Der Fang der beliebten Fischart richtet oft ökologischen Schaden an. Dabei gibt es unbedenkliche Alternativen

Hamburg. Thunfisch ist nach Alaska-Seelachs, Hering und Lachs der viertbeliebteste Fisch der Deutschen – sei es frisch gebraten als Steak, auf der Pizza oder aus der Dose. Doch mahnen Umweltverbände, dass manche Thunfischbestände übernutzt sind oder beim Fang viele andere Fische, Meeresschildkröten oder Albatrosse getötet werden. Die Kritik fand Gehör: Allmählich mischt sich nachhaltig gefangener Thunfisch, der diese Bezeichnung nach Aussagen von Greenpeace und WWF weitgehend verdient, in die Dosen-Sortimente. Mancher Fisch wurde sogar traditionell mit der Angelrute gefangen.

Die Suche nach ökologisch korrektem Dosenfisch hat es nämlich in sich: Die Bezeichnungen „Thunfisch in Öl“ oder „Thunfisch naturell“ sagen weder etwas über die Fischart (es gibt acht Thunfischarten plus nahe Verwandte wie den Echten Bonito) noch über das Fanggebiet aus. Diese Angaben fehlen oft auf den Dosen. Doch ohne sie fischen umweltbewusste Konsumenten im Trüben.

Fest steht: Das Siegel „delfinfreundlich“ oder englisch „dolphin safe“ reicht allein nicht mehr aus. Das Kontrollprogramm, das hinter dem Siegel steht, hat den Beifang, also das unbeabsichtigte Mitfangen, von Delfinen, zwar drastisch reduziert. Aber es berücksichtigt weder den Beifang anderer Meerestiere (etwa Haie, Schildkröten, Seevögel) noch das Management der einzelnen Thunfischbestände.

Die Umweltverbände WWF und Greenpeace zeigen in ihren Fischführern dem „unbekannten Thunfisch“ deshalb meist die rote Karte, raten eher von Thunfisch ab. Allerdings gibt es Ausnahmen. So hält Greenpeace Thunfischprodukte der Art Skipjack (Echter Bonito) aus dem westlichen und zentralen Pazifik für empfehlenswert, wenn er mit der Angelrute (englisch: Pole&Line/Rute und Leine) gefangen wurde. Dasselbe gilt für Weißen Thunfisch aus dem Nordpazifik.

Das traditionelle Fischen mit der Angelrute wird zum Beispiel auf den Malediven oder vor der Küste Westafrikas betrieben. Ein Dutzend Thun-Fischer stehen am Heck eines Schiffes und bewachen ihre zwei bis drei Meter langen Angelruten. Sie befischen Thunfischschwärme, die sie zuvor mit Köderfisch angelockt haben. „An ihrer Leine hängt ein einfacher Haken ohne Widerhaken, der die Fische vor unnötigen Verletzungen schützt. Sie holen den Thunfisch lebend an Deck, Jungfische werden dabei im Wasser belassen“, sagte André Tackenberg, Vertreter des Herstellers John West, der Verbraucher Initiative (VI).

Neben dem Liverpooler Thunfischverarbeiter John West bieten unter anderem die Hersteller Followfish und Vier Diamanten geangelten Skipjack an. „Das ist ein empfehlenswerter Ansatz, denn er arbeitet mit der lokalen Fischerei zusammen“, sagt Dr. Iris Menn, Meeresbiologin bei Greenpeace. Was das bedeutet, beschrieb André Tackenberg der VI: „Durch die nachhaltige Fangmethode werden viele neue Arbeitsplätze geschaffen, und sie garantiert ein gutes Einkommen. Zudem ist die Investition in kleinere Boote geringer und ermöglicht den Fischern vor Ort, in eigene Boote zu investieren.“

Doch zumindest eine Frage bleibt offen: Wie sollen die vielen Tonnen Thunfisch, die jährlich in Deutschland verzehrt werden, per Angelrute beschafft werden? Mehr noch: Ist selbst das heute noch kleine Angebot von Angel-Thunfisch mit dieser Methode überhaupt zu bedienen? Catherine Zucco, Fischereiexpertin beim WWF, ist skeptisch: „Es ist vorstellbar, dass der deutsche Markt für nachhaltigen Thunfisch mit Pole&Line zu beliefern ist. Aber in Großbritannien ist die Nachfrage danach schon viel größer, und auch in anderen Ländern wird er angeboten.“ Generell bemängelt Zucco, dass die Herkunft von Thunfischen oftmals nicht rückverfolgbar sei.

Ein weiteres potenzielles Problem seien fehlende Fanglimits, so Zucco: „Im Indischen Ozean gibt es für Skipjack keine Begrenzungen, und auch bei der westafrikanischen Küste habe ich Zweifel. Die maledivischen Fänge durchlaufen derzeit den Zertifizierungsprozess für das Öko-Siegel des MSC. Danach müssen regionale Fangmengenbeschränkungen eingeführt und die Einhaltung kontrolliert werden.“ Ein weiteres Problem seien die lebenden Köder, mit denen die Thunfische – sie sind passionierte Fisch(fr)esser – angelockt werden. Die Köderfische hängen nicht an der Angel, sondern sie treiben frei umher. Zucco: „Auf den Malediven werden bis zu 50 verschiedene Arten eingesetzt, darunter auch Rifffische. Auch hier ist ein Management nötig.“

Neben dem Angel-Thunfisch gibt es eine zweite Fangmethode, die aus Sicht des WWF vertretbar ist: das Fischen mit sogenannten Ringwaden ohne Lockbojen. Ringwaden, 120 bis 250 Meter hohe Netze mit einer Länge von bis zu zwei Kilometern, werden um Fischschwärme herum gelegt und der untere Teil des Netzes zusammengezogen. Die Fische sind dann wie in einem überdimensionalen Sack gefangen. Schwärme von erwachsenen Thunfischen sind erst ab 50 Meter Meerestiefe zu finden. Da Thunfische Kannibalen sind, halten sich die kleineren Jungfische von den Erwachsenen fern. Dadurch werden sie nicht mitgefangen.

Weniger selektiv wirken Ringwaden mit Lockbojen (FAD, fish aggregating devices). FADs sind schwimmende Objekte, die den natürlichen Instinkt vieler Fischarten ausnutzen, sich um solche Objekte zu versammeln. Sie locken zunächst kleinere Fische an, auf die die großen Thunfische dann Jagd machen.

Aber nicht nur diese werden durch die versammelten Kleinfische angelockt: Auch Haie und junge Thunfische oder Meeresschildkröten verenden bei den mit FAD bestückten Ringwaden im Netzbeutel. Extrem hohe Beifangraten hat außerdem das Fischen mit mehreren Kilometer langen, mit Haken bestückten Langleinen.

Wer seinen Thunfisch besten Gewissens genießen möchte, achtet am besten auf den Hinweis Rute und Leine/Pole and Line oder greift zu den vereinzelten Thunfischprodukten, die bereits das MSC-Siegel tragen. Der Hinweis auf „treibnetzfrei“ gefangenen Fisch ist übrigens ein Selbstgänger: Große Hochsee-Treibnetze sind seit 1992 weltweit verboten.