Hamburg. Experten setzen sich dafür ein, dass an Ganztags-Grundschulen in der Hansestadt Zahnputzräume eingerichtet werden.

Hamburger Zahnärzte sorgen sich um die Zahngesundheit der Grundschulkinder in der Hansestadt. „In den Ganztags-Grundschulen sehen wir das Problem, dass die Kinder von 8 bis 16 Uhr in der Schule sind und sich in dieser Zeit nicht die Zähne putzen. Denn während der acht Stunden nehmen sie Kohlenhydrate und Säuren zu sich. Die Abbauprodukte greifen die Zähne an. Das betrifft nicht nur die Süßigkeiten, sondern auch das klassische Schulbrot, in dem ebenfalls viele Kohlenhydrate enthalten sind“, sagt Konstantin von Laffert, seit Januar dieses Jahres Präsident der Hamburger Zahnärztekammer.

Auf das Problem gestoßen ist er durch eine ganz persönliche Erfahrung. „Ich habe meine kleine Tochter an ihrem ersten Schultag in die Grundschule begleitet, und sie hat mich gefragt: ,Papa wo ist denn hier der Zahnputzraum?’. Daraufhin habe ich mich auf die Suche begeben, allerdings vergeblich.“

Der Plan der Hamburger Zahnärzte: In der Hansestadt gibt es 203 Ganztags-Grundschulen. „Wir wollen erstmal an einigen dieser Schulen einen Zahnputzraum einrichten und dieses Pilotprojekt wissenschaftlich begleiten. Dabei wollen wir auch die Abläufe studieren und ein bis zwei Jahre Erfahrungen sammeln, und dann das Projekt auf alle weiteren Ganztags-Grundschulen ausdehnen“, erklärt von Laffert.

Bislang hatten die Zahnärzte mit ihrem Vorstoß bei den Behörden keinen Erfolg gehabt, aber auf einen erneuten Brief hat die Schulbehörde jetzt Gesprächsbereitschaft angekündigt.

Trinken von gesüßten Tees, Cola und Eistee kann schon früh zu Karies führen

Sollten die Zahnärzte mit ihrem Vorhaben scheitern, sehen sie die Gefahr, dass die Erfolge der letzten 20 Jahre in der Prophylaxe von Zahnerkrankungen zunichte gemacht werden könnten. Zu den Dingen, die sie dabei erreicht haben, gehört auch, dass das Zähneputzen in den Kindergärten gut funktioniert und mittlerweile zur täglichen Routine geworden ist. Damit diese Routine nicht verloren geht, konzentrieren sich die Zahnärzte mit ihrer Initiative zunächst auf die Grundschulen. Eine Ausweitung auf die weiterführenden Schulen ist dann der nächste Schritt.

Wie es um die Zahngesundheit der Kinder bestellt ist, zeigt regelmäßig die Deutsche Mundgesundheitsstudie, die alle zehn Jahre neue Ergebnisse veröffentlicht. Die letzten Ergebnisse stammen von 2005. „In der Zeit von 1997 bis 2005 gab es einen Rückgang von Karies um 60 Prozent bei den Kindern, im Vergleich zu 1983 war es sogar ein Rückgang von 83 Prozent“, sagt von Laffert.

Zurückgeführt wird der Fortschritt auf vier Punkte: erstens die Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen, das heißt regelmäßig Zähneputzen, Aufklärung, Motivation, zweitens die Individualprophylaxe beim Zahnarzt, drittens Anwendung von fluoridierter Zahnpasta, und viertens, beharrliche Aufklärungsarbeit. „Wir müssen bei den Kindern ein Bewusstsein dafür schaffen“, sagt der Zahnarzt.

