Die Böden der Stadt sind eiszeitlich geprägt und besonders vielfältig. Sie sind weit mehr als (Bebauungs-)Fläche, betont die Geoökologin Eva-Maria Pfeiffer

Hamburg. Hamburg wird gern als grüne Stadt bezeichnet, denn sie besitzt als Millionenmetropole einen hohen Anteil an vielfältigen Naturgebieten und Parkanlagen. Sie könnte auch braune Stadt heißen – natürlich nicht aus politischer, aber aus ökologischer Sicht. Denn die Vielfalt der Böden ist ebenso groß wie die der Pflanzen, die auf ihnen wachsen. In Hamburg seien „fast alle Böden vertreten, die es in Deutschland gibt“, sagt Prof. Eva-Maria Pfeiffer vom Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg. Die Vereinten Nationen widmen dem Grund unter unseren Füßen das kommende Jahr als Uno-Jahr des Bodens, um auf seine Schutzbedürftigkeit hinzuweisen. Sie liegt auch den Hamburger Forschern am Herzen.

Hamburgs größte „Boden-Schätze“ liegen im Elbtal. Dort gebe es schwere, fruchtbare Marschböden, sagt Pfeiffer. „Ihre feinkörnigen Substrate binden sehr gut Nährstoffe und sind deshalb sehr ertragreich. Leider binden diese Böden nicht nur Nähr-, sondern auch Schadstoffe. Diese stammen aus Zeiten, in denen die Elbe noch stark belastete Wasser und Sedimente führte, die in die Elbmarschen gelangten. Unsere Böden haben also ein Gedächtnis und zeigen uns, was wir besser machen müssen.“

Unbelastet bilden Marschböden die ideale Grundlage für eine ertragreiche Landwirtschaft – zumindest wenn auch das Wassermanagement stimmt. Denn in Flussniederungen steht das Grundwasser naturgemäß oftmals knapp unter der Grasnarbe oder Ackerkrume. Das führt dazu, dass die Landwirte ihre Felder nur zu bestimmten Zeiten mit ihren Maschinen befahren können. Fachleute nennen solch nassen Grund Minuten- oder Stundenböden und umschreiben damit die relativ kurze Zeitspanne, in der die Böden befahrbar sind, ohne Flurschaden anzurichten.

Ein solcher entsteht, wenn schwere Maschinen (zu) weiche Böden befahren und verdichten. Das natürliche oder aufgeschüttete Gefüge wird zerstört, es gelangt weniger Sauerstoff in den Boden, sodass die zahlreichen Bodenbewohner und Pflanzenwurzeln unter Sauerstoffmangel leiden. Die Nutzung von Flächen muss auf den Untergrund abgestimmt sein – auch die Stadtplaner sollten unterscheiden, ob sie gerade Niederungs- oder Geestböden bebauen wollen, sagt Pfeiffer.

Hamburgs Böden werden stark beansprucht. Knapp 60 Prozent der Stadtfläche sind überbaut (Siedlungen, Verkehr), ein Viertel landwirtschaftlich genutzt. Die Folgen der Versiegelung von Böden beschreibt das Umweltbundesamt (UBA): „Wenn der Boden dauerhaft von Luft und Wasser abgeschlossen ist, geht die Bodenfauna zugrunde, welche wiederum wichtige Funktionen für den Erhalt und die Neubildung von fruchtbaren Böden erfüllt.“ Selbst wenn die undurchlässige Asphalt-, Pflaster- oder sonstige Deckschicht wieder abgeräumt werde, blieben langfristig Schäden, so das UBA: „Die neue Bodenfauna bildet sich nur über längere Zeiträume, sodass die natürliche Bodenfruchtbarkeit verzögert und oft nicht in der vorherigen Qualität wieder herstellbar ist.“

Nur 35 Prozent der Stadtfläche seien tatsächlich versiegelt, sagt Elisabeth Oechtering vom Amt für Umweltschutz der Hamburger Umweltbehörde, ein Großteil des überbauten Grundes seien Grünflächen, Sportplätze, Friedhöfe und andere Anlagen, auf denen das Wasser versickern und der Boden atmen kann. Der Anteil von 65 Prozent unversiegelter Flächen biete „eine gute Grundlage für den Bodenschutz“.

Eine wichtige Schutzmaßnahme sei die Wiedervernässung von Niederungsgebieten im Elberaum und in anderen tiefer liegenden Bereichen, etwa am Wandse-Grünzug, sagt Oechtering. Auch in Naturschutzgebieten wie Kirchwerder Wiesen oder Wittmoor werde ehemals nassen Böden ihr Wasser zurückgegeben. Die Altlastensanierung, also die Entgiftung von Böden, wertet Oechtering dagegen nicht als Bodenschutzmaßnahme – dort seien die Böden meist weitgehend und unwiederbringlich zerstört – „wir müssen vielmehr schauen, wo wir schützenswerte Böden haben und dort aktiv werden“.

