Für Behandlung in Hamburg vorgesehener Arzt aus Afrika gestorben. Wissenschaftler beantworten Fragen zur Epidemie

Hamburg. Er hätte möglicherweise in Hamburg behandelt werden können. Sein Flug war am Wochenende jedoch abgesagt worden, weil der an Ebola erkrankte Arzt aus Sierra Leone nicht transportfähig war. Nun ist Dr. Scheik Umar Khan, 33, tot. Er sei in einer Quarantänestation gestorben, teilten die Gesundheitsbehörden von Sierra Leone am Dienstagabend mit. Umar engagierte sich im Kampf gegen die Ebola-Epidemie. Dabei infizierte er sich selbst. Auch in Liberia infizierten sich zwei medizinische Helfer aus den USA.

Dr. Stefan Schmiedel, Leiter der Klinischen Infektiologie, Sektion Tropenmedizin, in der Bernhard-Nocht- Klinik am UKE, hatte am Montag noch eine zweite Anfrage für die Übernahme eines Patienten erhalten, der sich die Infektion ebenfalls bei seiner medizinischen Tätigkeit zugezogen haben soll. Es seien aber darüber hinaus keine konkreten Schritte unternommen worden.

Trotzdem bleibt die Option zur Übernahme bestehen, sodass diejenigen, die an der Versorgung dieser Patienten beteiligt wären, in Alarmbereitschaft bleiben, bis sie informiert werden, dass Verlegungen nicht mehr vorgesehen sind. Die Kosten für die Versorgung eines Ebola-Patienten würde sich in der Größenordnung von 300.000 Euro bewegen, sagte Schmiedel.

Versorgt würden diese Patienten in Isoliereinheiten am UKE. „Wir üben einmal in der Woche das Arbeiten in diesen Isoliereinheiten. Die infizierten Patienten würden unter Polizeischutz von der Feuerwehr vom Flughafen in die Einrichtung gebracht. Wir sind sicher, dass so keine Gefahr für die Öffentlichkeit besteht“, sagte Schmiedel.

Das Ebola-Virus ist einer der gefährlichsten Krankheitserreger der Welt. Seit Monaten grassiert das Virus in Liberia, Guinea und Sierra Leone. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registrierte bis zum 23. Juli 672 Todesfälle infolge einer Ebola-Infektion. Bei insgesamt 1201 Menschen wurde die Erkrankung nachgewiesen oder es bestand der Verdacht. „Damit, dass sich die Epidemie so lange hinzieht, haben auch die Experten nicht gerechnet. Hier scheinen spezifische Bedingungen vorzuliegen, die dazu führen, dass man das nicht unter Kontrolle bekommt“, sagte Prof. Stephan Günther, Leiter der Virologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Das liege vor allem daran, dass die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten nicht kooperiere. „Deswegen rechnen wir damit, dass das noch andauern wird“, sagte Günther.

Die wichtigsten Fragen zu der Ebola-Infektion beantworten Prof. Stephan Günther und die Weltgesundheitsorganisation.

Was genau ist eine Infektion mit dem Ebola-Virus?

WHO: Das ist eine lebensbedrohliche Erkrankung mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu 90 Prozent. Erstmals aufgetreten ist die Infektion 1976. Damals gab es gleichzeitig zwei Ausbrüche in der heutigen Demokratischen Republik Kongo und im Sudan.

Warum ist der Ebola-Ausbruch in Westafrika noch nicht beendet?

Günther: Obwohl im Mai die Fallzahlen deutlich zurückgegangen sind und wir ein baldiges Ende des Ausbruchs erhofft hatten, ist der Ausbruch wieder aufgeflammt. Offenbar sind einige Infektionsketten nicht erkannt worden, und so schwelte die Erkrankung unerkannt in entlegenen Regionen. Auch arbeitet die Bevölkerung nicht gut mit den Hilfskräften zusammen: Erkrankte gehen nicht in Krankenhäuser, sodass sie weitere Menschen anstecken. Hinzu kommt eine große Mobilität der Bevölkerung in Westafrika, auch über Landesgrenzen hinweg. Damit wurde die Erkrankung über große Teile von Guinea, Sierra Leone und Liberia verschleppt.

Welche Übertragungswege von Menschen zu Mensch sind bekannt?

Günther: Das Virus wird schwer von Mensch zu Mensch übertragen, also nicht wie Schnupfen oder Grippe. Man muss immer einen direkten Kontakt zu einem Erkrankten oder den infektiösen Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin, Durchfall haben. In Afrika wird das Virus bei der Pflege von Erkrankten in der Familie, bei der Waschung der Verstorbenen durch Familienangehörige und durch direkten Kontakt zum Verstorbenen auf den Begräbnissen übertragen.

Wer ist am meisten gefährdet?

WHO: Mitarbeiter des Gesundheitssystems, Angehörige von Infizierten oder andere Personen, die engen Kontakt zu den Kranken haben, Trauernde, die bei Bestattungszeremonien direkten Kontakt zu den Körpern der Toten haben, und Jäger im Regenwald, die mit toten Tieren im Wald in Kontakt kommen.

Welche Maßnahmen kann man ergreifen, um sich bei einem Afrikabesuch vor einer Ansteckung zu schützen?

