Im Krankenhaus Groß Sand werden neue Techniken eingesetzt, um Defekte in der Bauchwand schonend zu behandeln

Hamburg. Zuerst ist es nur ein kleiner Schmerz, später zeigt sich eine kleine Vorwölbung. Das sind typische Zeichen eines Bruches, der sich in der Mittellinie der Bauchdecke oder um den Nabel herum zeigen kann. Häufig sind auch Brüche, die nach vorangegangenen Operationen entstehen, sogenannte Narbenbrüche. Alle haben gemeinsam, dass sich aufgrund einer Bindegewebsschwäche eine Lücke in der Bauchwand bildet, durch die sich Organe aus dem Bauchraum nach außen vorschieben. Risikofaktoren hierfür sind Rauchen, schweres Heben, Leberzirrhose, Chemotherapie, Kortisondauertherapie und Übergewicht.

Weil die Gefahr besteht, dass es dabei zu lebensgefährlichen Einklemmungen kommen kann, müssen diese Brüche, auch Hernien genannt, immer operiert werden. In Deutschland werden pro Jahr allein etwa 60.000 Narbenbrüche operiert.

Bei der Behandlung ist unstrittig, dass Bauchwand- und Narbenhernien mit einer Verstärkung durch Kunststoffnetze operiert werden sollten, da das Risiko von erneuten Brüchen bei mehr als 50 Prozent liegt, wenn der Bruch nur mit einer Naht verschlossen wird. Dabei gibt es unterschiedliche Verfahren. Zum einen gibt es offene Operationen mit einem großen Hautschnitt, durch den die Bruchlücke per Naht verschlossen und ein Netz außerhalb der Bauchhöhle in die Bauchwand gelegt wird. Eine Alternative dazu ist der endoskopische Eingriff über eine Bauchspiegelung, bei dem die Bruchlücke an der Innenseite der Bauchwand durch die Einlage eines Kunststoffnetzes verschlossen wird. „Doch beide Methoden haben spezielle Risiken: Bei den offenen Operationen kommt es leichter zu Infektionen, bei der laparaskopischen OP leichter zu Darmverletzungen, zum Ausriss des Netzes und zu Fremdkörperreaktionen auf das Netz“, sagt Dr. Wolfgang Reinpold, Chefarzt der Chirurgie und des Hernienzentrums am Wilhelmsburger Krankenhaus Groß Sand.

Mögliche Komplikationen bei allen Methoden sind Wundinfektionen, in seltenen Fällen Infektionen des Netzes und Darmverletzungen sowie Wiederholungsbrüche, deren Rate je nach Verfahren nach fünf Jahren zwischen fünf und 15 Prozent liegt.

Um das Komplikationsrisiko zu senken, hat Reinpold mit seinen Kollegen ein Verfahren entwickelt, dass die Vorteile beider herkömmlicher Verfahren miteinander kombiniert. „Wir setzen einen kleinen Hautschnitt direkt über dem Bruchsack und arbeiten dann weiter wie bei einer Endoskopie. Das heißt, wir legen den Bruch mithilfe der Kamera und feinen Instrumenten innerhalb den Schichten der Bauchwand frei. Die Bruchlücke in der Bauchwand wird verschlossen, und durch den kleinen Hautschnitt wird ein Kunststoffnetz geschoben, das außerhalb der Bauchhöhle zwischen dem Bauchfell und der Bauchwandmuskulatur ausgebreitet wird. Über dem Kunststoffnetz wird die Bruchlücke mit Nähten anatomiegerecht verschlossen“, erklärt der Chirurg. Das habe den Vorteil, dass mit minimalen Hautschnitten von maximal vier bis fünf Zentimetern Länge gearbeitet und ein gut verträgliches Kunststoffnetz ohne schmerzhafte Befestigung eingesetzt werde, das außerhalb der Bauchhöhle liege und dort keinen Schaden anrichten könne. Bei großen Brüchen sei ein etwas größerer Schnitt notwendig, der aber immer noch deutlich kleiner sei, als bei einer offenen Operation.

Die Netzgröße ist abhängig von der Bruchgröße. Mit der neuen minimalinvasiven Technik können auch sehr große Netze von 45 mal 30 Zentimetern implantiert werden. Für ausgedehnte Brüche gibt es Netze, die mit einer Größe von 50 mal 60 Zentimetern die ganze vordere Bauchwand bedecken.

Eine andere Methode, die Reinpold ebenfalls selbst entwickelt hat und schon länger einsetzt, ist die sogenannte transperitoneale Methode. Dabei gehen die Chirurgen über eine Bauchspiegelung und einen Schnitt im Bauchfell mit ihren Instrumenten in die hintere Schicht der geraden Bauchmuskulatur, und verschließen dort die Bruchlücke mit einem Kunststoffnetz. Diese Methode kommt allerdings nur infrage für Brüche, deren Durchmesser nicht größer ist als sieben Zentimeter.

Reinpold ist überzeugt davon, das er mit diesen beiden minimalinvasiven Verfahren bessere Ergebnisse erzielt als durch die herkömmlichen Operationsmethoden. Als Bestätigung dafür sieht er einen Vergleich seiner Behandlungsergebnisse mit den durchschnittlichen Ergebnissen in dem deutschen Hernienregister Herniamed von den Jahren 2010 bis 2012: Danach traten bei den in dem Register registrierten 5588 Patienten Komplikationen während des Eingriffs in 2,6 Prozent der Fälle auf. In Wilhelmsburg lag diese Rate bei 0,66 Prozent (bei 303 Patienten). Über chronische Schmerzen klagten ein Jahr nach der Narbenhernien-OP noch 19Prozent der bei Herniamed registrierten 1984 Patienten, bei den 170 Wilhelmsburger Patienten waren es elf Prozent.

Dass seine transperitoneale Methode durchaus mit den herkömmlichen Verfahren mithalten kann, zeigt auch eine Studie, die Reinpold zusammen mit Kollegen des Universitätsklinikums durchgeführt hat und deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Surgical endoscopy“ veröffentlicht wurden. Darin wurden 43 Patienten, die nach der neuen Methode operiert wurden, mit 50 Fällen verglichen, die mit einer herkömmlichen offenen Operation behandelt wurden. Dabei zeigte sich, dass die OP-Zeit bei dem laparaskopischen Eingriff etwas länger war, aber die Patienten nach der Operation unter weniger Schmerzen litten und eher aus der Klinik entlassen werden konnten. Alle anderen Ergebnisse, wie zum Beispiel das Auftreten von Komplikationen nach der Operation oder chronischer Schmerzen, zeigten keine wesentlichen Unterschiede.