In der kommenden Woche präsentiert der Weltklimarat IPCC seinen neuen Zustandsbericht zum globalen Wandel. Hamburger Forscher haben ihn mit geschrieben.

Hamburg. Im fünften Zustandsbericht des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) steckt auch Hamburger Wissen. Im ersten Teil des Reports zu den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels, der kommende Woche veröffentlicht wird, haben vier Forscher vom KlimaCampus als Leitautoren mitgewirkt, einer von ihnen in der höchsten Autorenkategorie, als koordinierender Leitautor: Prof. Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie, leitet mit einem kanadischen Kollegen die Arbeit zum neunten Kapitel des Berichts, das sich mit der Evaluierung (Bewertung) von Klimamodellen befasst.

„Wir beziehen uns stark auf ein internationales Experiment, das etwas mehr als 30 Klimamodelle aus aller Welt vergleicht. Eines davon ist ein deutsches Modell, an dem das MPI und das Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg federführend beteiligt sind“, sagt Marotzke. Es sei eines von weltweit um die zehn Modelle, die fast bei allen Fragestellungen, für die Berechnungen angestellt werden, mit im Boot sitzen. Der Klassiker sind Projektionen verschiedener zukünftiger Klimaszenarien im 21. Jahrhundert. Zum Teil wird auch rückwärts gerechnet und die Klimaentwicklung des vergangenen Jahrtausends nachvollzogen. Zudem gibt es zahlreiche Prozessstudien.

Eine Studie befasst sich mit der Frage: Wie viel wärmer wird es, wenn wir den Gehalt an Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre verdoppeln? Marotzke: „Diese klassische Fragestellung ist noch immer mit großer Unsicherheit behaftet. Wir können jetzt in unseren Klimasimulationen zumindest den globalen Kohlenstoffkreislauf mit einbeziehen. Dies hat dazu geführt, dass wir Klimaschutzziele, etwa die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad zu begrenzen, mit den von Menschen verursachten CO2-Emissionen verknüpfen können. Das ist eine Neuerung gegenüber dem vierten IPCC-Report aus dem Jahr 2007.“

Der globale Kohlenstoffkreislauf umfasst neben den künstlichen (anthropogenen) Emissionen von CO2 und Methan auch die Aufnahme von CO2 durch die Meere und Landpflanzen. Dagegen können Böden wiederum CO2 und Methan freisetzen. Erst seitdem die Mengen des bei diesen und weiteren Prozessen umgesetzten Kohlenstoffs abzuschätzen sind, lässt sich rechnerisch auf den CO2-Gehalt der Atmosphäre und damit auch auf die Erwärmung rückschließen. Dem Kohlenstoffkreislauf widmet der IPCC-Bericht erstmals ein komplettes Kapitel, das Dr. Victor Brovkin vom MPI als Leitautor mitschrieb.

Prozesse in Wolken sind vielschichtig

Auch die Wolken haben im IPCC-Bericht erstmals ein eigenes Kapitel bekommen. Die Prozesse in Wolken sind so vielschichtig, dass sie bislang kaum von den Klimamodellen erfasst werden. Marotzke: „Die Größenordnungen, die zu betrachten sind, reichen von Tausendstel Millimetern bis weltumspannend.“ Marotzkes MPI-Kollege Prof. Bjorn Stevens versucht die Wolken in die Modellraster zu zwingen, er gehört zu den Leitautoren des Wolkenkapitels.

„Bjorn Stevens ist einer der wenigen Wissenschaftler, die nicht nur erforschen, wie Wolken funktionieren, sondern dies auch in den Kontext des Klimawandels stellen“, sagt Marotzke. „Lange Zeit haben wir mit der Wissenslücke um die Wolken leben müssen. Wir haben Stevens ins MPI-Direktorium berufen, um die Lücke anzugehen. Jetzt stehen uns die Instrumente zur Verfügung, um in dieser Frage voranzukommen. Wolken und globale Klimaauswirkungen sind ein Thema, das derzeit abhebt.“

Beim Meeresspiegelanstieg wird es ebenfalls deutliche Unterschiede zum Vorgängerbericht 2007 geben, verrät Marotzke. Der wissenschaftliche Durchbruch liegt zwar schon ein paar Jahre zurück: Seit 1992 lässt sich von einem Satelliten aus mit einem „Präzisionsaltimeter“ der Meeresspiegel auf globalem Niveau genau vermessen (zuvor standen nur punktuelle Daten von Küstenpegeln zur Verfügung, die die weltumspannenden Bewegungen, die durch Meeresströme entstehen, nicht wiedergeben konnten).

Aber die Zyklen der natürlichen Schwankungen erstrecken sich über mehrere Jahrzehnte, so dass sie erst jetzt, mit einer Mess-Zeitreihe von rund 20 Jahren, allmählich nachzuweisen sind.

Der führende Meeresspiegel-Spezialist am KlimaCampus ist Prof. Detlef Stammer vom Institut für Meereskunde der Uni Hamburg. Seit vielen Jahren wertet er Satellitendaten aus und arbeitet derzeit daran, sie mit Modellrechnungen zu verbinden. Detlef Stammer ist der vierte am IPCC-Bericht beteiligte Leitautor.

Während 2007 die Einflüsse des abschmelzenden grönländischen Eisschildes auf den Meeresspiegel aufgrund von Wissenslücken weitgehend unbeachtet blieben, werden sie dieses Mal integriert sein, so Marotzke: „Wir sind jetzt so weit, dass die Summe aus dem durch Eisschmelze entstehenden Meeresspiegelanstieg plus dem Anstieg durch die thermische Ausdehnung des wärmer werdenden Meerwassers mit der tatsächlich gemessenen Erhöhung des Meeresspiegels übereinstimmt.“

Jochem Marotzke ist bereits nach Stockholm gereist. Zusammen mit dem zweiten koordinierenden Leitautoren Gregory Flato wird er „sein“ Kapitel an den vier Tagen (23. bis 26. September) vertreten, an denen der IPCC-Bericht (bzw. dessen Zusammenfassung für Politiker) von Wissenschaftlern und Regierungsvertretern verabschiedet wird. Er rechnet mit langen, anstrengenden Arbeitstagen. Am 27. September werden die deutschen Wissenschaftler in Berlin die Ergebnisse präsentieren. Dann ist für Marotzke die Arbeit am Bericht abgeschlossen, die mit der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe im November 2010 in Kunming (China) begann.