In der Schön-Klinik Hamburg-Eilbek sind Patienten, die ein neues Knie- oder Hüftgelenk erhalten haben, schon wenige Stunden nach der Operation wieder auf den Beinen.

Hamburg. Wann werde ich wieder fit sein? Worauf muss ich achten, wenn ich ein künstliches Gelenk habe? Kann ich damit problemlos in meinen Alltag zurückkehren? Das alles sind Fragen, die sich viele Patienten stellen, wenn sie ein neues Knie- oder Hüftgelenk brauchen. Chirurgen in den Schön-Kliniken Hamburg-Eilbek, Neustadt an der Ostsee und München setzen bei diesen Patienten jetzt ein neues Versorgungskonzept ein, das sie schneller und besser wieder auf die Beine bringen soll als die konventionelle Behandlungsstrategie. „Wir haben die gesamte Behandlung von der ersten Vorstellung des Patienten in unserer Sprechstunde bis zur Entlassung in die Reha oder nach Hause komplett umstrukturiert“, sagt Prof. Frank Lampe, Chefarzt im Zentrum für Endoprothetik der SchönKlinik Hamburg-Eilbek.

Das Konzept kommt aus den skandinavischen Ländern und aus England. „Eine Kollegin hat ein Jahr in einer Klinik in Schottland gearbeitet und hat diesen Angang dort gelernt. Außerdem hatten wir auch Kontakt zur Universität Kopenhagen, wo diese Strategie ebenfalls angewendet wird. Und wir haben uns dort sehr genau angeschaut, wie es funktioniert“, sagt Lampe.

Wenn in der Sprechstunde in der Eilbeker Klinik die Entscheidung getroffen wird, dass eine Operation nötig ist, ist das nach dem neuen Konzept bereits der Startschuss für die Vorbereitungen. „So wird zum Beispiel Blut abgenommen, und wenn sich dabei herausstellt, dass der Patient eine Blutarmut hat, wird sofort mit der Behandlung begonnen, so dass die Blutwerte bei der Operation, die etwa drei bis vier Wochen später stattfindet, so gut wie möglich eingestellt sind“, sagt Lampe. Während der Wartezeit auf die Operation erhält der Patient außerdem noch eine Patientenschulung. In einem einstündigen Vortrag wird er von Physiotherapeuten, Pflegekräften und Ärzten über die Operation und die damit verbundenen Abläufe aufgeklärt. „Dadurch können wir dem Patienten Ängste, Nöte und Unsicherheiten nehmen“, sagt Lampe. Zu dieser Vorbereitung gehört auch, dass der Patient bestimmte Übungen für sein neues Gelenk lernt, die er schon während der Wartezeit zu Hause in Eigenregie durchführen kann.

„Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Nachbehandlung umso besser ist, je aufgeklärter der Patient ist“, ergänzt Dr. Karl Christian Westphal, Chefarzt der Klinik für Orthopädie der Schön-Klinik Neustadt. Lampe nennt dazu ein Beispiel: „Erhält jemand ohne Vorinformation eine Knieendoprothese, bekommt er einen großen Schreck, wenn drei Tage nach der Operation das Knie dick ist, und er denkt, es sei bei der OP etwas schiefgegangen. Wenn man ihn aber vorher darüber aufklärt, dass dies völlig normal ist, kann er ganz anders mit den Sorgen und Ängsten umgehen.“ Mit ihrem Konzept wollen die Ärzte Patienten aus der passiven Krankenrolle herausholen und zum aktiven Partner im Behandlungsprozess machen. Eventuelle Vorerkrankungen werden vor der Operation so gut behandelt, dass der Patient in einem für ihn optimalen Gesundheitszustand zur OP kommt. „Er ist für uns ein gesunder Mensch, der nur eine Funktionsstörung in seinem Gelenk hat“, betont Lampe.

Für die Operation wird der Patient am Tag des Eingriffs oder einen Tag vorher stationär aufgenommen und es werden noch einmal Blutwerte und Röntgenbilder überprüft. „An der Operationsmethode hat sich nichts geändert, außer dass wir bei der Knie-Endoprothese noch während der Operation eine örtliche Betäubung im Gelenk vornehmen. Nach dem Eingriff wird der Patient je nach individuellen Vorerkrankungen noch zwei bis vier Stunden auf der Aufwachstation betreut, bekommt Schmerzmittel, kann schon etwas essen und trinken, so dass er sich in einem bestmöglichen körperlichen Zustand befindet“, sagt Westphal. Der oberste Grundsatz lautet: so viel Normalität wie möglich.

