Bei warmem Wetter werden die Tiere jetzt wieder aktiv. Mit ihrem Stich können sie Krankheiten übertragen

Hamburg. Die Tage werden wärmer, und oft lädt das schöne Wetter zum Spaziergang über Felder und Wiesen ein. Dabei kann man sich in Wäldern oder im hohen Wiesengras lästige, manchmal sogar gesundheitsgefährdende Begleiter einfangen: Zecken, die sich in der Haut festsetzen und Blut saugen. Welche Gefahren können von Zeckenstichen – da sie die Haut zunächst aufschneiden werden sie umgangssprachlich auch als Zeckenbisse bezeichnet – ausgehen und wie kann man diese behandeln? Darüber sprach das Abendblatt mit dem Infektiologen Prof. Andreas Plettenberg, Geschäftsführer des ifi-Instituts für Interdisziplinäre Medizin in St. Georg.

Hamburger Abendblatt:

Wie kann man sich vor Zecken schützen?

Prof. Andreas Plettenberg:

Wenn man sich in Wäldern und Büschen oder auf Wiesen aufgehalten hat, sollte man danach Beine und Körper nach Zecken absuchen, insbesondere dann, wenn man im Rock oder in kurzen Hosen unterwegs war. Die Zecken sind dann möglichst schnell zu entfernen. Das Tragen langer Hosen, langärmeliger Hemden und geschlossener Schuhe verringert bei solchen Ausflügen das Risiko eines Zeckenbefalls. Außerdem gibt es noch Repellentien. Das sind aufzutragende Duftstoffe, die einen befristeten Schutz bieten, der allerdings meist schon nach zwei Stunden schwächer wird.

Wie lassen sich Zecken entfernen?

Plettenberg:

Am besten ist es, wenn man sie mit einer spitzen Pinzette oder mit einer Zeckenzange, die in Apotheken erhältlich ist, heraushebelt. Wichtig ist: Man sollte sie dabei weder quetschen noch drehen noch versuchen sie mit Öl oder Kleber zu ersticken. Nachfolgend sollte die Haut desinfiziert werden. Sollten Teile der Zecke in der Haut verbleiben, können diese zum Beispiel chirurgisch entfernt werden.

Welche Krankheiten können übertragen werden?

Plettenberg:

Die beiden wichtigsten Krankheiten, die durch Zecken in Deutschland und Europa übertragen werden, sind die Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine Gehirnentzündung. In Hamburg und generell in Norddeutschland ist aber nur die Borreliose von Bedeutung. Normalerweise befinden sich die Bakterien im Darm der Zecke. Wenn sie einen Wirt gestochen hat und Blut zu saugen beginnt, werden dadurch die Bakterien aktiviert und wandern vom Darm der Zecke in die Speicheldrüsen. Erst wenn dies geschehen ist, was bis zu 30 Stunden dauern kann, werden die Borrelien übertragen. Während der ersten acht bis zwölf Stunden ab Zeckenstich besteht keine oder nur eine sehr geringe Infektionsgefahr. Eine FSME ist in Hamburg noch nicht beobachtet worden. Ein Risiko für FMSE besteht bei uns vor allem in Süddeutschland. Da die Erreger permanent in den Speicheldrüsen der Zecken zu finden sind, können diese schon zu Beginn des Saugaktes übertragen werden. Aber auch hier gilt: Je länger dieser anhält, desto größer ist das Übertragungsrisiko.

Wie häufig sind diese Infektionen?

Die Zahl der Borreliosefälle in Deutschland wird auf etwa 60.000 pro Jahr geschätzt. Die FSME ist wesentlich seltener. Dem Berliner Robert-Koch-Institut werden jährlich etwa 200 bis 400 Fälle gemeldet.

Wie macht sich Borreliose bemerkbar?

Zu einer Infektion kommt es im Mittel nur nach jedem 20. Zeckenstich und in vier von fünf Fällen verläuft sie dann ohne Symptome. Eine Borrelieninfektion mit Symptomen tritt im Durchschnitt nach einem von 100 Zeckenstichen auf. Das häufigste Zeichen des Stadiums eins ist die Wanderröte, eine Rötung der Haut, die einige Tage bis wenige Wochen nach dem Zeckenstich auftritt, typischerweise langsam größer wird und in der Mitte abblasst. Hinzukommen können unspezifische Allgemeinerscheinungen wie Kopfschmerzen, leichtes Fieber oder aber Muskel- und Gelenkschmerzen.

