Wissenschaftler tüfteln an Hyperschallflugzeugen. Sie sollen mindestens die fünffache Schallgeschwindigkeit erreichen. Mit so einem Fluggerät wäre man in nur einer Stunde in New York.

Boston. Sie raste mit doppelter Schallgeschwindigkeit durch den Luftraum, so schnell wie eine Gewehrkugel: die Passagiermaschine Concorde. Allerdings verbrauchte die schnittige Schönheit etwa 25.000 Liter Treibstoff pro Stunde, und sie erzeugte einen infernalischen Lärm – nicht allein durch ihre Triebwerke, sondern auch durch den Knall, der beim „Durchbrechen“ der Schallmauer entstand. Wegen der nachlassenden Nachfrage und Sicherheitsbedenken nach dem Unglück im Jahr 2000 in Paris, bei dem 113 Menschen starben, stellten die Betreiber Air France und British Airways nach drei Jahrzehnten den Flugbetrieb ein; vor zehn Jahren hob zum letzten Mal eine Concorde ab.

Die Vision vom Überschallflugzeug ist geblieben. Seit einigen Jahren tüfteln Forscher an neuartigen Modellen, die nicht nur schneller sein sollen als das legendäre Vorbild, sondern auch leiser und sparsamer. Ein Team um den Aeronautik-Professor Qiqi Wang vom MIT in Boston entwickelte das Konzept eines futuristisch anmutenden Doppeldeckers, dessen Flügel an den Spitzen miteinander verbunden sind. Dadurch sollen sich die beim Erreichen der Überschallgeschwindigkeit erzeugten Schockwellen über eine größere Spannweite verteilen und somit schwächer ausfallen als mit nur einem Flügel auf jeder Seite. Dadurch verringere sich der Lärm, so die Forscher.

Die Konstruktion birgt allerdings ein Problem: Die übereinander liegenden Flügel erzeugen einen engen Kanal, der die durchströmende Luftmenge begrenzt. Wenn das Flugzeug die Schallgrenze durchbricht, erhöht sich sprungartig der Luftdruck – es kommt zu einem sogenannten Verdichtungsstoß. Dabei erhöht sich der Luftwiderstand, wodurch die Maschine abgebremst wird. Das Team um Qiqi Wang berechnete deshalb, wie sich verschiedene Doppeldecker-Varianten bei bestimmten Geschwindigkeiten verhielten. Am Ende stand eine Konstruktion, die Wang zufolge mit Überschallgeschwindigkeit fliegen könnte, dabei aber nur halb so viel Treibstoff brauchen würde wie einst die Concorde. Ob eine Maschine nach diesem Vorbild tatsächlich gebaut werden wird, ist allerdings unklar.

Auch Flugzeughersteller Boeing testet Prototypen

Sehr viel schneller unterwegs war ein Flugobjekt, das im September dieses Jahres durch den Himmel über Norwegen sauste. Die Rakete erreichte eine Höhe von 350 Kilometern und kam beim Wiedereintritt in die Atmosphäre auf eine Geschwindigkeit von Mach 8 – das entspricht 9800 Stundenkilometern. Es war der fünfte von neun geplanten Testflügen im Rahmen des Hypersonic International Flight Research Experiments. Das Projekt, das vom australischen Verteidigungsministerium und dem US Air Force Research Laboratory finanziert wird, soll die Grundlagen des Hyperschallfliegens erforschen.

Hyperschall bedeutet, dass ein Objekt mindestens mit Mach 5, also fünffacher Schallgeschwindigkeit fliegt. Die Strecke von London nach New York würde man in einer solchen Maschine in einer Stunde zurücklegen.

Im Mai dieses Jahres testete das US-Unternehmen Boeing den X-51A Waverider, der aus 15.000 Meter Höhe über der kalifornischen Mojave-Wüste von einem B-52-Bomber gestartet wurde. Angetrieben von Spezialtriebwerken flog die unbemannte Maschine dreieinhalb Minuten annähernd mit Hyperschallgeschwindigkeit, bevor sie wie geplant in den Pazifik stürzte.

Zunächst zündete eine Booster-Rakete und beschleunigte den Waverider auf Mach 4,8, dann wurde der Booster abgetrennt und ein sogenannter Scramjet gestartet. Bei diesem Strahltriebwerk wird die Luft nicht wie bei gewöhnlichen Triebwerken durch Schaufelräder verdichtet, sondern durch die Geschwindigkeit, mit der sie in die Brennkammer gepresst wird. Die dabei erhitzte Luft wird durch eingeleiteten Treibstoff gekühlt. Allerdings gab es in der Vergangenheit wiederholt Probleme beim Abkoppeln mit dem Booster. Ein fehlgeschlagener Test im August hat die Erwartungen der Entwickler gedämpft. Die Herausforderung wird in Zukunft darin bestehen, dieses Modell für die bemannte Luftfahrt weiterzuentwickeln.

Statt Kerosin könnte Wasserstoff zum Einsatz kommen

Auch in Europa arbeiten Forscher an Hyperschallflugzeugen. Die Europäische Weltraumorganisation Esa koordiniert das Projekt „Long-Term Advanced Propulsion Concepts and Technologies“, das ein europäisches Hyperschallpassagierflugzeug entwerfen soll. Die Reaction Engines A2 ist eine Super-Concorde für 300 Passagiere, die eine Geschwindigkeit von 6400 Kilometern erreichen könnte – das erhofft sich die Esa zumindest. In fünf Stunden würde man von Europa nach Australien fliegen – sechsmal schneller als bisher. Als Treibstoff soll Wasserstoff statt Kerosin verwendet werden, was umweltfreundlicher wäre. Geht es nach den Plänen der Esa, soll der A2 in 25 Jahren als Linienflugzeug eingesetzt werden. Quälende Langstreckenflüge würden dann der Vergangenheit angehören.