Forscher wollten Beleg für die blitzartige Ausdehnung des Alls gefunden haben. Tatsächlich sahen sie Signale von Staub.

Hamburg. Es war eine Veröffentlichung die Astronomiefans weltweit begeisterte: Mithilfe des Teleskops „Bicep2“ am Südpol wollten US-Physiker in Strahlung aus dem frühen Universum, die heute noch die Erde erreicht, Hinweise auf Gravitationswellen entdeckt haben – Signale, die unmittelbar nach dem Urknall vor fast 14 Milliarden Jahren entstanden. Es wäre das erste Mal gewesen, dass sich ein Fenster mit Blick auf bisher unerreichbar frühe Prozesse geöffnet hätte, nämlich auf die sogenannte Inflation – jene Phase, in der sich das Universum der Theorie nach von einem winzigen Etwas in Sekundenbruchteilen exponentiell beschleunigt ausdehnte.

Doch schon am gleichen Tag im März des vergangenen Jahres, als das Team um den Astronomieprofessor John Kovac von der Universität Harvard seine Erkenntnisse bekannt gab, mahnten andere Wissenschaftler zur Zurückhaltung. Es wären „aufregende Neuigkeiten“ – vorausgesetzt, die Ergebnisse würden durch Experimente von anderen Forschern bestätigt, schrieb etwa das Team des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover.

Nun steht fest: Die vermeintliche Sensation ist ein Flop. Die für ein „Echo des Urknalls“ gehaltenen Signale wurden wohl von Staubpartikeln in unserer Galaxie, der Milchstraße, verursacht.

Ein Beweis der Inflationstheorie wäre deshalb so bedeutend, weil sie etwa erklärt, warum das Universum heute so gleichmäßig aussieht. Egal in welche Himmelrichtung man schaut: Überall sind Galaxien zu sehen. Es gibt nicht einen Teil des Kosmos mit Sternen und Planeten und einen anderen, in dem gar nichts existiert.

Das ist nur plausibel, wenn die Materie anfangs ganz dicht zusammen war und sich vermischte, sodass bereits ein homogener Zustand existierte. Dass dieses Gemisch dann schlagartig enorm schnell auseinanderkatapultiert wurde, würde erklären, warum heute selbst Regionen, die Millionen Lichtjahre voneinander entfernt sind, einander ähneln: Die aktuelle Geschwindigkeit, mit der sich das Universum ausdehnt, ist dafür zu gering – es muss anfangs erheblich schneller gegangen sein.

Signale aus dem Kosmos lassen sich unter anderem im Spektrum elektromagnetischer Strahlung empfangen (sichtbares Licht, Infrarotlicht, Mikrowellen und Radiowellen). Für diese Strahlung war das Universum aber erst 380.000 Jahre nach dem Urknall durchlässig. Was davor geschah, können Forscher anhand eines Restglimmens des Urknalls analysieren, das 380.000 Jahre nach dem „Big Bang“ frei wurde. Diese Strahlung kühlte sich mit der zunehmenden Ausdehnung des Kosmos ab, sodass sie nunmehr eine Temperatur von etwa minus 270 Grad hat. Registrieren lässt sie sich heute mit extrem heruntergekühlten Instrumenten wie dem Teleskop BICEP2 am Südpol.

Mit eben dieser Anlage sammelte das US-Team um John Kovac seine Daten. Darin stießen die Forscher auf eine Richtungsänderung der frühen Strahlung (Polarisation), von der sie annahmen, dass sie nur durch Gravitationswellen verursacht worden sein konnten, die unmittelbar nach dem Urknall während der Inflation entstanden. Damit hätten die Forscher bestätigt, dass die Inflation tatsächlich stattfand.

Wenige Wochen nach der Bekanntgabe im März wiesen andere Forscher jedoch darauf hin, dass es eine weniger spektakuläre Erklärung für das Signal geben könnte: aufgeheizte Staubpartikel in unserer Galaxie, von denen Strahlung ausgeht, die der kosmischen Hintergrundstrahlung ähnelt. Diese Signale könnten die Messungen verzerrt haben. Allerdings war unklar, wie Staubpartikel in der Milchstraße verteilt sind.

Forschungssatellit Planck spielt zentrale Rolle

Die nötigen Daten lieferte im September 2014 der Forschungssatellit Planck der Europäischen Raumfahrtagentur Esa. Nun war es erstmals möglich, die Staubverteilung in der Milchstraße genauer zu bestimmen. Dabei zeigte sich, dass der Staub den Blick der Teleskope grundsätzlich stärker trüben könnte als bisher angenommen und dass es in dem Himmelsbereich, in den BICEP2 blickte, Staub gibt – was das vermeintliche Urknall-Signal tatsächlich vollständig erklären könnte.

Weil aber eine Restunsicherheit blieb, setzten sich das BICEP2-Team und die Planck-Leute zusammen. Nun haben sie ihre Auswertung beim Fachjournal „Physical Review Letters“ eingereicht. Ergebnis: „Leider haben wir nicht bestätigen können, dass es sich bei dem Signal um den Abdruck der kosmischen Inflation handelt“, teilte Jean-Loup Puget, einer der leitenden Forscher der Planck-Mission, mit. John Kovac vom BICEP2-Team sagt, sein Team habe auf Modelle zur Staubverteilung vertraut, die es zur Zeit ihrer Studie gab. Demnach hätten die vom Staub ausgehenden Signale sehr viel schwächer sein müssen als das von ihnen entdeckte Signal. Selbstkritische Sätze, dass man mit der Veröffentlichung vielleicht hätte warten müssen, findet er in der Esa-Mitteilung nicht.

Trotz allem ist nicht ausgeschlossen, dass nach dem Urknall Gravitationswellen entstanden. Aber sie sind wohl noch seltener als bisher angenommen. Einen direkten Nachweis könnten wohl ohnehin erst Anlagen wie das geplante Einstein-Teleskop liefern, eine Art riesiges Mikrofon, das unter der Erde Gravitationswellen aufnehmen soll. Ob es gebaut werden wird, ist offen.