Einem australischen Paar passte offenbar das Geschlecht ihres Leihmutter-Babys nicht und gab es an eine andere Familie. Der Fall erinnert an den kleinen Gammy, der wegen Trisomie 21 verstoßen wurde.

Canberra. Ein australisches Paar soll sein von einer indischen Leihmutter ausgetragenes Baby nur wegen seines Geschlechts abgelehnt haben. Den Zwilling des Kindes hätten sie jedoch mit in ihre Heimat genommen, sagte die Oberrichterin am australischen Familiengericht, Diana Bryant, in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview des Senders ABC. Über die Angelegenheit hätten sie Mitarbeiter der australischen Botschaft in Neu-Delhi informiert.

Demnach hatte das Paar bereits ein Kind mit einem bestimmten Geschlecht. Ob es sich dabei um einen Jungen oder ein Mädchen handele, wisse sie jedoch nicht.

Der Fall reicht den Angaben zufolge bis ins Jahr 2012 zurück. Laut Bryant zögerte das australische Konsulat in Neu Delhi die Vergabe des Visums an das von dem Paar bevorzugte Kind heraus – in der Hoffnung, sie dazu überreden zu können, doch beide Babys zu nehmen. Schließlich sei das ungewollte Baby in Indien jedoch von einer anderen Familie aufgenommen worden, die es womöglich gekauft habe. Das Außenministerium in Canberra wollte sich zunächst nicht dazu äußern.

Fall erinnert an zurückgelassenen Gammy

Vor kurzem hatte das Schicksal des mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) geborenen Gammy für Aufsehen und Empörung gesorgt. Das Kind war nach Angaben seiner thailändischen Leihmutter Pattaramon Chanbua von einem australischen Paar bei ihr zurückgelassen worden. In der Folge wurden in Thailand gewerbsmäßige Ersatzschwangerschaften verboten.

Als Konsequenz aus dem jüngsten Fall in Indien forderte Oberrichter John Pascoe auch in Australien umfassende Ermittlungen zum weltweiten

Leihmuttergeschäft. Internationale Ersatzschwangerschaften hätten sich zu einer neuen Frontlinie beim Menschenhandel entwickelt, sagte er im ABC-Interview.

Es gebe genügend Einzelberichte, wonach Leute aufs Geratewohl Kinder in Auftrag gäben, ohne auf angemessenen Schutz für die Kinder oder die Leihmütter zu achten. Zudem könne er es kaum fassen, dass Australier ein Kind auf Basis seines Geschlechts auswählten, fügte Pasco hinzu. „Und das ist besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass es wundervolle Leute da draußen gibt, die gerne ein Kind hätten – ungeachtet seines Geschlechts.“

Allerdings hätten die Familien- und Bundesgerichten kaum Handhabe, weil es keine angemessenen Gesetze gebe, klagte Pasco. Die meisten australischen Bundesstaaten haben zwar Ersatzschwangerschaften zu geschäftlichen Zwecken verboten, doch einige erlauben es Bürgern, für im Ausland von Leihmüttern ausgetragene Babys zu bezahlen.

Premierminister Tony Abbott äußerte sein Bedauern über den Fall, schloss eine Überführung der Zuständigkeiten auf Bundesebene jedoch aus. Das Thema sei Sache der jeweiligen Bundesstaaten, stellte er klar. Gleichwohl sei es traurig, sich vorzustellen, dass ein Kind auf die Welt komme und in Stich gelassen werde.