Günther: Da die meisten Ebola-Epidemien durch Kontakt zu infizierten Menschenaffen ausgelöst wurden, sollte man also vermeiden, kranke oder tote Affen zu berühren, sowie rohes Affenfleisch zuzubereiten. Ebenso sollte man Kontakt mit Flughunden meiden. Es gab Fälle, bei denen sich Touristen mit dem Schwesternvirus von Ebola, dem Marburg-Virus, nach dem Besuch von Höhlen in Afrika infiziert hatten. Das Marburg-Virus gehört zu derselben Familie der RNA-Viren wie das Ebola-Virus und verursacht ebenfalls hämorrhagisches Fieber bei den Erkrankten. Auch sollte man keine Flughunde auf dem Markt kaufen. Diese werden dort für die Zubereitung von Speisen angeboten. Die wichtigsten Regeln für einen Besuch in Afrika sind: Keine Kranken zu pflegen, keine Verstorbenen zu waschen und keinen direkten Kontakt zu Verstorbenen auf einem Begräbnis zu haben. Wenn man das einhält, kann einem in Afrika nichts passieren.

Ist eine Ausbreitung der Epidemie nach Europa denkbar?

Günther: Nein. Es ist zwar möglich, dass das Virus mit einem Infizierten nach Europa importiert wird. Aber es wird sich hier nicht weiterverbreiten. Da das Ebola-Virus nur bei engem Kontakt zu einem Erkrankten übertragen werden kann, besteht nur ein geringes Risiko einer weiteren Verbreitung. Es sei denn, Angehörige pflegen die Erkrankten ohne Schutz und beerdigen die Verstorbenen selber.

Welches sind die typischen Zeichen einer Infektion?

WHO: Plötzlicher Beginn mit Fieber, starkem Schwächegefühl, Muskel-, Kopf-, und Halsschmerzen sind die typischen Anzeichen. Darauf folgt Erbrechen, Durchfall, Hautausschlag, gestörte Funktion von Leber und Niere und in manchen Fällen innere und äußere Blutungen. In der Blutuntersuchung finden sich erniedrigte Zahlen für weiße Blutkörperchen und Blutplättchen sowie erhöhte Leberenzyme. Die Inkubationszeit, also die Zeitspanne von der Infektion bis zum Auftreten der ersten Symptome, beträgt zwischen zwei und 21 Tagen. Mit dem Auftreten der Symptome sind die Patienten ansteckend. Bestätigt werden kann die Infektion nur durch Labortests.

Günther: Aus Versuchen mit Affen lässt sich ableiten, dass sich das Virus sehr schnell im Körper ausbreitet und dabei die Immunantwort hemmt. Man findet das Virus in allen Organen; der Körper wird regelrecht überschwemmt. Die meisten Patienten sterben vermutlich an Organversagen, nicht an Blutungen, wie man meist annimmt. Selber zerstört das Virus aber die Organe nicht: Offenbar ist es eine überschießende Reaktion des Organismus, die die Krankheit auslöst. Die Gerinnung des Blutes wird aktiviert, dadurch verstopfen die kleinen Blutgefäße, die Organe bekommen nicht mehr genug Sauerstoff und versagen. Auch das Gehirn kann so stark geschädigt werden, dass es zum Tod führt.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es, wenn es zu einer Ansteckung mit dem Virus kommt?

Günther: Es gibt keine wirksamen Behandlungsmöglichkeiten oder Medikamente. Auf der Isolierstation in Afrika wird unterstützend behandelt, zum Beispiel mit Infusionen und kreislaufstabilisierenden Medikamenten. Hier in Europa können wir auch intensivmedizinisch behandeln, mit künstlicher Beatmung, Dialyse, Blutersatz, sprich allem, was die moderne Intensivmedizin zu bieten hat. Wir wissen aber von den seltenen Fällen, wo Reisende ähnliche Erkrankungen wie Marburg-, Lassa-, oder Krim-Kongo-Fieber nach Europa mitgebracht haben, dass auch die Intensivmedizin das Leben der Patienten nicht retten kann. Es gibt Medikamente und Antikörper, die im Tierversuch wirksam waren. Es ist aber viel Geld und Zeit erforderlich, diese sogenannten experimentellen Therapien so weiterzuentwickeln, dass sie für den Menschen zugelassen werden können.

Gibt es Möglichkeiten, sich mit einer Impfung zu schützen?

Günther: In den vergangenen Jahren sind zwei Impfstoffe entwickelt worden. Die Entwicklung ist zwar relativ weit fortgeschritten, aber es ist nicht absehbar, wann diese Impfstoffe auf den Markt kommen.

Der derzeitige Ausbruch konnte dem Ebola-Stamm Zaire zugeordnet werden. Dieser ist aufgrund seiner hohen Sterblichkeitsrate als äußert gefährlich bekannt. Welche Unterschiede bestehen zwischen verschiedenen Virustypen?

Günther: Es ist nicht bekannt, welche Unterschiede zwischen den verschiedenen Subtypen des Virus bestehen, die den einen gefährlicher machen als den anderen. Der Ebola-Subtyp Reston macht den Menschen zum Beispiel nicht krank. Hier muss die Wissenschaft in den nächsten Jahren herausfinden, was die Gefährlichkeit eines Virus für den Menschen ausmacht.

Wann und wo vermuten Sie den Ursprung des gegenwärtigen Ebola-Ausbruchs?

Günther: Die Epidemie startete offenbar im Dezember 2013 mit einem Kind. Die Ansteckung erfolgte möglicherweise durch direkten Kontakt zu einem Tier, das mit Ebola-Virus infiziert war. Dies könnte beispielsweise ein toter Flughund gewesen sein, denn die Tiere sind als Überträger des Ebola-Virus bekannt. Auch ein indirekter Infektionsweg ist vorstellbar: Das Kind könnte mit Viren kontaminierte Früchte gegessen haben, die zuvor ein infizierter Flughund auf dem Speiseplan hatte.