Die sechs heißesten Juli-Monate wurden seit 1983 registriert. Klimaforscher: Extreme Temperaturen wird es in gut 25 Jahren deutlich öfter geben.

Potsdam/Offenbach. Extreme Hitzewellen werden sich bis zum Jahr 2020 voraussichtlich verdoppeln und bis 2040 sogar vervierfachen. Das zeigen Berechnungen von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und spanischer Kollegen. Die Klimaexperten nutzten verschiedene Klimamodelle, um eine möglichst breite Basis für ihre Aussagen zu haben. Die Zunahme der Hitzeperioden vollzieht sich demnach weltweit. Aber sie gelte auch für Mitteleuropa, sagt Dim Coumou, einer der beiden Autoren der Studie.

Was Hitzewellen anrichten können, erlebte Europa im Sommer 2003. Damals registrierten die Behörden rund 35.000 hitzebedingte Sterbefälle, mit dem Schwerpunkt in Frankreich. In jenem Jahr brachte der August Wärmerekorde. So wurde in Karlsruhe (9.8.) und Freiburg (13.8.) der deutsche Rekord von 40,2 Grad erreicht, erstmals aufgestellt im Juli 1983.

Für den umgangssprachlichen Begriff Hitzewelle gibt es keine wissenschaftliche Definition. Die Potsdamer Forscher betrachteten Monats-Mittelwerte und definierten von Ort zu Ort variierende Abweichungen nach oben, die dann als Hitzewelle gezählt wurden. Dies ist nötig, da die Temperaturschwankungen von Region zu Region sehr unterschiedlich sind. In den Tropen sind sie sehr niedrig, deshalb gelten die Regionen als besonders empfindlich: Schon kleine Veränderungen können in Ökosystemen, die an relativ konstante Bedingungen angepasst sind, große Folgen haben.

Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) nutzt eine Vielzahl von Computermodellen, um Klimatrends zu berechnen. „Unsere Projektionen zeigen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mehr Wetterextreme, sowohl Hochwasser als auch Hitze- und Dürreperioden“, sagt DWD-Sprecher Gerhard Lux. Der Trend zu sommerlicher Hitze zeichne sich bereits in der Statistik ab: „Der Juli 2013 war mit einer Durchschnittstemperatur von 19,5 Grad Celsius der sechstwärmste Juli seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1881. Die fünf anderen traten alle in den vergangenen drei Jahrzehnten auf: Der wärmste war 2006 mit 22 Grad, dann 1994, 1983, 2010 und 1995. In den mehr als 100 Jahren zuvor war kein einziger Juli so warm.“

Während mancher Fußballfan auch die Rekordtemperaturen während des WM-Sommermärchens im Jahr 2006 noch gut in Erinnerung hat, sind die Folgen lang anhaltender Hitze und Trockenheit alles andere als märchenhaft. Flüsse trocknen aus, Landwirte leiden unter Missernten, Waldbrände vernichten riesige Naturareale wie im Hitzesommer 2010 in Russland. Damals lag wochenlang eine lähmende Hitze über dem Land. „Seit den 1950er-Jahren hat die Anzahl der Hitzewellen global stark zu genommen. Derzeit sind fünf Prozent der Landfläche betroffen. Doch unsere Untersuchung zeigt, dass schon in naher Zukunft weit mehr Regionen leiden werden“, sagt Dim Coumou.

„Die Studie des PIK liefert robustere Ergebnisse als bisher vorliegende Studien“, kommentiert der Meteorologe Stefan Hagemann vom Max-Planck-Institut in Hamburg die Potsdamer Ergebnisse. „Was heute eine Ausnahme ist, daran muss man sich in der Zukunft gewöhnen.“ Das gilt mit Einschränkungen auch für die Hamburger. Grundsätzlich sind Städter besonders betroffen: In dicht bebauten Wohnquartieren kann die Luft nicht gut zirkulieren. Die Beton- und Steinmassen der Gebäudekomplexe sind effektive Wärmespeicher. Wie riesige Kachelöfen heizen sie sich auf, geben die Wärme nachts wieder ab – und rauben den Menschen in tropischen Nächten (wenn die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt) den Schlaf.

Immerhin ist Hamburg klimatisch begünstigt. Oft wehen zumindest laue Lüftchen, die Hitzestaus verringern; Elbe und Alster wirken als Puffer und das Stadtgrün als natürliche Klimaanlage. Dennoch ist es in Stadtteilen wie St. Pauli nachts 1,5 bis drei Grad wärmer als im Umland. Prof. Heinke Schlünzen vom KlimaCampus Hamburg hat mit ihrem Team ein Computermodell der Hamburger Innenstadt erstellt und lässt in ihm virtuellen Wind durch das Häusermeer wehen. Sie hat festgestellt, dass Hamburgs grüne Achsen, 1919 von Baudirektor Fritz Schumacher erdacht, zwar hilfreich sind, die Frischluft- Effekte aber nur wenige Hundert Meter in die Bebauung hineinreichen.

Während die starke Zunahme der Hitzewellen bis 2040 nach Einschätzung der Potsdamer Forscher nicht mehr zu verhindern ist, weil dafür schon heute zu viel Treibhausgas in der Atmosphäre ist, könnte eine noch folgenreichere Entwicklung, die die Computermodelle für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts errechnet haben, durch mehr Klimaschutz noch abgewendet werden. Sollte dagegen der globale Treibhausgas-Ausstoß weiter steigen, könnten bis zum Jahr 2100 bis zu 85 Prozent und nicht wie heute fünf Prozent der globalen Landflächen immer wieder unter Hitzeextremen leiden, fürchten die Wissenschaftler.