Schwangeren wird jetzt eine erweiterte Ultraschalluntersuchung angeboten. Vorher spricht der Arzt mit den Eltern über mögliche Konsequenzen

Hamburg. Die Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft sind für werdende Mütter immer ein besonders Erlebnis. Stolz werden die kleinen Bildchen gezeigt, auf der Laien aber kaum mehr als die Umrisse des Kindes erkennen können. Experten hingegen liefern diese Aufnahmen viele Informationen über den Gesundheitszustand des Kindes. Jetzt ist zum 1. Juli eine neue Richtlinie in Kraft getreten, nach der Eltern eine erweiterte Ultraschalluntersuchung (Sonografie) angeboten wird, mit der mehr körperliche Fehlbildungen des Kindes erkannt werden können als bisher.

„Die Sonografie ist eine für Mutter und Kind harmlose Untersuchung. Die Risiken und Nebenwirkungen entstehen durch das, was wir eventuell bei der Untersuchung sehen. Deswegen finde ich auch die weitere Neuregelung wichtig, dass die Eltern in einem Beratungsgespräch darauf hingewiesen werden, dass bei einer solchen Untersuchung auch herauskommen kann, dass das Kind eine Krankheit oder Behinderung hat“, sagt Dr. Thomas Gent, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg. Darüber müssen sich werdende Eltern jetzt im Vornherein bewusst werden und ihre Einwilligung geben, welche Untersuchung sie wünschen.

Beim zweiten Ultraschallscreening hat man künftig die Wahl

Nach wie vor stehen gesetzlich Versicherten während der Schwangerschaft drei Ultraschalluntersuchungen zu, die erste in der 9. bis 12. Schwangerschaftswoche (SSW), die zweite in der 19. bis 22. SSW und die dritte in der 29. bis 32. SSW. Die zusätzlichen Untersuchungen finden beim zweiten Ultraschallscreening statt. Dabei haben Eltern jetzt die Wahl zwischen dem Basisscreening und einer erweiterten Untersuchung.

Beim Basisscreening werden die Lebenszeichen des Kindes überprüft und ob die Fruchtwassermenge in Ordnung ist. Es werden Durchmesser und Umfang von Kopf und Brustkorb gemessen und die Länge des Oberschenkelknochens. „Das Wachstum des Oberschenkels ist ein stabiles Maß für die Entwicklung des Kindes. Wenn er nicht richtig wächst, kann das ein Hinweis auf genetische Erkrankungen wie zum Beispiel das Downsyndrom sein. Der Umfang des Brustkorbes kann sich zum Beispiel vergrößern, wenn durch einen Defekt im Zwerchfell Eingeweide aus dem Bauchraum in den Brustkorb hineindrängen. Bei Fehlentwicklungen des Herzens hingegen kann der Brustumfang abnehmen“, erklärt Gent.

Beim erweiterten Basisscreening wird zusätzlich geprüft, ob Kopf und Hirnkammern normal geformt sind, das Kleinhirn sichtbar ist, Hals und Rücken normal entwickelt und die vier Herzkammern ausgebildet sind, ob das Herz rhythmisch schlägt, die vordere Bauchwand geschlossen ist und Magen und Blase zu sehen sind. „Wenn der Magen zu sehen ist, kann man davon ausgehen, dass er sich füllen kann, und so einen Verschluss der Speiseröhre ausschließen. Ist die Blase gefüllt, müssen auch die Nieren intakt sein, weil sich sonst kein Urin bilden würde“, so Gent.

Diese Untersuchung darf nur von Ärzten durchgeführt werden, die sich einer qualitativen Prüfung bei der Kassenärztlichen Vereinigung unterzogen haben. Überprüft wird auch der Qualitätsstandard des Ultraschallgeräts. Gynäkologen ohne die erforderlichen Voraussetzungen müssen ihre Patientinnen weiterüberweisen. Sie sind aber dazu verpflichtet, die Frauen über die zwei Optionen bei der zweiten Ultraschalluntersuchung aufzuklären. Die Patientin hat dann die freie Wahl.

