Das Rammen von Windpark-Fundamenten ist extrem laut. Nach jahrelangen Problemen gibt es nun Technologien, die die Schallbelastung deutlich senken

Hamburg. Wenn in der Nordsee ein Windpark gebaut wird, bekommen Schweinswale und andere Wasserbewohner eins auf die Ohren: Der Lärm, der beim Rammen der Fundamentpfähle entsteht, ist so groß, dass er noch in kilometerweiter Entfernung das Gehör der Meeressäuger empfindlich stören und sogar beschädigen kann. Um die Wasserwelt zu schützen, hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH), das Baugenehmigungen in Nord- und Ostsee vergibt, 2004 einen Lärm-Richtwert festgelegt, der inzwischen zum verbindlichen Grenzwert wurde. Die Branche habe darauf reagiert und sei mit der Entwicklung von Schallschutz-Technologien in den vergangenen zwei Jahren entscheidend vorangekommen, urteilen Dr. Maria Boethling und Simone van Leusen, die sich beim BSH mit dem Lärmschutz und der Genehmigung von Offshore-Windparks befassen.

Schweinswale kommunizieren mit kurzen Schallimpulsen (Klicks) in hohen Frequenzen und nutzen diese auch zur Orientierung und zur Nahrungssuche. Zum Überleben sind die Tiere auf ihr Gehör angewiesen. Der Baulärm vertreibt die kleinen, etwa menschengroßen Wale aus ihren angestammten Gebieten. Und er kann ihnen gefährlich werden. Boethling: „Neuere Forschungen haben gezeigt, dass es ab einem Schallpegel von 164 Dezibel bei den Walen zu einer Hörschwellenverschiebung kommt, zu einer zeitweiligen Schwerhörigkeit. Beim Menschen wird dies auch Disco-Effekt genannt, weil sie durch überlaute Musik verursacht werden kann. Die Schwerhörigkeit klingt zwar nach etwa 20 Stunden ab. Aber auch das ist nicht hinnehmbar angesichts der Vielzahl der Rammarbeiten.“

Die BSH-Expertinnen bauten ein kleines Sicherheitspolster ein und setzten ein Limit von 160 Dezibel (dB), gemessen in 750 Meter Entfernung zur Pfahlgründung. Zunächst hieß es in den Baugenehmigungen, dieser Wert sei „anzustreben“. Schon dies habe dazu geführt, dass seit 2011 alle Baustellen Schallschutzmaßnahmen treffen mussten, sagt die Biologin und Ozeanografin Boethling. Das allein garantierte jedoch noch keinen umfassenden Schutz. So kritisierte der Naturschutzbund Deutschland noch im Sommer 2013: „Der geforderte Schallgrenzwert von 160 Dezibel wird teilweise um das Dreifache überschritten. Trotzdem wird weiter gebaut, egal ob dies während der Fortpflanzungszeit von Schweinswalen geschieht oder ob Meeresschutzgebiete belastet werden.“ Fazit der Naturschützer: „Schon jetzt steht fest, dass der Schallgrenzwert auch unter Einsatz von Schallschutztechnik nicht eingehalten werden kann.“

Das zeigen auch Messdaten aus den Jahren 2012 und 2013, die die jeweiligen Bauherren dem BSH übermittelt haben. Zum Schallschutz wurden während der Rammarbeiten vorwiegend Blasenschleier produziert: Ein perforierter Schlauch wird während der Arbeiten kreisförmig um die einzelnen Fundamente gelegt. Anschließend wird er mit Pressluft gefüllt, wodurch Luftblasen aufsteigen und eine zylinderförmige Blasenwand erzeugen. Der Einsatz beim Bau des Pionier-Windparks Alpha Ventus hatte 2009 gezeigt, dass die aufsteigenden Luftblasen den Schall wirksam dämmen – aber nicht wirksam genug, um die 160 dB einzuhalten.

Blasenschleier fangen hohe Frequenzen, die die Schweinswale wahrnehmen, zu rund 90 Prozent ab. Aber tiefe Frequenzen rauschen durch den Schleier hindurch und stören zum Beispiel andere Walarten. Ein anderer Windpark testete doppelte Blasenschleier und erzielte „zufrieden stellende Ergebnisse“, sagt Simone van Leusen. Bei einem dritten Bauprojekt reichte der doppelte Schleier jedoch nicht aus: Dort wurden sogenannte Monopile-Fundamente gerammt, also Gründungen, bei denen die Anlage nur auf einem Pfahl steht. Dieser muss entsprechend kräftig sein, hat deshalb einen Durchmesser von sechs Metern und muss mit viel Kraft gerammt werden. Bei den anderen beiden Projekten stehen die Anlagen auf Dreibeinen, sogenannten Tripod- oder Jacket-Fundamenten. Hier müssen pro Windrotor zwar drei Pfähle gesetzt werden, aber deren Durchmesser sind nicht einmal halb so groß wie die der Monopfähle.

