Astronomen wollen von dem Nobelpreisträger vorhergesagte Gravitationswellen kurz nach dem Urknall nachgewiesen haben

Cambridge. Es könnte ein Durchbruch für die Kosmologie sein: In Strahlung aus dem frühen Universum, die heute noch die Erde erreicht, haben US-Physiker womöglich Hinweise auf Gravitationswellen entdeckt, die unmittelbar nach dem Urknall vor fast 14 Milliarden Jahren entstanden.

Es wäre das erste Mal, dass sich ein Fenster mit Blick auf bisher unerreichbar frühe Prozesse öffnen würde, nämlich auf die sogenannte Inflation – jene Phase, in der sich das Universum der Theorie nach von einem winzigen Etwas in Sekundenbruchteilen exponentiell beschleunigt ausdehnte. Die nun präsentierten Daten könnten beweisen, dass diese Phase tatsächlich stattgefunden hat.

„Die Entdeckung dieses Signals ist eines der wichtigsten Ziele der heutigen Kosmologie“, sagte der Leiter des Forschungsteams, John Kovac, Astronomieprofessor von der Universität Harvard. „Viel Arbeit von vielen Menschen hat uns zu diesem Punkt gebracht.“

Die Inflation ist deshalb so wichtig, weil sie etwa erklärt, warum das Universum heute so gleichmäßig aussieht. Egal in welche Himmelrichtung man schaut: Überall sind Galaxien zu sehen. Es gibt nicht einen Teil des Kosmos mit Sternen und Planeten und einen anderen, in dem gar nichts existiert. Dass ist nur plausibel, wenn die Materie anfangs ganz dicht zusammen war und sich vermischte, sodass bereits ein homogener Zustand existierte. Dass dieses Gemisch dann schlagartig enorm schnell auseinanderkatapultiert wurde, würde erklären, warum heute selbst Regionen, die Millionen Lichtjahre voneinander entfernt sind, einander ähneln: Die aktuelle Geschwindigkeit, mit der sich das Universum ausdehnt, ist dafür zu gering – es muss anfangs erheblich schneller gegangen sein.

Signale aus dem Kosmos lassen sich unter anderem im Spektrum elektromagnetischer Strahlung empfangen (sichtbares Licht, Infrarotlicht, Mikrowellen oder Radiowellen). Für diese Strahlung war das Universum aber erst 380.000 Jahre nach dem Urknall durchlässig. Was davor geschah, können Forscher bisher nur vermuten. Daneben können sie allerdings jenes Restglimmen des Urknalls analysieren, das eben 380.000 Jahre nach dem „Big Bang“ frei wurde. Diese Strahlung kühlte sich mit der zunehmenden Ausdehnung des Kosmos immer weiter ab, sodass sie nunmehr eine Temperatur von etwa minus 270 Grad hat. Registrieren lässt sie sich mit extrem heruntergekühlten Instrumenten wie dem Teleskop BICEP 2 am Südpol.

Mit eben dieser Anlage sammelte das US-Team um John Kovac seine Daten. Demnach stießen sie auf eine Richtungsänderung der frühen Strahlung (Polarisation), die wohl nur durch Gravitationswellen verursacht worden sein kann, die unmittelbar nach dem Urknall während der Inflationsphase entstanden.

Gravitations- oder Schwerewellen sind die letzte unbestätigte Vorhersage von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Dem genialen Physiker zufolge breiten sich diese Wellen mit Lichtgeschwindigkeit aus und krümmen dabei Raum und Zeit. Die Krümmung des Raumes ist leicht zu veranschaulichen: Nimmt man etwa eine Gummimembran und legt einen Ball in deren Mitte, so wird dadurch die zweidimensionale Fläche in eine dritte Dimension gekrümmt. Kaum zu begreifen ist hingegen, dass laut Einstein durch eine Masse mit dem Raum auch die Zeit gekrümmt werden kann und dass die dabei erzeugten Verzerrungen – Gravitationswellen – messbar sind.

Einsteins Theorie sieht vor, dass jeder beschleunigte Körper Gravitationswellen aussendet, die umso stärker sind, je mehr Masse der Körper hat und je schneller er sich bewegt. Da die Gravitation die schwächste der vier Naturkräfte ist, sind Gravitationswellen allerdings in der Regel winzig und daher äußerst schwer zu messen. Bisher ließen sie sich nicht direkt nachweisen. Indirekt sind die Wellen etwa bei zwei einander umkreisenden Neutronensternen, dem Doppelpulsar PSR 1913+16, beobachtet worden: Die beiden Sterne verlieren Energie und nähern sich langsam an, was sich in einer kürzeren Umlaufzeit äußert. Dieser von den US-Astronomen Russell Hulse und Joseph Taylor beobachtete Energieverlust entspricht genau dem, was der Theorie zufolge aufgrund der Abstrahlung von Gravitationswellen zu erwarten ist. Für ihre Entdeckung bekamen Hulse und Taylor 1993 den Nobelpreis für Physik.

Auch die nun von John Kovac vorgestellten Daten könnten ein indirekter Nachweis sein– allerdings der erste für Gravitationswellen, die aus der Inflation stammen.

Andere Forscher äußern sich mit einer Mischung aus Freude und Zurückhaltung. „Glückwünsche an BICEP“, schreibt etwa das Team des renommierten Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover. Vorausgesetzt, die Ergebnisse würden durch Experimente von anderen Forschern bestätigt, wären dies „aufregende Neuigkeiten“.

Möglich wäre eine solche Bestätigung etwa durch weitere Daten, die das Weltraumteleskop Planck sammelt. Einen direkten Nachweis könnten aber wohl erst Anlagen wie das Einstein-Teleskop liefern, eine Art riesiges Mikrofon, das 100 bis 200 Meter unter der Erde Gravitationswellen aufnehmen soll. Wann es gebaut wird, ist bisher offen.