Die zahnärztliche Versorgung der Kinder in Hamburg sei hervorragend. „Aber es gibt noch Defizite, insbesondere bei Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Die Kinder gehen oft nicht in Kindergärten und die Eltern nicht mit ihnen zum Zahnarzt. Vielleicht kommen sie dann in der Schule damit in Berührung, aber nur in der Theorie“, sagt von Laffert. Seit 20 Jahren arbeitet er als niedergelassener Zahnarzt. In dieser Zeit seien die Zähne der Kinder eindeutig besser geworden. „Aber es gibt auch immer noch Kinder mit desaströsen Befunden im Mund, manchmal schon im Alter von drei Jahren.“

Wenn es ganz früh zu Karies kommt, sprechen Ärzte auch von Early Childhood Caries (ECC). Die Ursachen: Trinken von gesüßten Tees aus der Flasche oder Trinken von Eistee und Cola im Alter unter drei Jahren. „Viel Zucker und viel Säure ist das Schlimmste, was man den Zähnen antun kann“, sagt der Zahnarzt.

In Untersuchungen habe sich herausgestellt, dass fast 50 Prozent der Defekte, die bei der Einschulung des Kindes festgestellt würden, schon in den ersten drei Lebensjahren entstanden seien. Deswegen wollen die Zahnärzte auch schon in den ersten 30 Lebensmonaten die Zähne der Kinder überprüfen. Aber bislang gibt es keine Prophylaxeleistung der gesetzlichen Krankenkassen für diese Altersgruppe. In das neue Präventionsgesetz, das zurzeit erarbeitet wird, müsste man nach Meinung des Zahnärztekammer-Chefs Angebote für die Kleinsten mit aufnehmen. So setzen sich die Zahnärzte zum Beispiel dafür ein, in das Heft für die Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter einen zahnärztlichen Kinderpass einzuheften und somit auch eine kinderzahnärztliche Vorsorge einzuführen. „In anderen Bundesländern gibt es das schon. Es wäre jedenfalls eine wichtige Maßnahme im Sinne der Prävention“, sagt von Laffert. Das Ziel der Zahnärzteschaft: Bis 2020 wollen sie 80 Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen kariesfrei bekommen.

Mundhygiene muss von klein auf gelernt werden. „Es ist falsch zu denken, es sind ja nur die Milchzähne, denn dass sie gesund bleiben, ist auch wichtig für die Gesundheit der bleibenden Zähne“, sagt von Laffert. Jede Karies im Mund erhöht die Keimzahl, was auch für die Gefahr von Infektionen bei den bleibenden Zähnen erhöht. Außerdem werden Entzündungen, die durch die Zahnpulpa bis in die Spitzen der Wurzeln wandern, eine Gefahr für die bleibenden Zähne, die darunter liegen. „Diese Zähne haben dann häufig Missbildungen, wenn sie herauskommen.“

Deswegen sollten Eltern schon bei den Kleinsten intensive Mundhygiene betreiben. „Das bedeutet, die Kinder die Zähne putzen zu lassen und selber noch mal nachzuputzen. Das Kind soll am besten dreimal am Tag die Zähne putzen für mindestens drei Minuten“, sagt von Laffert. Wichtig ist auch: Regelmäßig, spätestens nach sechs Wochen, die Zahnbürste auswechseln, Kinder an den Gebrauch von elektrischen Zahnbürsten gewöhnen, weil sich gezeigt hat, dass sich damit die Putzleistung verbessern lässt, und fluoridhaltige Zahnpasta benutzen. „Bei der Kinderzahnpasta ist der Fluoridgehalt niedriger. Ab dem Alter von sechs Jahren sollte der Fluoridgehalt so hoch sein wie in der Erwachsenenzahnpasta, weil die bleibenden Zähne mehr Fluorid brauchen, besonders wenn sie durchbrechen“, sagt der Zahnarzt.

Um Kinderzähne gesund zu erhalten, sollten Eltern auch für eine ausgewogene Ernährung sorgen und ihre Kinder daran gewöhnen, nur Wasser zu trinken, kein Eistee und keine Cola. Auch Fruchtsäfte und Saftschorlen sind nicht empfehlenswert, weil sie Fruchtzucker und Säuren enthalten, die die Zähne angreifen. „Ein komplettes Verbot von Süßigkeiten lässt sich in der Realität von Kita, Schule und Großeltern kaum durchhalten. Das Kind sollte einfach daran gewöhnt werden, dass der Genuss von Süßigkeiten mit der nachfolgenden Mundhygiene verbunden ist“, empfiehlt von Laffert.