Zum Schutz gegen Überschwemmungen schlägt das Projekt Klimzug-Nord vor, Überflutungsräume zurückzugewinnen

Hamburg. Längere Hitzeperioden drohen das Leben in der Stadt zeitweise unerträglich zu machen. Starkregen wird voraussichtlich niedrig liegende Straßen und Gebäude häufiger als heute überfluten. Zudem steigt der Meeresspiegel durch die Erderwärmung. Wie ist mit diesen und anderen Risiken des Klimawandels umzugehen? Dieser Frage gingen seit April 2009 im Projekt Klimzug-Nord etwa 170 Teilnehmer aus Wissenschaft, Unternehmen, Verbänden und Verwaltung nach, sammelten Wissen und entwickelten daraus ganz praktische Ansätze, um die Region fit für die kommenden Jahrzehnte zu machen. Am 19. März treffen sie sich zur Abschlusskonferenz in der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH).

„Anders als der Klimaschutz ist die Anpassung an den Wandel politisch noch nicht so gut verankert. Wir haben es in den vergangenen fünf Jahren geschafft, dass dieser Aspekt stärker betrachtet wird. Das liegt natürlich nicht nur an Klimzug-Nord, aber der Projektverbund stellte in der Metropolregion das notwendige Wissen zur Verfügung“, sagt Jürgen Becker von der TuTech Innovation GmbH, der das Projekt organisatorisch koordinierte. Den „harten Kern“ von Klimzug-Nord bildeten 20 Institutionen, darunter sechs Hochschulen, die sich oft mit mehreren Instituten beteiligt haben: Universität Hamburg, HafenCity Universität, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, TUHH, Fachhochschule Lübeck, Leuphana Universität Lüneburg.

Klimzug ist eine Initiative der Bundesregierung, die seit 2008 die Forschung zu Anpassungspotenzialen an den Klimawandel in Deutschland stärken wollte und jetzt ausläuft. Gut 80 Millionen Euro standen bundesweit zur Verfügung. Sieben Verbundprojekte in sieben deutschen Regionen erhielten den Zuschlag. Klimzug-Nord widmet sich der Metropolregion Hamburg und hatte einen Etat von 15 Millionen Euro, verteilt über die fünf Projektjahre.

Die Zahl der Nächte, in denen es sehr warm ist, wird steigen

Inhaltlich geht es um Anpassungsmaßnahmen an bevorstehende Klimaveränderungen auf den Ebenen Stadt, Land, Fluss. Das erste Themenfeld „Integrierte Stadt- und Raumentwicklung“ befasst sich mit Klimafolgen für die Stadtbevölkerung. Sie wird zukünftig wahrscheinlich stärker mit Überschwemmungen durch Starkregen zu kämpfen haben, aber auch mit der Zunahme von Tropennächten, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad fällt. „Der Umgang mit Hitze in der Stadt sollte, insbesondere mit Blick auf die Gesundheit der Stadtbevölkerung, nicht unterschätzt werden und mehr Gewicht auf der kommunalen Agenda erhalten“, heißt es in dem „Kursbuch Klimaanpassung“, das die Projektergebnisse allgemein verständlich zusammenfasst.

Das 134-seitige Kursbuch soll Ämtern und Behörden, Kammern und Verbänden zukünftig als Leitfaden für Planungen und Entscheidungen zur Verfügung stehen. Ein hochkarätiges Autorenteam hat die Beiträge zusammengestellt: Klimaforscherin Dr. Daniela Jacob (Max-Planck-Institut für Meteorologie/Climate Service Center), Biologe Prof. Kai Jensen (Biozentrum Klein Flottbek) und Stadtplaner Prof. Jörg Knieling (HafenCity Universität). Mit Blick auf den zunehmenden sommerlichen Hitzestress empfehlen die Hauptautoren Kaltluftschneisen, die die Innenstadt belüften und damit die Weiterentwicklung des „Federplans“, den Fritz Schumacher 1920 für Hamburg entwarf. Er sah die Entwicklung entlang von Siedlungsachsen vor, mit Freiräumen zwischen den Achsen.

Zur Anpassung an steigende Überschwemmungsrisiken fordert das Autorentrio einen Paradigmenwechsel zum „Leben mit Wasser“: Statt unter immer schwierigeren Bedingungen am 100-prozentigen Hochwasserschutz durch Deiche und technische Bauten festzuhalten, sollten innovative Ansätze erprobt werden (automatisiertes Abschotten von Gebäuden, Sichern und Rückgewinnen von Überflutungsräumen in Form von städtischen Spiel- und Grünflächen, hochwassersicher gebaute Häuser u. a.). Derzeit werde noch immer in potenziellen Überschwemmungsgebieten ganz konventionell gebaut, kritisieren Jacob, Jensen und Knieling.

