Bochum. Mindestens 800 chemische Substanzen aus dem Alltag gehören zu den sogenannten Endokrinen Disruptoren. Sie greifen laut der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in das Hormonsystem ein und können schwere Stoffwechselstörungen verursachen. Meist befinden sich diese Stoffe in Kunststoffverpackungen, Kosmetika, Pestiziden, elektronischen Geräten oder auch in der Nahrung. Führende Wissenschaftler haben nun in einer an die Europäische Union gerichteten Deklaration strengere Regularien für die industrielle Verwendung dieser Chemikalien und mehr Forschung gefordert.

Die schädigende Wikung der Substanzen addiert sich über die Zeit

Aus ersten Forschungen wisse man bereits, dass Endokrine Disruptoren starke Auswirkungen haben können. Manche von ihnen wirken wie Hormone und binden im Körper an einen Hormonrezeptor. Andere blockieren einen Hormonrezeptor und verhindern so, dass körpereigene Hormone andocken und wirksam werden können. Wieder andere stören die Produktion oder die Umwandlung körpereigener Hormone, wobei die Hormonspiegel im Blut steigen oder sinken. Auch bei der Entwicklung des kindlichen Nervensystems spielen sie vermutlich eine große Rolle, so Prof. Helmut Schatz, Pressesprecher der DGE. Sie können zu Genitalmissbildungen bei Jungen führen, die Samenbildung stören, die Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) bei Kindern fördern und bei Krebsformen von Prostata, Brust und Schilddrüse beteiligt sein.

89 führende Wissenschaftler haben nun in einer Deklaration an die Europäische Union ihre Forderungen zum Umgang mit Endokrinen Disruptoren formuliert. In der „Berlaymont Declaration“ bemängeln die 89 internationalen Forscher, dass für eine ganze Reihe solcher verdächtiger chemischer Substanzen keine Testmethoden zur Verfügung stünden. Außerdem würden bei den testbaren Substanzen die derzeit effektivsten Methoden nicht angewendet. Besonders besorgniserregend sei in den aktuellen Regularien die Einschätzung, dass niedrige Belastungsmengen mit diesen Stoffen ungefährlich seien. „Eine große Zahl der Endokrinen Disruptoren beginnt schon bei kleiner Dosis zu wirken“, erläutert Schatz. Es bestehe nämlich kein Schwellenwert, unter dem die Substanzen ungefährlich sind: Ihre schädigende Wirkung addiere sich über längere Zeiträume.