Spiegel im Weltraum, gedüngte Algen, künstliche Bäume – viele Vorschläge dazu, wie man den Klimawandel abwenden kann, klingen utopisch. Doch Ansätze werden getestet. Welche Ideen haben eine Chance?

Berlin Soll der Mensch verstärkt helle Pflanzen anbauen? Müssen wir Meeresalgen düngen? Oder sollen Spiegel im Weltraum Sonnenlicht von der Erde fernhalten? Sogenanntes Climate Engineering wird von Gegnern und Befürwortern intensiv diskutiert. An Ideen, wie die Menschheit großtechnisch den Klimawandel bremsen oder besser noch stoppen könnte, mangelt es nicht. Doch nicht jede erscheint sinnvoll.

Um höchstens zwei Grad Celsius sollte die Erdtemperatur bis Ende des Jahrhunderts weltweit gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung steigen. Auf diese Vorgabe einigten sich die Staaten auf dem Klimagipfel 2010 in Cancún (Mexiko). Doch das Ziel, die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) entscheidend zu reduzieren, scheint unerreichbar. Nach Angaben der Vereinten Nationen erreichte die Konzentration der Treibhausgase in der Erdatmosphäre 2013 einen neuen Höchststand.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft definiert Climate Engineering (CE) – oft auch Geo-Engineering genannt – als technologische Maßnahmen, „die gezielt dazu eingesetzt werden können, die atmosphärische CO2-Konzentration zu senken oder die Strahlungsbilanz der Erde direkt zu beeinflussen, um so den anthropogen verursachten Klimawandel abzuschwächen bzw. zu kompensieren“.

Derzeit diskutieren Forscher zwei grundverschiedene Ansätze

Derzeit diskutieren Forscher zwei grundverschiedene Ansätze: Sie wollen der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen (Carbon Dioxide Removal, CDR), etwa durch Aufforstung oder technische CO2-Abscheidung aus der Luft. Der zweite Ansatz zielt darauf ab, dass mehr Sonneneinstrahlung von der Erde reflektiert wird. Vertreter dieses Solar Radiation Management (SRM) wollen etwa Wolken künstlich aufhellen oder großflächig helle Pflanzen anbauen. Dies soll die sogenannte Albedo, das Rückstrahlvermögen der jeweiligen Erdoberflächen, erhöhen.

Bei diesem Ansatz könnten Flugzeuge oder Raketen kleine Partikel, sogenannte Aerosole, in der Stratosphäre verteilen. Diese Schicht beginnt in acht bis 16 Kilometern Höhe und endet etwa 50 Kilometer über der Erdoberfläche. Die Teilchen würden dort einen Teil des Sonnenlichts abfangen und zurück ins Weltall reflektieren. Unklar ist jedoch, wie schnell die Partikel – die meisten Experten schlagen Sulfate vor – wieder abregnen oder ob sie die gewohnte blaue Farbe des Himmels verändern.

Einige Wissenschaftler forschen an künstlich aufgehellten Wolken, die besonders viel Sonnenlicht reflektieren. Dafür wollen sie, etwa von Schiffen aus, in der Luft kleine Kondensationskerne wie Salzkristalle oder Staub verteilen, an die sich Wasser anlagern soll, sodass Wolken entstehen. Vor allem in der recht sauberen Meeresluft sollen sich so viele und besonders kleine Tröpfchen bilden, die mehr Sonnenlicht zurückstrahlen und zudem langlebiger sind, weil sie nicht so schnell abregnen. Die Teilchen müssten allerdings großflächig und häufig verteilt werden.

Riesige Planen oder spezielle Pflanzen könnten die Erdoberfläche heller machen

Manche Forscher setzen weiter unten an: Riesige Planen oder spezielle Pflanzen könnten die Erdoberfläche heller machen und so ebenfalls mehr Sonnenlicht zurückstrahlen. Dafür wären jedoch enorme Flächen nötig. Experten der britischen Royal Society schätzen, dass Reflektoren zehn Prozent der Landfläche bedecken müssten, um die menschengemachte Erderwärmung auszugleichen. Das wäre etwa ein Gebiet von der kombinierten Fläche Brasiliens und Australiens. Alternativ könnten Menschen ihre Gebäude, vor allem die Dächer, weiß streichen. Allerdings gibt es viel zu wenige Siedlungen, um einen spürbaren Effekt auf das globale Klima zu erreichen.

