Eine Pilotstudie gibt Frauen Hoffnung, die keine Chance auf ein leibliches Kind haben. Doch noch sind die Risiken einer Transplantation groß. Ob sich die Methode etabliert, bleibt abzuwarten.

Göteborg. Die Bekanntgabe war eine Sensation: Erstmals weltweit hatte eine Frau mit einer gespendeten Gebärmutter ein gesundes Kind zur Welt gebracht. Inzwischen gibt es Berichte von zwei weiteren Babys, herangewachsen in einer von der jeweiligen Großmutter stammenden Gebärmutter. Eingeführt wurde die Methode von Ärzten um den schwedischen Gynäkologen Mats Brännström von der Universität Göteborg. „Jeder in der Fachwelt zieht den Hut vor dieser Leistung“, sagt Sara Brucker, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstituts für Frauengesundheit der Universität Tübingen.

Vincent, das erste Baby aus einer transplantierten Gebärmutter, war im September per Kaiserschnitt zur Welt gekommen. Der Gedanke an ihn bringt Brännström ins Schwärmen: Dem Kleinen gehe es sehr gut, Ende Januar stehe die Taufe an – mit seinem Team auf der Gästeliste. „Wir werden immer mit diesen Familien verbunden sein.“

Brännström ist selbst Vater von fünf Kindern. Ein Leben ohne eigenen Nachwuchs könne er sich nicht vorstellen. „Als Vater kann ich nachvollziehen, wie wichtig diese Studie für Betroffene ist.“ Die meisten Menschen wollten unbedingt ein Kind mit dem eigenen Erbgut. Für viele sei Vincent darum ein Symbol der Hoffnung: Die Methode komme prinzipiell für Hunderttausende Frauen weltweit infrage.

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Die größte Gruppe potenzieller Patientinnen seien Frauen mit dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS), sagt Brucker, die weltweit die meisten solchen Patientinnen behandelt hat. Betroffenen Mädchen fehlten von Geburt an Scheide und Gebärmutter. Eierstöcke, Brüste, Klitoris und Schamlippen seien hingegen normal ausgebildet. Ein genetisch eigenes Kind konnten sie bisher nur über eine Leihmutterschaft erreichen – die in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern verboten ist.

Etwa eines von 5000 weiblichen Babys (60 bis 80 jährlich in Deutschland) werde mit MRKHS geboren, erklärt Brucker. Derzeit gebe es allein hierzulande 6000 bis 8000 Betroffene. Hinzu kämen Frauen, denen bei einer Entbindung die Gebärmutter entfernt wurde, die sich aber noch weitere Kinder wünschen. Und Frauen, denen das Organ wegen Gebärmutterhalskrebs entnommen wurde.

„Jetzt, wo die Studie so erfolgreich läuft, häufen sich die Anfragen von Patienten aus der ganzen Welt”, sagt Brännström. Fast alle allerdings muss er enttäuschen. Auch in Tübingen fragten immer wieder Patientinnen mit Kinderwunsch, denen die Gebärmutter fehlt, nach dem Eingriff, sagt Brucker. Zunächst aber müsse abgewartet werden, wie es den Frauen der Pilotstudie und ihren Kindern in den kommenden Monaten und Jahren geht. „Erst dann kann eine weitere Studie mit mehr Frauen folgen.“

Das genaue Abklären möglicher Risiken sei aus ethischer Sicht extrem wichtig, sagt die Tübinger Wissenschaftlerin . Anders als bei Transplantationen anderer Organe gebe es ja keine lebensbedrohliche Erkrankung, die mögliche starke Nebenwirkungen rechtfertige. Hinzu komme, dass für diese Frauen eine Fehlgeburt oft noch weit belastender sei als unter normalen Umständen, betont die Professorin. Brännström habe ebenso hartnäckig wie gründlich Schritt für Schritt die Grundlagen für eine Uterustransplantation und die anschließende Schwangerschaft geschaffen. „Er konnte den Eingriff mit gutem Gewissen wagen“, ist Brucker überzeugt. Wichtige Daten hätten etwa Erfahrungen mit Nierentransplantierten geliefert, die ja ebenfalls in der Schwangerschaft Immunsuppressiva einnehmen müssen, um die Abstoßung des Spenderorgans zu verhindern.

