwaches globales Management der hohen See (im Rahmen des Seerechts der Vereinten Nationen).

Diesen Bedrohungsfaktoren setzt die Ozeankommission Wege entgegen, die zur Erholung der Ozeane führen. Dazu gehören zum Beispiel verkleinerte Hochseeflotten der Fischerei, regionales Fischerei-Management nach dem Vorsorgeprinzip, der Schutz von besonders empfindlichen Meeresregionen und die Halbierung der Plastikabfälle, die in die Ozeane gelangen.

Auch in den USA arbeite bereits eine Organisation, die die Meeresakteure vernetze, sagt Schweikert. In Europa fehle eine solche Infrastruktur – die Deutsche Meeresstiftung könne der Grundstein auch für eine europäische Institution werden.

Nikolaus Gelpke, Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift „mare“ in Hamburg, beklagte im Jahr 2007 in einem Aufsatz, dass die deutsche Meerespolitik auf viele verschiedene Ressorts (unter anderem Verkehr, Wirtschaft, Umwelt) aufgeteilt und ein integraler Ansatz kaum erkennbar sei. Er forderte: „Gebt der Meerespolitik ein Gesicht“, in Anspielung an die ehemalige grüne Landwirtschaftsministerin Renate Künast, die noch Jahre nach dem Ende ihrer Amtszeit mit Ernährung und Landwirtschaft verbunden wurde.

Ein Gesicht für die Meerespolitik gibt es bis heute nicht. Frank Otto und Frank Schweikert wollen sich nun aufmachen, ihr sogar zwei Gesichter zu verschaffen.