Beim Themenfeld „Zukunftsfähige Kulturlandschaften“ betrachtete das Verbundprojekt unter anderem die Lüneburger Heide (drohender Wassermangel im Sommer) und den Obstanbau im Alten Land. Seit 1975 ist dort die durchschnittliche jährliche Lufttemperatur um rund 1,5 Grad angestiegen. Im gleichen Zeitraum haben sich die Blüte und andere Entwicklungsstadien bei allen Obstbaumarten um zwei bis drei Wochen verfrüht. Die Obstblüte ist dadurch stärker durch Spätfröste gefährdet. Die Frostschutzberegnung wird also zunehmend wichtiger und damit auch die Vorsorge, dass dafür genügend sauberes Wasser zur Verfügung steht.

Maßnahmen des Hochwasserschutzes dienen oft auch dem Naturschutz

Ist die Frostgefahr gebannt, könnten wärmeliebende Apfelsorten künftig besser an der Niederelbe gedeihen. Das gilt aber auch für den Schlüsselschädling der Plantagen, den Apfelwickler. Die Larve des Nachtfalters kann als Obstmade großen Schaden anrichten. Bei steigenden Sommertemperaturen entwickeln sich die Larven schneller, sodass sich im Spätsommer eine zweite Faltergeneration bilden kann.

Der dritte Bereich – Fluss – widmet sich der Tideelbe und ihren Nebenflüssen. Hier werden viele Aspekte längst diskutiert, etwa Strategien, die den Flüssen wieder mehr Raum geben. Dabei wird oft deutlich, dass Maßnahmen für den Hochwasserschutz (Rückdeichungen, neue Überflutungsräume) gleichzeitig dem Naturschutz dienen.

Stärkere Zusammenarbeit bei der Anpassung an den Klimawandel

Wie die Nebenflüsse auf niederschlagsreichere Winter und einen steigenden Meeresspiegel reagieren, untersuchte Klimzug am Beispiel der Este (Niedersachsen) und der Krückau (Schleswig-Holstein), die beide durch ein Sperrwerk von der Elbe getrennt sind. Dabei schnitt die nach Elmshorn fließende Krückau deutlich günstiger ab: „Die Krückau verfügt durch einen günstigen Verlauf der Deiche über einen deutlich größeren Stauraum als die Este“, heißt es im Kursbuch. „An der Este gibt es bereits ein vom Bundesumweltministerium gefördertes Anschlussprojekt zur Klimaanpassung“, sagt Klimzug-Koordinator Becker. „In ihm arbeiten die Landkreise Harburg und Stade mit Forschern der TU zusammen.“ Alle Akteure des Einzugsgebiets der Este werden dort stärker als bisher zusammenarbeiten, so Becker.

Das wünschen sich die drei Hauptautoren für den gesamten Hamburger Raum. „Die Anpassung an den Klimawandel muss in den Städten und Gemeinden, Kreisen und Landkreisen der Metropolregion einen höheren Stellenwert erhalten“, schreiben sie im Kursbuch. Als Thema der Kommunal- und Regionalpolitik habe der Klimawandel mit Hürden zu kämpfen. So treten Klimaänderungen erst mittel- bis langfristig auf „und kollidieren so mit den kürzeren Laufzeiten der politischen Wahlperioden“. Eine verantwortliche Politik müsse deshalb „den Wahlperioden-Modus überwinden und längerfristige Perspektiven entwickeln. Klimzug-Nord hat gezeigt, dass in Fragen des Hochwasserschutzes, des Stadtklimas oder landwirtschaftlicher Strategien einiger Mut nötig ist, um schon heute Entscheidungen zu treffen, die eine langfristige Kehrtwende einleiten können.“ Was zu tun ist, steht im Klimzug-Kursbuch.

Die Abschlusskonferenz ist öffentlich. Schnellentschlossene können sich bis zum 18.3. anmelden unter klimzug-abschluss@tutech.de, Telefon 766 29 63 42, Ort und Programm stehen unter www.klimzug-nord.de

Das Kursbuch ist nach der Veranstaltung auf der Klimzug-Nord-Website herunterzuladen. Solange der Vorrat reicht wird es auch kostenlos verschickt: Bestelladresse: becker@tutech.de