Seit Juli müssen sie gekennzeichnet werden, wenn sie in Kosmetika vorkommen

Hamburg. Wer derzeit ein Sonnenschutzmittel kauft, findet auf vielen Verpackungen bei genauer Betrachtung der Inhaltstoffe den Hinweis „nano“. Seit dem 11. Juli müssen diese Kennzeichnung Kosmetika tragen, die winzige Partikel von ein bis 100 Nanometer (nm) Größe enthalten. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar misst 80.000 Nanometer. „Die Kennzeichnungspflicht ist ein Meilenstein“, urteilt Silke Schwartau, bei der Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) für Kosmetika und Lebensmittel zuständig. „Die Risikoforschung zur Nanotechnologie steckt noch in den Kinderschuhen. Gleichzeitig sind schon viele Produkte auf dem Markt. Nun können skeptische Verbraucher Nanoprodukte meiden.“

Unter Kosmetika sind die Winzlinge vor allem in Sonnenschutzmitteln zu finden. Titandioxid (TiO2) ist der meistgenutzte UV-Filter. Der mineralische Stoff ist verträglicher als chemische Alternativen, die die Haut reizen oder Allergien auslösen können. Titandioxid kann die natürliche Hautbarriere nicht durchdringen. Die Kosmetikindustrie verweist auf Studien, die dies auch für die noch besser wirkende Nanovariante belegen, allerdings nur für gesunde Haut. Aber selbst wenn Nanopartikel in vorgeschädigte oder verletzte Haut eindringen oder sogar bis ins Blut gelangen würden, seien keine gesundheitlichen Gefahren zu erwarten, heißt es im Nanoportal des baden-württembergischen Verbraucherministeriums (www.nanoportal-bw.de), das von der Verbraucher Initiative (Berlin) inhaltlich bestückt wird. Zum Verbleib des TiO2 im Körper herrsche jedoch noch Forschungsbedarf.

Nano-TiO2 findet sich sogar in Produkten für empfindliche Haut, die vom deutschen Allergikerbund empfohlen werden. Die neue Kennzeichnungspflicht erlaubt es nun skeptischen Verbrauchern, Nano-Inhaltsstoffe dennoch vorsichtshalber zu meiden. Zumal auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer Stellungnahme aus April 2012 auf Wissenslücken hinwies – „vor allem die Verwendung nanoskaliger Stoffe in verbrauchernahen Sprays sowie die Verarbeitung gesundheitlich nicht unbedenklicher Nanomaterialien in verbrauchernahen Produkten bereitet Sorge“, schrieb das Institut und forderte, den Anteil der Risikoforschung an den öffentlichen Fördergeldern für Nanotechnologie deutlich zu erhöhen.

Als „gesundheitlich nicht unbedenklich“ erwähnt das BfR explizit das TiO2. Im Tierversuch habe der Stoff bei Aufnahme über die Atemluft Krebs auslösen können. Die Verbraucher Initiative gibt auf dem Nanoportal jedoch Entwarnung: Cremes und Lotionen gelangen nicht in die Lunge, und auch der Sprühnebel bei Pumpsprays sei nicht fein genug, um in die tieferen Atemwege und die Lunge vorzudringen.

Bei der Risikobewertung von „hautnahen“ Nanoprodukten geriet vor allem Nanosilber in die Diskussion, dessen antibakterielle Wirkung sich in Körperpflegemitteln und Textilien entfalten soll. Die toxikologischen Eigenschaften der Substanz und damit das Gesundheitsrisiko für Verbraucher seien nicht abschließend geklärt, hieß es nach einem BfR-Expertenworkshop im Februar 2012. Beim Nanosilber sei der pure Nachweis der Substanz bislang so schwierig gewesen, dass Beziehungen zwischen einer Dosis und deren Wirkung kaum zu ermitteln waren. Erst in der jüngsten Zeit habe es hier Fortschritte gegeben.

Generell warnt das Institut vor dem breiten Einsatz von Silber als Keimtöter. Die antibakterielle Wirkung von Silber habe großen medizinischen Nutzen, etwa bei der Behandlung von Brandwunden oder der Bekämpfung von Keimen in Schläuchen und Kathetern. Es seien bereits Krankheitserreger aufgetreten, die gegen Silber resistent sind, so das BfR. Häufig sei dies mit einer Unempfindlichkeit gegen Antibiotika kombiniert. Deshalb könne der Breitband-Einsatz von Silber – „nano“ oder nicht – womöglich auch Antibiotika-Resistenzen fördern.

Die Kollegen vom Umweltbundesamt (UBA) in Dessau, die die Umweltrisiken zu bewerten haben, legten im April dieses Jahres nach: Die Zugabe von Nanosilber bei T-Shirts erhöht deren Ökotoxizität (Giftigkeit für Algen, Fische und andere Umweltindikatoren). Beim Waschen gelange ein Teil des Wirkstoffs mit dem Abwasser in die Kläranlagen und über sie zumindest teilweise in die Umwelt. „Studien, die im Auftrag des UBA durchgeführt wurden, zeigen Effekte auf im Boden lebende Organismen durch nanoskaliges TiO2 und Silber“, heißt es im Datenblatt zum Einsatz von Nanomaterialien in Textilien.

Bei der Kleidung hätten die Verbraucher weniger Furcht vor Nanopartikeln als bei Lebensmitteln und Kosmetika, sagt Silke Schwartau von der VZHH: „Die Kennzeichnung von Kosmetika ist der Vorreiter. Im Dezember 2014 werden die Lebensmittel folgen.“