Kinder mit Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) können emotionale Erinnerungen in der Nacht schlechter festigen als gesunde Kinder.

Kiel. Welche Rolle spielt der Schlaf bei Kindern mit einer Aufmerksamkeitsstörung (ADHS)? Forscher in Kiel haben sich in einer neuen Studie auf die Zusammenhänge zwischen Schlaf und Gedächtnis konzentriert. Dabei kam unter anderem heraus: Kinder mit ADHS können emotionale Erinnerungen in der Nacht schlechter festigen als gesunde Kinder, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“.

Sie vermuten, dass dieses Phänomen etwas mit der nächtlichen Verarbeitung von Reizen im Stirnhirn (Frontaler Cortex) zu tun hat. Von ADHS-Patienten ist bekannt, dass sie neben der Kernsymptomatik auch relativ häufig durch eine emotionale Instabilität belastet sind.

Schon seit längerer Zeit gebe es die Idee, dass der Schlaf bei Kindern mit einer Aufmerksamkeitsstörung verändert ist, berichtet Alexander Prehn-Kristensen, Leiter für Psychophysiologische Forschung an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Kiel). „Wir haben uns deshalb auf den Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnis konzentriert“, ergänzt der Psychologe. „Die Idee war, dass Kinder mit ADHS nicht nur am Tag eine Unterfunktion im Stirnhirn haben, sondern auch in der Nacht. Und dass sie deshalb im Vergleich zu anderen Kindern Probleme haben, Gedächtnisinhalte zu konsolidieren.“

Für die Studie bekamen 16 Jungen im Alter zwischen neun und zwölf Jahren mit ADHS vor dem Schlafengehen rund 140 Bilder gezeigt. Auf der Hälfte der Fotos waren Motive wie gefährliche Tiere zu sehen, die Emotionen auslösen. Die andere Hälfte bestand aus Abbildungen von harmlosen Gegenständen wie zum Beispiel einem Regenschirm. In den beiden Kontrollgruppen mit gesunden Probanden absolvierten 16 gleichaltrige Kinder und 20 Erwachsene im Alter zwischen 20 und 28 Jahren die Versuche.

Emotionale Reize wie Bilder mit Tigern oder Löwen würden vom Gedächtnis bevorzugt verarbeitet, erläutert Prehn-Kristensen. „Die vergisst man nicht so schnell wie Bilder von einem Baum, Hammer oder einem Regenschirm.“ Am nächsten Morgen testeten die Forscher, an welche Motive sich die Kinder und Erwachsenen in einer neuen Auswahl von Bildern erinnern konnten. Die gesunden Kinder konnten sich beinahe an alle Bilder, die Emotionen auslösten, korrekt erinnern und vergaßen eher harmlose Motive.

Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung hingegen vergaßen emotionale wie harmlose Motive gleichermaßen. Das passierte aber auch den Erwachsenen in der Kontrollgruppe. Die Forscher führten denselben Versuch daraufhin auch tagsüber durch. Hier zeigen sich keine bedeutsamen Gruppenunterschiede.

Bleibt also die Schlafphase als Rätsel. Prehn-Kristensen geht nun davon aus, dass die Frontalhirnaktivität bei Kindern mit einem Aufmerksamkeitsdefizit anders mit der Gedächtnisleistung zusammenhängt als bei gesunden Kindern. „Wo genau das Problem liegt, können wir noch nicht sagen. Aber es könnte damit zusammenhängen, dass Verbindungen des Frontal Cortex zu anderen gedächtnisrelevanten Regionen gestört sind.“

Das allein hilft aber noch nicht weiter. „Leider trifft ADHS viele Hirnbereiche“, sagt der Kieler Wissenschaftler. „Aber beim Frontalhirn kennen wir nun den Zusammenhang mit Schlaf.“ Ob das aber auch der kausale Grund für die Aufmerksamkeitsstörung sei, bleibe unklar. „Wir haben eine Reihe von Versuchen geplant und wollen schauen, ob aus diesem Fragezeichen ein Ausrufezeichen wird“, sagt Prehn-Kristensen.