„Früher trugen die Patienten ein Flügelhemd, das operierte Bein lag mit einem dicken Verband auf einer Schaumstoffschiene, der Patient hatte drei Drainageschläuche und zwei Schmerzmittelpumpen, einen Urinkatheter und Infusionen. Wer so aufwacht, hat das Gefühl: ,Ich bin schwerkrank‘ und bewegt sich möglichst gar nicht“, sagt Lampe. „Unsere Patienten kommen sehr schnell aus dem Aufwachraum auf die Normalstation und ziehen sofort ihre private Kleidung an. Sie haben keine Schläuche, Urinkatheter, Drainagen und Schmerzkatheter. Und wenn sie an sich herunterschauen, haben sie das Gefühl: Alles ist so normal wie zu Hause auch.“ Sie werden dann bereits am Operationstag von Pflegekräften und Krankengymnasten wieder auf die Beine gestellt und können in Begleitung zur Toilette gehen.

„Am ersten Tag laufen die Patienten noch mit einem Gehwagen, aber bereits am zweiten Tag trainieren sie mit den Gehstützen, sodass sie selbstständig und ungehindert laufen können, je nach ihrem Befinden. Zusätzlich werden sie von Krankengymnasten behandelt. Da kein dicker Verband mehr nötig ist, wird die Wunde mit wasserfestem Pflaster abgedeckt, so dass die Patienten damit auch duschen können“, sagt Westphal. Statt Bettruhe stehen alltägliche Aktivitäten auf dem Therapieplan. „Die frühe Mobilisation stärkt das Selbstvertrauen und das Vertrauen in das neue Gelenk – und ist damit deutlich besser als eine lange, immobile Liegephase“, sagt Westphal.

Für die neue Strategie haben die Ärzte alle Maßnahmen ihres bisherigen Behandlungskonzeptes einer gründlichen Überprüfung unterzogen. „Das Faszinierende an diesem Verfahren ist, dass man sich von ganz vielen alten Traditionen verabschiedet hat, die nicht wissenschaftlich belegt sind. Zwei Beispiele: Früher dachte man, dass der Patient auf dem Rücken liegen muss, weil sonst die Hüfte auskugelt, oder dass er die Drainagen braucht, weil sich sonst ein Bluterguss bildet. Von diesen ganzen Prozessen haben wir uns nach und nach verabschieden können“, sagt Dr. Jan-Hauke Jens, Chefarzt der Endoprothetik in der Schön-Klinik Hamburg-Eilbek.

Oberste Priorität hat die schnelle Mobilisation: „Denn Immobilität macht krank. Sie steigert das Risiko von Lungenembolien, Thrombosen und Harnwegsinfekten. Die frühe Mobilisation der Patienten reduziert die Komplikationsraten“, sagt Lampe. Zum Vergleich: „Nach der konventionellen Vorgehensweise werden die Patienten einen Tag nach der Operation erstmals auf die Füße gestellt und machen ihre ersten Schritte, einen Tag später gehen sie gerade mal bis zur Zimmertür“, sagt Westphal.

Es wird auch sehr genau anhand eines detaillierten Kriterienkatalogs überprüft, wann der Patient wieder fit genug ist, um nach Hause oder in eine anschließende Reha entlassen zu werden. Erst wenn alle Kriterien erfüllt sind, ist der Patient reif für die Entlassung. „Die Liegezeit verkürzt sich von neun bis zwölf Tagen auf sechs bis acht Tage. Aber das ist für uns nicht das Entscheidende, sondern dass die frühe Ergebnis- und Lebensqualität der Patienten erheblich besser ist“, sagt Jens und Westphal ergänzt: „Der Aufwand durch das Personal ist am Anfang wesentlich höher als bei der konventionellen Methode. Deswegen haben wir keine ökonomischen Vorteile durch die Verkürzung der Liegezeit.“

Die Chirurgen behandeln jetzt schon seit geraumer Zeit alle ihre Patienten nach dem neuen Konzept und haben die Ergebnisse von 1600 Patienten mit denen einer konventionellen Behandlung verglichen und wissenschaftlich ausgewertet.

„Die Patienten haben vier Wochen nach der Operation im Vergleich zur konventionellen Behandlungsstrategie eine zehnprozentige Verbesserung für alle Funktionen des täglichen Lebens unabhängig vom Patientenalter“, sagt Westphal. „Sie waren zufriedener und hatten weniger Komplikationen“, sagt Lampe. 91 Prozent der Patienten konnten drei Monate nach der Hüftgelenk-OP wieder schmerzfrei gehen. Bei der konventionellen Behandlung waren es 84 Prozent. 95 Prozent konnten mit der neuen Therapiestrategie nach drei Monaten beschwerdefrei wieder leichte Hausarbeiten machen (konventionell 89 Prozent).