Wenn jemand mit Kiezgrößen durch St. Pauli bummelt und schwärmt, sie hätten ihm "die Kultur des Kiezes nähergebracht", denkt man nicht unbedingt an einen Wissenschaftler bei der Arbeit. Auf Klaus Siewert (55) trifft dies aber zu.

Für den Sprachforscher, der in Münster und Paderborn lehrt, ist das Rotlichtviertel ein bevorzugtes Objekt seiner "Feldforschungen". Hier hat er den "Nachtjargon" entdeckt, eine Sprache, die Außenstehende schon mal als "Luden-Abc" abtun. Dem Wissenschaftler offenbart sich hier dagegen eine "Sonder- oder Geheimsprache", die benutzt wurde, um ungebetene Mithörer außen vor zu lassen. Mit dem "Mythos" St. Pauli stirbt diese Sprachwelt. So fühlt sich Siewert wie ein "Archäologe bei der Rettungsgrabung" und hat sein Standardwerk "Hamburgs Nachtjargon" jetzt mit zahlreichen neuen Wörtern und Redewendungen erweitert. Dahinter faszinieren ihn "die sozialen Verhältnisse".

Hamburg begeistert den Westfalen, seit er an der Hand seines Vaters über den Fischmarkt schlenderte. Damals war er zwölf.

Seitdem kommt er immer wieder und begeistert andere. So entsteht gerade eine Examensarbeit über die Sprache der Dom-Schausteller. Wenn er keine Wörter sammelt, fotografiert er. "Ich plane einen Fotoband über den Mikrokosmos der Meile." Da ist sie wieder - die Liebe zu St. Pauli.