Im Rahmen des Bundesbodenschutzgesetzes hat Hamburg schutzwürdige Böden ausgewiesen und ihnen bis zu drei Funktionen zugeordnet: wertvoller Lebensraum, Archiv der Kulturgeschichte oder Archiv der Naturgeschichte. In der ersten Kategorie stehen zum Beispiel die Stadtparks von Hamburg (in Winterhude), Altona und Harburg. Kulturgeschichtlich schützenswert sind große Teile des Alten Landes sowie der Vier- und Marschlande. Naturgeschichtlich punkten unter anderem der Wohldorfer Wald, das Stellmoorer Tunneltal (Rahlstedt), die Boberger Niederung, Teile der Harburger Berge und die Osdorfer, Sülldorfer und Rissener Feldmark.

Dr. Thomas Däumling, Bodenschutzexperte der Umweltbehörde, sieht jede Freifläche als schützenswert an: „Sie dient auch den Stadtbewohnern zum Beispiel zur Erholung oder weil sie durch Verdunstung sommerliche Hitze dämpft.“ Die Stadt lasse Baumaßnahmen auf grünen Wiesen nur in Ausnahmefällen zu. Vielmehr werden auch zum Wohnungsbau Konversionsflächen genutzt, also ehemalige Industrie- und Gewerbegrundstücke, Kasernengelände und Ähnliches hergerichtet und umgewidmet. Dennoch gibt die Behörde an, dass jedes Jahr noch immer rund 150 Hektar Stadtgrund zusätzlich versiegelt werden (die gesamte Stadtfläche beträgt gut 75.000 Hektar).

Zu oft sei das Denken der Planer nur zweidimensional, wenn es um Flächennutzung gehe, kritisiert Pfeiffer und nennt ein Beispiel: „Auf dem A-7-Deckel wird eine 80 Zentimeter dicke Bodenschicht aufgetragen. Da können die Kleingärtner keine Apfelbäume pflanzen, denn deren Wurzelwerke reichen viel tiefer.“ Aus Sicht der Forscherin ist dies kaum mehr als die „Dachbegrünung“ eines künstlichen Bauwerks, die den Kleingärtnern ihre ursprüngliche Scholle, die sie für die Baumaßnahmen an der A 7 verlassen mussten, kaum ersetzen kann.

Beim Ausheben von Baugruben werde die obere Humusschicht „wie Dreck behandelt“, kritisiert Pfeiffer – achtlos beiseitegeschoben und zum Teil sogar abgefahren. Später werde fremdes Material aufgetragen und bepflanzt. Die neue Deckschicht habe aber keine Verbindung zum Unterboden. „Man müsste den abgetragenen Oberboden und den Unterboden separat deponieren und den natürlichen Horizont am Ende wiederherstellen“, sagt Eva-Maria Pfeiffer.

Ein Großteil der Stadtböden sind langfristig zerstört. In den Naturschutzgebieten hingegen, die immerhin gut acht Prozent der Stadtfläche ausmachen, sind die Böden noch in einem weitgehend naturnahen Zustand. „Der Duvenstedter Brook, ein Bruchwald, geht nur mit Moorböden“, sagt Pfeiffer, und die Boberger Niederung trägt ihren Untergrund sogar im Namen. Die dortigen Dünen sind das bekannteste Relikt der Sandflächen, die die jüngste Eiszeit vor rund 15.000 Jahren hinterließ. Der Wind konnte die vegetationslosen Flächen ungebremst angreifen und schuf im Elbe-Urstromtal riesige Sanddünen. Namen wie Holmer oder Besenhorster Sandberge zeugen heute noch davon. Andernorts tritt der Sand beim Pflügen oder Grabenziehen zutage.

Die große Vielfalt der Böden müsse von der Stadt mehr geschätzt werden, fordert die Bodenkundlerin. Es gelte, das gesamte Potenzial an Wohltaten zu sehen, die die Böden den Stadtbewohnern bieten: Sie bilden Grundwasser, absorbieren Schadstoffe, liefern Humus nach, wirken ausgleichend beim Stadtklima (kühlen durch Verdunstung, speichern Sonnenwärme) und lagern Kohlenstoff ein, was dem Klima hilft. Böden bilden ohne großes Zutun die Basis für den Anbau von Nahrungsmitteln. Und sie dienen als „Lebensraum für skurilste Tiere in einem Artenspektrum, das wir noch gar nicht komplett kennen“, so Pfeiffer. Es heißt, eine Handvoll Boden enthalte mehr Organismen, als es Menschen auf der Erde gibt.

Leider gebe es noch keine wissenschaftliche Methode, um auch diese Funktionen monitär zu bewerten, bedauert die Geoökologin. Der Quadratmeterpreis als Wertmaßstab kratzt nur an der Oberfläche.