Die Wärme liebende Pflanze gedeiht in unseren Breiten nur schlecht. Spezielle Sorten könnten die Importe aus Südamerika reduzieren.

Hamburg. Rund sieben Millionen Tonnen Soja werden jährlich nach Deutschland eingeführt, der Hauptteil stammt aus Südamerika und landet in Futtertrögen von Schweinen, Rindern, Geflügel. Angesichts der sozialen und ökologischen Schäden, die der massive Soja-Anbau in Brasilien, Argentinien und andernorts anrichtet (Verdrängung von Kleinbauern, Flächenverbrauch zulasten von Regenwald, Einsatz von Gentechnik) sowie der starken Importabhängigkeit hat das Bundeslandwirtschaftsministerium im November 2012 eine Eiweißpflanzenstrategie erarbeitet, um die Proteinversorgung des deutschen Viehs breiter aufzustellen – und gleichzeitig einen Umweltbeitrag zu leisten. Neben Soja made in Germany sollen andere Eiweißpflanzen wie Erbsen, Ackerbohnen und Lupinen (wieder) stärker angebaut werden.

„Sojabohnen enthalten bestimmte Aminosäuren, die sie zum idealen Futtermittel machen“, sagt Prof. Hans Marten Paulsen vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau in Trenthorst bei Lübeck. Gerade die Mast von schnell wachsenden Puten und Hühnern komme ohne diese speziellen Eiweißverbindungen nicht aus. Das gelte gerade für den Bio-Landbau: „Die Öko-Richtlinien verbieten den Zusatz von synthetisch erzeugten Aminosäuren ins Futtermittel.“ Auch für die Schweinemast eigne sich Soja besonders gut, so Paulsen.

Landwirte und Politiker sind sich einig: Es müssen mehr Sojabohnen in Europa wachsen. Als deutscher Vorreiter hat Bayern bereits 2011 eine Eiweißstrategie gestartet, um die Eigenversorgung der bayerischen Bauernschaft mit eiweißhaltigen Futtermitteln zu verbessern. 2012 rief Bayern zusammen mit Österreich die Initiative „Donau Soja“ ins Leben (s. Beitext), die in diesem Jahr 70.000 Tonnen heimische Sojabohnen liefern will.

In Deutschland wuchsen 2008 auf weniger als 1000 Hektar (ha) Sojabohnen – 2013 waren es bereits 7000 ha. Mit 3773 ha liegt Bayern weit vorn. Nur Baden-Württemberg hat mit 2178 ha ebenfalls einen nennenswerten Soja-Anbau. Im Norden der Republik ist die Hülsenfrucht praktisch nicht zu finden. Tageslänge und Temperatur sagen der Wärme liebenden Bohne nicht zu, nasskalte Witterung quittiert sie mit erheblichen Ertragseinbußen. Zudem ist sie empfindlich gegenüber konkurrierenden Wildkräutern und entsprechend anspruchsvoll im Anbau.

In Niedersachsen experimentieren einzelne Bauern mit Sojabohnen, doch ein stetiger Anbau hat sich noch nicht entwickelt. In diesem Jahr werden vier niedersächsische Pionier-Landwirte Soja einsäen, zwei konventionell und zwei ökologisch wirtschaftende Betriebe. Sie nehmen Teil an einem vom Bund finanzierten Demonstrationsprojekt mit 50 Betrieben, das die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft koordiniert. „Die Leuchtturmbetriebe sollen unterschiedliche Anbauvarianten testen, etwa Verfahren zur Unkrautregulierung, verschiedene Aussaatstärken oder Sorten aussäen“, sagt Markus Mücke vom Fachbereich Ökologischer Landbau der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Hannover.

Bevor die Bohnen nun offiziell in die norddeutsche Praxis einfließen, machten Mücke und Kollegen von 2009 bis 2013 Sortenversuche. Ergebnis: Für Niedersachsen kommt nur eine Handvoll früh reifender Sorten infrage, weil bei spät reifenden Bohnen viel zu unsicher ist, ob sie Mitte bis Ende September tatsächlich erntereif sind. „Die Unkrautregulierung ist die entscheidende Maßnahme für den Anbauerfolg“, stellten die Fachleute fest. Ebenfalls maßgeblich ist die Witterung. Während die Sojafelder in guten Jahren (2009 und 2011) einen Ertrag von 23 und 31 Dezitonnen (dt, 100 Kilo) pro Hektar lieferten, mickerten die Pflanzen und damit auch die Erträge in den Jahren 2010 und 2013 bei nasskalten Frühsommern mit 12 dt und 15 dt dahin.

