Die WHO warnt vor dem Erreger, der dem der Lungenseuche SARS ähnelt. Für Deutschland besteht laut Experten aber zurzeit kein erhöhtes Risiko.

Genf. Angesichts von mehr als 20 Todesfällen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eindringlich vor dem neuen Coronavirus gewarnt. Unter allen Problemen mache ihr dieser Erreger „derzeit die größten Sorgen“, sagte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan. „Das neue Coronavirus ist eine Gefahr für die ganze Welt.“ Es ähnelt dem SARS-Erreger, an dem vor zehn Jahren mehr als 900 Menschen starben.

Der WHO wurden seit September 2012 aus acht Ländern insgesamt 44 bestätigte Infektionen mit dem neuen Erreger (MERS-CoV) gemeldet. 23 Betroffene – unter ihnen ein in Deutschland behandelter Patient – starben an den Folgen der Krankheit, die Atemwegsprobleme auslösen und unter anderem zu lebensgefährlichen Entzündungen der Lunge führen kann. Zuletzt wurde Dienstag der erste Todesfall in Frankreich bekannt: Bei dem 65 Jahre alten Mann aus Lille war nach einer Saudi-Arabien-Reise die Infektion festgestellt worden. Betroffen sind bisher meist Männer; das Alter der Patienten liegt zwischen 24 und 94 Jahren.

„Gemessen an den potenziellen Gefahren wissen wir zu wenig über dieses Virus“, sagte Chan laut WHO-Mitteilung zum Abschluss der 66. Weltgesundheitsversammlung am Montag. „Keine neue Krankheit ist unter Kontrolle, die sich rascher entwickelt als unser Verständnis davon.“ Die Staaten müssten gemeinsam auf diese „Alarmglocke“ reagieren: „Das neue Coronavirus ist nicht ein Problem, das ein einzelnes Land allein für sich lösen kann.“

Laut der letzten Aktualisierung der WHO-Statistik zum neuen Coronavirus (23. Mai) wurden bestätigte Ansteckungen vor allem im Nahen Osten registriert – in Saudi-Arabien, Jordanien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Allein die Gesundheitsbehörden Saudi-Arabiens meldeten demnach 22 Erkrankungen mit zehn Todesfällen. Dem Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin zufolge sind alle bisherigen Fälle direkt oder über einen anderen Patienten mit der Arabischen Halbinsel verbunden. Deshalb wird das Virus, das zunächst „novel Coronavirus“ genannt wurde, nun als „Middle East respiratory syndrome coronavirus“ (MERS-CoV) bezeichnet. Wegen der gehäuften Fälle in dieser Region, aber auch weil Infektionen bisher nur sporadisch aufgetreten sind, spricht einiges für Tiere als Quelle – bisher ist der Ursprung aber nicht bekannt.

Es sei zwar davon auszugehen, dass das neue Coronavirus bei einem sehr engen Kontakt zu Erkrankten auch von Mensch zu Mensch übertragbar sei, so das RKI. In Deutschland gebe es aber keinen Hinweis, dass dies schon kontinuierlich geschehen sei, dass also Patienten, die von der noch unbekannten Quelle infiziert wurden, weitere Menschen angesteckt hätten.

In München war ein 73-jähriger Patient aus den Vereinigten Arabischen Emiraten behandelt worden; er starb an den Folgen der Coronavirus-Infektion. Etwa 50 Menschen, die mit ihm Kontakt hatten, werden noch überwacht. Dem RKI zufolge gibt es bisher aber keine Hinweise, dass in München andere Menschen angesteckt worden sind. In Essen war ein Patient behandelt worden, der aus Katar stammt; er wurde inzwischen entlassen. Eine abgeschlossene Untersuchung von Kontaktpersonen habe keine Hinweise ergeben, dass es vor Ort zu weiteren Infektionen gekommen sei, so das RKI. Zusammenfassend kommt das Institut zu dem Schluss, dass in Deutschland derzeit „kein erhöhtes Risiko für Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung“ bestehe.

Auch in Frankreich und in Großbritannien waren Infektionen mit dem neuen Erreger gemeldet worden. Ein Patient in Großbritannien, der sich vor seiner Erkrankung in Saudi-Arabien aufgehalten hatte, hat wohl zwei Angehörige angesteckt.

Dem Auswärtigen Amt zufolge sieht die WHO bisher keinen Grund, Reisen in Länder der Arabischen Halbinsel und in angrenzende Länder einzuschränken. Nach Einschätzung des europäischen Center for Disease Control ist das Risiko gering, sich in diesen Ländern mit dem neuen Virus anzustecken.