Welche Symptome können im weiteren Verlauf der Erkrankung noch auftreten?

Das Stadium zwei tritt nach mehreren Wochen bis Monaten auf. Die Symptome haben dann meist keinen Bezug mehr zur Stichstelle. Es kann dann zum Befall des Nervensystems kommen, typische Symptome sind brennenden Schmerzen, Gefühlsstörungen oder schlaffe Lähmungen. Oft ist dabei das Gesicht betroffen, es kann dann zur sogenannten Facialisparese kommen. Ein weiteres Symptom kann das Borrelien-Lymphozytom sein. Das sind meist bläulich-rote Knoten, bevorzugt an den Ohrläppchen, Brustwarzen oder am Hodensack. Stadium drei tritt erst nach Monaten bis Jahren auf und ist sehr selten. Ein Erkrankungsbild dieses Stadiums betrifft die Haut, die dann typischerweise sehr dünn wird, eine feine Fältelung bekommt und meist bläulich erscheint. Davon betroffen sind insbesondere die Streckseiten von Armen und Beinen. Eine weitere Erkrankung dieses Stadiums sind Gelenkentzündungen, von denen vor allem große Gelenke wie Knie, Fuß oder Ellenbogen betroffen sind.

Wie wird die Infektion nachgewiesen?

Wenn es nach einem Zeckenstich zu einer Wanderröte kommt, ist das so typisch, dass damit die Diagnose als gesichert angesehen wird und eine Behandlung mit Antibiotika erfolgen sollte. Bei unklaren Situationen oder Spätzuständen kann eine Untersuchung des Blutes auf Antikörper gegen Borrelien hilfreich sein. Zu beachten ist, dass diese Diagnostik für sich allein in den meisten Fällen weder einen sicheren Nachweis noch einen sicheren Ausschluss einer bestehenden Infektion erlaubt. Für die Interpretation der Ergebnisse sollten immer auch die Vorgeschichte und die Symptome des Patienten bekannt sein. Gelegentlich werden auch Methoden angewendet, von denen nur abgeraten werden kann. Ein Beispiel ist der sogenannte Lymphozytentransformationstest (LTT), der immer wieder falsch positive Befunde zeigt, also für eine Infektion spricht, obwohl diese nicht vorliegt. Diesen Test müssen die Patienten selbst zahlen.

Wie wird Borreliose behandelt?

Mit einem Antibiotikum. Die Standardtherapie ist die Einnahme von Doxycyclin, im Frühstadium zwei Wochen, bei Spätstadien drei bis vier Wochen. Die Tabletten sollten nicht zusammen mit Milchprodukten eingenommen werden. Kinder und Schwangere dürfen damit nicht behandelt werden, sie erhalten ein anderes Antibiotikum. Grundsätzlich kann jede Borreliose erfolgreich behandelt werden. Einschränkend ist zu sagen, dass zum Beispiel nicht adäquat behandelte chronische Gelenkentzündungen zu Knorpelschädigungen führen können, die auch nach erfolgter Therapie weiter bestehen.

Ist eine Borreliose-Impfung in Sicht?

Es hat in Amerika schon einen wirksamen Impfstoff gegen eine Borrelioseart gegeben, der aber wieder vom Markt genommen wurde. Aktuell sind die Forscher dabei, einen Impfstoff zu entwickeln, der gegen die in Europa vorkommenden Erreger schützen soll. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass dieser in den nächsten Jahren auf den Markt kommen wird.

Wann sollten sich Hamburger gegen FSME schützen?

Wenn man in FSME-Gebiete reist, um sich dort in der Natur aufzuhalten, etwa in den Schwarzwald, sollte man sich impfen lassen. Für einen anhaltenden Impfschutz sind drei Impfungen nötig, die Erstimpfung, die zweite nach ein bis drei Monaten und die dritte nach weiteren neun bis zwölf Monaten. Von einem Impfschutz ist etwa zwei Wochen nach der zweiten Impfung auszugehen. Deswegen sollte die Impfung möglichst mindestens sechs Wochen vor der Reise begonnen werden. Der Impfschutz hält drei bis fünf Jahre an. Bei einer privaten Reise, beispielsweise nach Süddeutschland, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Impfkosten. Sofern das Urlaubsziel im Ausland liegt, werden die Impfkosten im Regelfall nicht übernommen.