Vincents Geburt im Spätsommer sei das Ergebnis von 15 Jahren harter Arbeit gewesen, betont auch Brännström. Lange sei das Projekt angezweifelt worden. „Viele Kollegen äußerten sich anfangs kritisch.“ Zunächst wurde der Eingriff an Tieren erprobt, von 2011 an wurde schließlich neun Frauen ein Uterus transplantiert. Alle hatten das Organ entweder bei einer Krebsbehandlung verloren oder waren ohne Uterus geboren worden.

Zwei verpflanzte Gebärmütter mussten die Ärzte nach einer Infektion und wegen Blutungen wieder entfernen. Sieben operierte Frauen starteten Schwangerschaftsversuche mit eigenen Eizellen, die im Reagenzglas befruchtet worden waren. Vincents Mutter wurde im Frühjahr schließlich als Erste schwanger. Eine 61-jährige Freundin der Familie hatte ihr 2013 ihre Gebärmutter gespendet hatte. Die Spenderin hatte schon sieben Jahre vor der Operation die Wechseljahre durchlaufen, wie das britische Fachmagazin „The Lancet“ berichtete.

Anders als die Eierstöcke lasse sich eine Gebärmutter hormonell wieder verjüngen, erklärt Brucker. „Voraussetzung für eine Eignung ist, dass die Spenderin mindestens einmal schwanger war.“ Brännström habe bisher fast nur Frauen mit einer Spenderin aus der Familie einbezogen, weil das Risiko von Abstoßungsreaktionen dann geringer sei. Bei der Transplantation der nur 60 bis 80 Gramm schweren Gebärmutter sei vor allem schwierig, die vielen feinen Gefäße gut an den Brutkreislauf anzubinden. „Die feinen Fäden dafür sind nur unter dem Mikroskop zu sehen“, sagt Brucker.

Anfangs sei nicht klar gewesen, ob die Blutversorgung zu den Föten bei einem transplantierten Uterus wirklich ausreichen kann, sagt Brännström. „Ich hatte schlaflose Nächte.“ Dann kam Vincent zur Welt, nach Komplikationen zwar schon in der 32. Schwangerschaftswoche, aber offensichtlich gesund. 1775 Gramm wog er und war 40 Zentimeter groß.

Darüber sollte aber nicht vergessen werden, dass es Fehlschläge und misslungene Versuche gab, die für die Frauen extrem belastend sein können. Bei einem ersten solchen Eingriff in Saudi-Arabien verlor die Frau die Gebärmutter bald nach dem Eingriff wieder, bei einer Frau in der Türkei sei zwar die Operation geglückt, ein Baby aber noch nicht geboren.

Immer wieder warnt Brännström begeisterte Kollegen vor Schnellschüssen und allzu euphorischen Höhenflügen. „Die Mediziner müssen verstehen, dass dieser Eingriff sehr lange vorbereitet und trainiert werden muss.“ Allein an der Transplantation am Göteborger Sahlgrenska University Hospital waren demnach mehr als 15 Ärzte und Spezialisten beteiligt. Hinzu kamen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen, etwa für die künstliche Befruchtung und zur Betreuung der Schwangerschaft.

Ob sich die Methode auch in anderen Ländern etabliere, bleibe auch aus diesem Grund noch abzuwarten. „Deutschland hat erstklassige Chirurgen“, sagt Brännström. Speziell die Frauenklinik in Tübingen biete mit ihrer umfangreichen Forschung zum MRKHS gute Voraussetzungen. Brucker sieht darin durchaus eine Möglichkeit für die Zukunft. Allerdings bedürfe es eines großen, interdisziplinären und vor allem intensiv geschulten Teams. Zunächst aber soll der derzeit etwa zehn Stunden dauernde Eingriff in den nächsten Jahren in Schweden optimiert werden – auch um ihn kostengünstiger und damit für mehr Frauen erreichbar zu machen.