Diese Schwankungen machen die Bohne unattraktiv. Mücke: „Die Landwirte sind zögerlich. Der Anbau steht und fällt mit ihrem Know-how, etwa in der mechanischen Unkrautregulierung auf Öko-Flächen.“ Der Agrarexperte ist dennoch zuversichtlich, dass der Sojaanbau zumindest in kleinem Umfang in Niedersachsen eine Chance hat: „Zuerst wurden wir mit unseren Sortenversuchen belächelt. Auch fehlte die Infrastruktur zur Verarbeitung der Bohnen zu Öl und Futtermitteln. Inzwischen hat sich da einiges entwickelt, und allmählich wächst das Interesse. Vor einem Monat hatte ich Betriebe aufgerufen, sich bei uns zu melden, wenn sie am Sojaanbau interessiert sind. Inzwischen haben sich 24 Betriebe gemeldet. Rund zwei Drittel von ihnen sind konventionelle Betriebe, die damit ihre Fruchtfolge bereichern wollen.“

Sojabohnen haben, wie auch andere Hülsenfrüchte (Leguminosen) der Eiweißstrategie, neben dem Eiweißgehalt weitere Vorteile. So unterbrechen sie die getreidelastige Fruchtfolge, die in einigen Regionen bereits zu Problemen führt. Denn bundesweit wachsen auf rund 70 Prozent der Ackerfläche nur vier Kulturarten: Winterweizen, Wintergerste, Mais und Raps. Die Leguminosen, zu denen auch Ackerbohne, Körnerfuttererbse, Linse, die Blaue, Gelbe und Weiße Lupine, Luzerne und diverse Kleearten gehören, lockern den Boden und bieten Insekten ein attraktives Futterangebot. Viel wichtiger noch: Sie düngen den Boden.

Leguminosen können mithilfe spezieller Mikroorganismen (Knöllchenbakterien) Stickstoff aus der Luft im Boden binden. Im Bio-Landbau sind sie deshalb wichtig für die Nährstoffversorgung des Ackers, in konventionellen Betrieben ersetzen sie Mineraldünger. Untersuchungen in Trenthorst zeigten, dass Kleegras im Laufe seiner zweijährigen Nutzung bis zu 300 Kilogramm Stickstoff pro Hektar in den Boden einbringt – das ist am Rande der Überdüngung. In diesem Fall bestünde die Gefahr, dass überflüssiger Stickstoff als Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen wird. Doch die Agrarforscher wiesen in Trenthorst nach, dass die Auswaschung deutlich unterhalb der kritischen Nitratkonzentration blieb.

Vieles spricht also dafür, dass möglichst viel Pflanzeneiweiß aus heimischem Anbau in den Futtertrögen landet und damit Importsoja zurückdrängt. „Fütterungsexperimente belegen, dass 40 bis 50 Prozent des in der Schweinemast eingesetzten Sojaextraktionsschrotes (aus der Ölgewinnung, die Red.) ohne Leistungseinbußen durch heimische Körnerleguminosen ersetzt werden können“, berichten Wissenschaftler des Julius-Kühn-Instituts für Züchtungsforschung.

Auch Hans Marten Paulsen vom Trenthorster Ökolandbau-Institut setzt auf Leguminosen und beklagt, dass die Hülsenfrüchte seit vielen Jahren Stiefkinder der EU-Förderpolitik seien. Allerdings lieferten alle Leguminosen, nicht nur Sojabohnen, schwankende Erträge, so Paulsen. Er plädiert dafür, auch andere Eiweißquellen in Betracht zu ziehen: „Seit BSE dürfen Schlachtabfälle nicht mehr als Tierfutter eingesetzt werden. Dadurch vergeuden wir wertvolle Eiweißressourcen. Wenn sie seuchenhygienisch okay sind, sollten sie wieder an Schweine, Hühner und Puten verfüttert werden dürfen.“

Auch die innovativen Ansätze, Proteine aus Algen, Bakterien oder Insekten zu gewinnen könnten verfolgt werden, sagt Paulsen. Zudem stünden Eiweißträger wie Leindotter (eine Ölsaat) oder Molke bereit. Doch all diese Alternativen werden zumindest in der konventionellen Landwirtschaft „kleingemacht, solange es günstige Import-Sojabohnen gibt“.