Gegen Maßnahmen zur Erhöhung der Albedo sprechen nicht nur technische Gründe, sondern auch ökologische und ethische Bedenken: Die Folgen sind schlicht nicht absehbar. Berechnungen stützen sich auf Erkenntnisse nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991, der große Partikelmengen in die Stratosphäre schleuderte. Danach kühlte die Erde um etwa 0,5 Grad Celsius ab. Ein weiteres Risiko: Als Folge der mancherorts sinkenden Temperaturen könnten sich Niederschläge anders verteilen. Zudem kann die Reduzierung der Sonneneinstrahlung andere Folgen des steigenden CO2-Gehalts in der Atmosphäre nicht lösen – etwa die Versauerung der Ozeane, die viele Meeresbewohner wie etwa Korallen oder Muscheln schädigt.

Das Fazit der Versuche war allerdings ernüchternd

Der Atmosphäre CO2 zu entziehen wäre dagegen weniger riskant, glauben manche Forscher. Das stellten Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) bei Versuchen zur Meeresdüngung fest: Im Jahr 2009 verteilten sie im Südatlantik Eisen als Dünger, um das Algenwachstum anzukurbeln. Die Organismen sollten Kohlendioxid aufnehmen und nach ihrem Absterben auf den Meeresgrund sinken. Das Fazit der Versuche war allerdings ernüchternd: Die Algen nahmen kaum mehr CO2 mit in die Tiefe.

Noch aufwendiger wäre es, der Umgebungsluft das Treibhausgas zu entziehen. „Künstliche Bäume“, die aussehen wie überdimensionale Fliegenklatschen, könnten CO2 chemisch aus der Luft filtern. Der Energieaufwand wäre aber riesig. Prof. Andreas Oschlies vom Forschungszentrum Geomar in Kiel schlägt vor, stattdessen lieber ein Kohlekraftwerk stillzulegen.

Für die Lagerung von CO2 verfolgen Wissenschaftler vor allem zwei Ideen: Das Treibhausgas könnte unterirdisch in ehemalige Gasfelder tief unter dem Meeresboden gepresst oder aber einfach tief ins Meer gepumpt werden: In einer Tiefe von etwa 3000 Metern wird das Treibhausgas durch den Wasserdruck flüssig. Da es schwerer ist als Meerwasser, sinkt es in einer großen Blase auf den Grund.

Nur wenige Forscher haben sich bisher an Vorhersagen gewagt, was Climate Engineering kosten würde, und ihre Ergebnisse sind sehr schwammig. So würde es wohl zwischen 69 und 430 Millionen US-Dollar (54 bis 330 Millionen Euro) kosten, der Luft eine Tonne Kohlendioxid zu entziehen und einzulagern – allein im Jahr 2013 blies Deutschland mehr als 830 Millionen Tonnen CO2 in die Luft.

Aerosole verteilen oder Wolken manipulieren ist auch großflächig nicht allzu aufwendig

Der Aufwand für eine erhöhte Rückstrahlung von Sonnenlicht wäre dagegen vergleichsweise niedrig: Aerosole verteilen oder Wolken manipulieren ist auch großflächig nicht allzu aufwendig. Deshalb wächst die Sorge vor Alleingängen: Staaten, Unternehmen, Stiftungen oder sogar Einzelpersonen könnten eigenmächtig etwa Sulfate in der Atmosphäre verteilen.

Trotz aller Gedankenspiele, welche Chancen Climate Engineering bieten könnte, besteht für die meisten Forscher kein Zweifel, dass die Maßnahmen – wenn überhaupt – nur begleitend sinnvoll sind. Ziel müsse in jedem Fall sein, die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Kritiker befürchten dennoch, dass die vermeintlichen Auswege zu Bequemlichkeit beim Klimaschutz führen könnten.

Das Umweltbundesamt (UBA) sieht gar die Gefahr für einen „Paradigmenwechsel in der Klimaschutzpolitik, der die bisherige Einigkeit, dass Minderungsmaßnahmen in erheblichem Ausmaß erforderlich sind, infrage stellt“. Wegen der großen Unsicherheiten über die Folgen rät das UBA zu einem Moratorium für den Einsatz der Techniken.