Die Teilchen entstanden sehr wahrscheinlich außerhalb unseres Sonnensystems. Sie könnten erklären, woher die kosmische Strahlung kommt.

Hamburg/Zeuthen Es ist eines der größten Rätsel der Astronomie: Woher stammt die kosmische Strahlung? Aus dem All prasseln unablässig ultrakleine geladene Teilchen auf die Erde, hauptsächlich Protonen und Heliumkerne. In der Atmosphäre stoßen sie sekundäre Teilchen an, die in die Erde eindringen und dort absorbiert werden. Über Jahrmillionen haben diese Partikel vermutlich das Erbgut der Lebewesen auf unserem Planeten beeinflusst.

Doch obwohl das Phänomen bereits 1912 von dem Physiker Victor Hess entdeckt wurde, wissen Forscher immer noch nicht, an welchen Orten im Universum die kosmische Strahlung entsteht. Denn auf ihrem Weg zur Erde werden die geladenen Partikel durch Magnetfelder von ihrer Bahn abgelenkt, sodass ihr Ursprung nicht mehr feststellbar ist.

Nun, 40 Jahre, nachdem die Fahndung mit speziellen Instrumenten begann, rücke die Lösung näher, berichtet ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (Desy) im Fachjournal „Science“. Die Wissenschaftler haben seit 2010 mit dem Detektor IceCube am Südpol 28 energiereiche Neutrinos registriert, von denen einige „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ außerhalb unseres Sonnensystems entstanden seien, sagt Desy-Physiker Christian Spiering, einer der Initiatoren des Forschungsprojekts.

IceCube erstreckt sich über einen Kubikkilometer im Ewigen Eis nahe dem Südpol. Die würfelförmige Anlage besteht aus 86 im Eis versenkten Stahlseilen, an denen in der Tiefe zwischen 1450 und 2450 Metern insgesamt 5160 Glaskugeln mit Sensoren hängen. Sie registrieren jenes schwache Licht, das indirekt durch Neutrinos verursacht wird. Diese Teilchen tragen keine elektrische Ladung, reagieren deshalb nur selten mit anderen Teilchen und durchdringen Materie meist ungehindert. So bleiben sie auf ihrem Weg nahezu unbeeinflusst. Durch ihre Eigenschaften übermitteln sie Informationen über ihren Herkunftsort.

Neutrino ist aber nicht gleich Neutrino. Es gibt die niederenergetischen Vertreter, die bei Kernverschmelzungen entstehen, ausgespuckt etwa von der Sonne. Aus Fusionsreaktionen stammten auch Neutrinos, die 1987 einer Sternenexplosion (Supernova) zugeordnet wurden und die lange Zeit als die einzigen registrierten Neutrinos galten, die außerhalb unseres Sonnensystems entstanden.

Bei Fusionsreaktionen entstehen aber nicht jene geladenen Teilchen, die zur kosmischen Strahlung gehören. Forscher glauben vielmehr, dass diese Partikel bei extremen Beschleunigungsprozessen erzeugt werden, die wohl an den abgesprengten Überbleibseln von Sternenexplosionen oder in der Umgebung Schwarzer Löcher stattfinden. Wenn einige dieser Teilchen auf Materie prallen, entstehen in der Folge, der Theorie nach, unter anderem hoch energetische Neutrinos. Diese rasen dann unbeeinflusst durchs All und erreichen auch die Erde. Folgte man der Richtung, aus der sie kommen, ließe sich darauf schließen, wo im Universum die kosmische Strahlung entsteht. Ein Nachweis hoch energetischer Neutrinos fehlte allerdings – bis jetzt.

Von den 28 registrierten Teilchen könnten elf auch in unserem Sonnensystem entstanden sein, berichten die IceCube-Forscher in „Science“. Bleiben 17 Kandidaten für eine extrasolare Herkunft. Physiker bezeichnen das statistische Maß für die Abweichung von einer Norm als Standardabweichung, die sie in Sigma angeben. Bei 5,0 Sigma liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nicht um einen Zufall, sondern eine Entdeckung handelt, bei 99,999 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass die gefundenen Neutrinos tatsächlich außerhalb unseres Sonnensystems entstanden, liege bei 4,1 Sigma, schreiben die IceCube-Forscher.

„Einige der Teilchen hatten Millionen Mal mehr Energie als alle bisher der Sonne und der Supernova von 1987 zugeordneten Neutrinos“, sagt Christian Spiering. „Dafür verantwortliche Beschleunigungsprozesse können sich eigentlich nur außerhalb unseres Sonnensystems abspielen.“

In den nächsten Monaten wollen die Forscher mit weiteren Daten die 5-Sigma-Hürde nehmen. Mit steigenden Nachweiszahlen hoffen sie, eindeutig die Herkunft energiereicher Neutrinos identifizieren zu können – und damit die Quellen der kosmischen Strahlung.