Auch der Windpark Borkum Riffgrund, der gerade gebaut wird, nutzt Monopfähle. Um die Meeresumwelt vor Lärm zu schützen, wurde hier bei den Rammarbeiten ein System des Herstellers IHC Hydrohammer eingesetzt: Die Pfähle steckten während des Rammvorgangs, der etwa eineinhalb bis zwei Stunden dauert, in einer Stahlröhre. „Die Ergebnisse waren so gut, dass wir den Großteil der insgesamt 77 Pfähle gleichzeitig zum Bau freigegeben haben“, sagt die Juristin van Leusen. „Bei anderen Windparks ging das nur häppchenweise – und nach mehreren Krisengesprächen wegen zu hoher Lärmemission.“

Der 78. und letzte Windrotor von Borkum Riffgrund wird ein besonderer: Er erhält ein Jacket-Fundament, dessen drei Pfahlgründungen nicht lärmintensiv gerammt werden, sondern wie riesige, umgekehrte Eimer mit Hilfe von Unterdruck in den Sand hinein gezogen werden. Diese Suction Buckets genannte Konstruktion wird seit rund 20 Jahren bei der Öl- und Gasgewinnung eingesetzt. Dort seien die Anforderungen aber einfacher: Van Leusen: „Die Plattformen ruhen schon durch ihr Gewicht auf dem Meeresboden. Die Rotorblätter der Windenergieanlagen bewegen sich, die Konstruktionen sind unruhig.“

Das BSH ist von der „Flüster-Gründung“ überzeugt: „Über dieses Fundament haben wir uns besonders gefreut“, sagte BSH-Präsidentin Monika Breuch-Moriz anlässlich der Baugenehmigung Ende August. Woanders hat sich die Technik, die noch dazu kostengünstiger ist als herkömmliche Gründungen, bereits bewährt: Der norwegisch-dänische Hersteller Universal Foundation montiert sogar Monopfähle auf Suction Buckets, die dann einen Durchmesser von zwölf Metern haben. Sie stehen zum Beispiel seit 2009 im dänischen Meereswindpark Horns Rev 2; die ältesten wurden 2002 vor Frederickshavn im Norden Dänemarks errichtet.

Dass auch bei heute üblichen Rammverfahren viel Lärm vermieden werden kann, zeigten die Messungen in diesem Frühsommer an der Baustelle des Windparks Butendiek. Die Konstrukteure ließen die Pfähle im IHC-Hüllrohr rammen und gleichzeitig einen Blasenschleier legen. Die Schallemissionen wurden kontinuierlich gemessen: Sie schwankten um 155 dB. Bei diesem Wert wurde der Schall im Vergleich zum ungedämmten Arbeiten um 99 Prozent reduziert. Aber soweit sind andere Baustellen noch nicht.

„Es gibt die Tendenz, zwei Systeme parallel zu nutzen, etwa den Blasenschleier und das IHC-Verfahren. Damit wird der Schall zuverlässig in verschiedenen Frequenzen gedämmt“, sagt Maria Boethling. Und die nächste Neuerung ist in Sicht: „2015 wird eine Weiterentwicklung des Hydrosounddämpfers erprobt, der den herkömmlichen Blasenschleier ersetzen soll“, sagt Simone von Leusen. „Das ist ein Netz mit harten Schaumstoffkugeln, die die Funktion der Luftblasen übernehmen.“ Das neue System erspart das Auslegen und Versorgen eines Druckluftschlauches am Meeresboden – für diese Arbeiten wird ein eigenes Schiff benötigt.

Das Netz wird wie ein Vorhang um Pfahl und Hüllrohr drapiert. Wenn der Vorhang fällt oder andere Systeme im Einsatz sind, herrscht zwar noch keine Ruhe im Meer, aber die Belastung der Meeresbewohner halte sich in Grenzen. Van Leusen: „Schließlich dürfen laut EU-Richtlinie geschützte Arten wie der Schweinswal nicht gestört werden.“