Die NSA arbeitet an einem Quantencomputer, der auch komplizierte Codes knacken kann

Hamburg/Washington. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hat offenbart, dass die National Security Agency (NSA) an der Entwicklung eines leistungsfähigen Quantencomputers arbeitet, mit dessen Hilfe selbst sehr stark verschlüsselte Dokumente gelesen werden können.

Dass sich die NSA wie jeder andere namhafte Geheimdienst für die Technologie der Quantencomputer interessiert, ja interessieren muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Denn diese bereits in den 1980er-Jahren konzipierte Technik ermöglicht eine dramatisch gesteigerte Rechenleistung, was insbesondere große Konsequenzen für die Kryptografie hat, also das Verschlüsseln von sensiblen Informationen sowie andererseits dem Knacken von Codierungen.

Seit vielen Jahren arbeiten Grundlagenforscher rund um den Globus an der Entwicklung von Quantencomputern. Bislang ist der öffentlich bekannte Stand der Technik allerdings noch recht bescheiden. So ist es etwa österreichischen Wissenschaftlern mit hohem technischen Aufwand gelungen, einen Quantencomputer zu bauen, in dem 14 sogenannte Quantenbits ihre Rechenleistung entfalten. Das beweist zwar, dass diese Technik grundsätzlich funktioniert, doch so winzige Quantencomputer können den heutigen Computern noch nicht die Stirn bieten.

Ob in den Labors der Geheimdienste möglicherweise schon Exemplare mit einer deutlich höheren Leistungsfähigkeit stehen als in Forschungslabors der Universitäten, ist Gegenstand von Spekulationen. Naturgemäß wird es auf diese Frage weder eine Bestätigung noch ein Dementi geben. Doch es ist sehr plausibel, dass es derzeit einen Wettlauf der großen Dienste bei der Entwicklung von leistungsfähigen Quantencomputern gibt. Wer zuerst über eine Technik verfügt, mit der sich Codierungen knacken lassen, die bislang noch als sicher gelten, hat schließlich einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Wenn man sich aber darüber im Klaren ist, dass es wohl nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die besten heute üblichen Codes von Quantencomputern gebrochen werden können, tut auch gut daran, sich alternative Verschlüsselungsmethoden zu überlegen, mit denen auch im Zeitalter dieser Superrechner vertrauliche Nachrichten ausgetauscht werden können.

Interessanterweise werden Quantencomputer nicht nur heutige Codierungsverfahren obsolet machen, die Quantenphysik eröffnet auch die Chance für eine neue Art der Kryptografie, die eine absolut sichere Verschlüsselung ermöglicht. Hier wird es einen Paradigmenwechsel geben. Die Frage ist nur, wer zu welchem Zeitpunkt über welche quantenkryptografischen Fähigkeiten verfügen wird. Schade eigentlich, dass dieses spannende Rennen im Geheimen ausgetragen wird.

Die noch in den Kinderschuhen steckende Technik der Quantencomputer ist indes nicht nur für die verborgene Welt der Geheimdienste interessant. Überall, wo große Datenmengen ausgewertet und analysiert werden, dürften sie in Zukunft eine Rolle spielen. Dass sich dort ein lukrativer Markt entwickeln wird, glaubt nicht zuletzt die Firma D-Wave. Der Hardware-Hersteller mit Sitz in Burnaby in der Provinz British Columbia an der kanadischen Westküste hat vor wenigen Monaten den ersten kommerziellen Quantencomputer mit 512 Quantenbits auf den Markt gebracht. Für den Supercomputer in Gestalt eines schwarzen Kubus verlangt das Unternehmen 15 Millionen Dollar. Zu den ersten Kunden sollen Google, die Nasa und der Rüstungskonzern Lockheed Martin gehören. Sie alle haben zweifelsohne Bedarf an brillanter Rechenleistung. Ob auch die NSA einen D-Wave-Quantencomputer gekauft hat, ist nicht bekannt. Zu den Investoren bei D-Wave gehört auch Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Für die Fähigkeiten der schwarzen Kiste, die allerdings auf Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts von minus 273 Grad Celsius gekühlt werden muss, dürfte man sich dort allerdings in jedem Fall interessieren. Geordie Rose, der Gründer und Chefentwickler von D-Wave hat für das Jahr 2015 eine nächste Generation von Quantencomputern angekündigt, die dann über 2048 Quantenbits verfügen sollen.

Damit kommt man allmählich in Bereiche, in denen die neuartigen Rechner ihre Überlegenheit gegenüber den heutigen ausspielen können. Während gewöhnliche Computer mit digitalen Datenbits – den bekannten Nullen und Einsen des Digitalzeitalters – arbeiten, nutzen Quantencomputer sogenannte Quantenbits, auch Q-Bits genannt. Das Besondere der Q-Bits besteht darin, dass sie sich gleichzeitig in mehreren Zuständen befinden können. Diese Zustände werden durch physikalische Eigenschaften von Quantenteilchen repräsentiert – beispielsweise durch die Magnetspins von Elektronen oder den Drehsinn von Lichtteilchen.

Es gibt also viele verschiedene Ansätze, wie man Quantencomputer praktisch umsetzen kann. Bei D-Wave beispielsweise setzt man auf supraleitende Chips. Ein grundsätzliches Problem beim Betrieb eines Quantencomputers ist die erwähnte Notwendigkeit der Kühlung auf sehr tiefe Temperaturen. Auch müssen die hochsensiblen Maschinen vor allen äußeren Einflüssen wie Vibrationen oder elektromagnetischen Wellen abgeschirmt werden. Schon das macht die Nutzung aufwendig und teuer. Dass es sich hier also um Produkte handeln könnte, die wie ein PC auf dem Büroschreibtisch landen, ist aus heutiger Sicht pure Science Fiction.

Wenn aber erst einmal leistungsfähige Quantencomputer für große Institutionen wie Universitäten zur Verfügung stehen, dürfte dies viele Bereiche der Forschung revolutionieren. Für die Simulation so hochkomplexer Gebilde wie des menschlichen Gehirns erscheinen Quantencomputer bestens geeignet. Manche Wissenschaftler spekulieren, ob sich nicht eines Tages die gesamte Leistungsfähigkeit eines menschlichen Gehirns mit einem solchen Computer erzielen lassen könnte. Was dies dann für die Zukunft der Menschheit bedeuten würde, davon hat vermutlich nicht einmal Edward Snowden einen blassen Schimmer.