Ab 2015 soll der neue Rechner in der Hansestadt helfen, den Einfluss von Wolken besser zu verstehen. Er wird 20-mal schneller sein als das aktuelle Modell.

Hamburg. Gerade für Supercomputer gilt: Schnelligkeit ist nicht mehr alles. Früher wuchs mit zunehmender Leistung auch der Hunger nach Strom. Heute entwickeln die Hersteller verstärkt genügsame Modelle – die aber trotzdem mehr Tempo machen.

Ein Vertreter der jüngsten Generation dieser „Boliden“ wird 2015 in Hamburg seinen Dienst aufnehmen. Für 26 Millionen Euro kauft das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ) bei der Firma Bull einen Supercomputer, der bis zu drei Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde (Petaflops) schaffen und damit bis zu 20-mal schneller sein soll als der aktuell eingesetzte Blizzard.

Dieser nach einem Schneesturm benannte Rechner bewältigt bis zu 158 Billionen Rechenschritte pro Sekunde (Teraflops). Dabei hat er mit all seinen Komponenten eine elektrische Leistungsaufnahme von zwei Megawatt und genehmigt sich pro Jahr etwa 17 bis 18 Millionen Kilowattstunden aus erneuerbaren Energien – so viel wie mindestens 3000 Zwei-Personen-Haushalte.

Das neue Modell, für das noch ein Name gesucht werden muss, werde voraussichtlich eine Anschlussleistung von nur 1,3 Megawatt haben, sagt Thomas Ludwig, Geschäftsführer des DKRZ. „Und beim Verbrauch werden wir auch unter den bisherigen Werten liegen“, so der Informatikprofessor.

Reduzierter Stromverbrauch

Der reduzierte Stromverbrauch soll vor allem durch eine spezielle Wasserkühlung erreicht werden. Eine über die Computerchips und die Hauptspeichermodule geleitete Flüssigkeit nimmt die von diesen Teilen erzeugte Wärme auf, erwärmt sich so bis auf 55 Grad und wird dann auf das Dach des DKRZ geleitet. Weil es dort – wie in Hamburg insgesamt – selten wärmer als 38 Grad wird, kühlt die Umgebungsluft die Flüssigkeit entsprechend ab, die anschließend erneut die Wärme des Computers abführen kann. „Durch diese freie Kühlung werden wir meist ohne Kühlaggregate auskommen“, sagt Ludwig. „Sollte es ausnahmsweise doch einmal wärmer werden, könnten wir auf unsere alten Kühlaggregate zurückgreifen oder die Rechenleistung reduzieren.“

Bei dieser Stromsparmaßnahme soll es nicht bleiben. Auch die TU Dresden bekommt einen Bull-Rechner. Dort wollen Informatiker neue Algorithmen (Rechenanweisungen) entwickeln, die etwa die Chips automatisch so regulieren, dass diese immer stromsparend agieren. Von den Ergebnissen der Dresdner soll im Rahmen einer Kooperation auch das DKRZ profitieren.

Der Kauf des neuen Supercomputers war Ludwig zufolge nötig, weil Forscher für genauere Klimaszenarien eine höhere Rechenleistung brauchen. Insbesondere der Einfluss der Wolken auf das Klima lässt sich in Computermodellen nur unzureichend abbilden; dementsprechend sind die bauschigen Gebilde in den Berichten des Weltklimarats IPCC bisher der größte Unsicherheitsfaktor. „Mit dem Bull-Rechner erhoffen wir uns bei der Vorhersage der Wolkenbildung ganz neue Erkenntnisse“, sagt Prof. Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und einer der Leitautoren des Weltklimaberichts.

Für ihre Szenarien füttern Klimaforscher ihre Programme mit Angaben über physikalische Zusammenhänge, die für das Klima eine Rolle spielen, mit Durchschnittswerten zu Niederschlägen, Luftdruck und Temperatur in einem Gebiet in einem bestimmten Zeitraum und mit Schätzungen, wie sich der Ausstoß von Treibhausgasen verändern könnte, von Substanzen also, die zur Erderwärmung beitragen. All diese Faktoren werden als Gleichungen beschrieben, mit denen Supercomputer rechnen können. Deren Simulationen fließen in die Szenarien ein, etwa die Abschätzung, wie sich unter bestimmten Bedingungen in einem bestimmten Zeitraum die Erde erwärmen könnte.

Eine neue Ära

Weil das Klima weltweit erheblich variiert, unterteilen Klimaforscher die Atmosphäre und die Ozeane horizontal und vertikal in Untersuchungsgebiete, sogenannte Gitterboxen. Je kleiner die Boxen und damit die Maschen des globalen Netzes, desto mehr Details lassen sich untersuchen und desto genauer lässt sich die Entwicklung des regionalen Klimas simulieren.

Wolken sind ein Phänomen, das regional sehr unterschiedlich auftritt. Deshalb sind hier kleinere Gitterboxen besonders wichtig, um zu genaueren Abschätzungen zu kommen. Aber: Je kleiner die Boxen, desto mehr Rechenleistung ist auch erforderlich. „Wenn man etwa den Gitterabstand halbiert, ist die zehnfache Rechenleistung nötig“, erläutert Thomas Ludwig.

Der neue Bull-Bolide soll in dieser Hinsicht am DKRZ eine neue Ära einläuten. Er wird über mehr als 60.000 rechnende Prozessorkerne verfügen, die parallel arbeiten könnten. Zum Vergleich: Im Blizzard rechnen 8500 Prozessorkerne. Die Frage ist allerdings, ob der potente Nachfolger tatsächlich all seine Kraft entfalten kann. Denn bisher laufen die meisten Programme der Klimaforscher nur auf Rechnern mit bis zu 10.000 Rechenkernen vernünftig. Ist der Kauf des neuen Superhirns da nicht verfrüht?

Nein, sagt DKRZ-Geschäftsführer Ludwig. Prinzipiell solle die Maschine immer von mehreren Forschergruppen gleichzeitig genutzt werden, wodurch eine Auslastung erreicht würde. Außerdem werde der Ausbau des Supercomputers in zwei Stufen erfolgen: Ein Drittel der Rechenleistung soll beim Start im Frühjahr 2015 erreicht werden. „Bis dahin sollten schon viele Programmcodes für das neue System angepasst sein“, sagt Ludwig. Erst 2016 soll der Supercomputer so ausgebaut sein, dass er seine volle Leistung von maximal drei Petaflops erreichen kann. Ob dann allerdings Programme vorliegen, um die Maschine nicht nur auszulasten, sondern auch komplett auszureizen, ist offen. Ludwig: „Das wird harte Arbeit.“