Dadurch steht sie womöglich vor einer schwierigen Entscheidung: So gibt es Fehlbildungen, die trotz aller Fortschritte unheilbar sind. Will eine Frau ein Kind mit schweren Fehlbildungen nicht austragen, würde man die Ethikkommission der Ärztekammer einschalten, die dann mitentscheidet, ob in diesem Fall ein sogenannter Fetozid durchgeführt wird. Stimmt sie zu, würde das Kind im Mutterleib durch eine Kaliumspritze getötet und die Geburt eingeleitet. „Das ist sehr selten und wird nur in schwersten, nicht mit dem Leben zu vereinbarenden Behinderungen festgestellt“, sagt Thomas Gent.

Ein solcher Fall wäre zum Beispiel ein sogenannter Anenzephalus, bei dem das Gehirn des Kindes so gut wie gar nicht vorhanden ist. Bei einem Verdacht würde die weitere Abklärung in einem spezialisierten Zentrum erfolgen und dann das weitere Vorgehen mit den Eltern besprochen. Wenn diese die Schwangerschaft beenden möchten und die Ethikkommission zustimmt, wird in einem Hamburger Krankenhaus die Geburt eingeleitet. „Aber solche Fälle sind wirklich die Ausnahme. Wenn es eine Behandlungsmöglichkeit gibt, wird die Ethikkommission sicherlich nicht zustimmen“, sagt Gent.

Es gibt aber auch Fehlbildungen, die heute gut behandelbar sind. Als Beispiel nennt Gent die Zwerchfellhernie, einen Defekt im Zwerchfell: „Das war früher etwas, das man hinnehmen musste.“ Dadurch, dass sich Eingeweide in den Brustraum vorschieben, kann sich die Lunge nicht entwickeln, und das Kind stirbt gleich nach der Geburt, weil es nicht genug Lungenoberfläche hat. „Da hat sich die Medizin zum Glück so weit entwickelt, dass es heute schon einige Pränatalmediziner in Deutschland gibt, die diesen Defekt schon im Mutterleib schließen. Oder die durch einen Katheter so viel Gegendruck aufbauen, dass die Lunge eine Chance hat, sich zu entwickeln, und den Kindern so geholfen wird“, so der Frauenarzt. Auch ein Verschluss der Speiseröhre ist behandelbar, ebenso Herzfehler. „Wichtig ist, dass die Fehlbildungen so frühzeitig erkannt werden, dass die Kinder so früh wie möglich in spezialisierten Zentren behandelt werden können“, sagt Gent.

Er betont aber, dass kein Arzt den Eltern – auch nach einer solchen umfassenden Ultraschalluntersuchung – eine Garantie auf ein gesundes Kind ausstellen könne: „Es gibt kein hundertprozentiges Babyfernsehen, in dem jeder Winkel sichtbar ist. Und es wird auch einmal etwas übersehen.“ Ärzte, die dieses neue Screening anbieten, müssten sich darüber klar sein, dass sie damit auch mehr Verantwortung übernehmen.

Und eine bittere Pille müssen alle Frauen schlucken, die jetzt wegen einer Schwangerschaft den Arzt aufsuchen. Denn bisher ist eine direkte Abrechnung der Kosten mit den Krankenkassen nicht möglich. Für die Frauen bedeutet das: Sie müssen für das Beratungsgespräch zwanzig Euro zahlen, für die Untersuchung je nach Aufwand 120 bis 180 Euro und sich die Kosten dann von ihrer Krankenkasse erstatten lassen. „In der kurzen Zeit seit dem 1. Juli habe ich es in meiner Praxis schon zweimal erlebt, dass Eltern gesagt haben, dass sie keine 160 Euro übrig haben, um die Kosten vorzustrecken“, sagt Gent.