Jeder Deutsche besitzt heute 13 Kugelschreiber, sagt die Statistik. Aber wer weiß schon, dass dieses höchst alltagstaugliche Schreibgerät erst vor 75 Jahren erfunden wurde? Und sein Erfinder nicht mal reich wurde?

Das Erfinder-Gen lag dem Ungarn im Blut. Schon sein Vater, ein Zahnarzt, hatte manch neues Werkzeug für seine medizinische Praxis kreiert. László József Bíró brach schließlich sein Medizinstudium ab und versuchte sich als Versicherungsmakler, als bildender Künstler, als Autorennfahrer und Konstrukteur. 1932 entwickelte er ein Automatikgetriebe. Das Patent verkaufte er an General Motors, die es aber nie verwendeten. Schließlich wurde der Erfinder Journalist und arbeitete in seiner Heimatstadt für die Wochenzeitung „Elöre“ („Vorwärts“).

Probleme mit den altbekannten Schreibutensilien waren damals lange bekannt, Bleistifte mussten ständig gespitzt werden, und beim Gebrauch von Füllfederhaltern drohten Tintenflecke. „Die Tinte macht uns wohl gelehrt, doch ärgert sie, wo sie nicht hingehört. Geschrieben Wort ist Perlen gleich; ein Tintenklecks ein böser Streich“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe.

Wann und wie Bíró auf die Idee zur Entwicklung eines Kugelschreibers gekommen ist, darüber gibt es mehrere Versionen. Entweder sei seine Tochter von Klassenkameraden geärgert worden, die ihre Haarspitzen in ein Tintenfass getunkt hätten, oder – gemäß einer anderen Version – soll der Vater die Kleine beim Murmelspiel beobachtet haben. Als die Kugeln durch eine Pfütze rollen, hinterlassen sie eine gut sichtbare Spur auf dem Boden. Am wahrscheinlichsten klingt die Geschichte, der Besuch einer Druckerei habe ihn inspiriert: Analog zur Rotationswalze denkt er an einen Stift, der mit einer Kugel versehen die Farbe aufs Papier bringt.

Dafür benötigt der Tüftler eine Tinte, die nicht eintrocknet und gleichzeitig feste sowie flüssige Bestandteile enthält. Bei der Entwicklung helfen ihm sein Bruder György, ein Chemiker, sowie der Schreibmaschinenfabrikant Andor Goy. In jahrelangen Versuchen bastelt Bíró einen nachfüllbaren Kugelschreiber, dessen technisches Prinzip immer noch gültig ist: Am Ende einer mit zähflüssiger Tinte gefüllten Mine befindet sich eine bewegliche Kugel aus Keramik (heute meist Wolframcarbid). Streicht der Kugelschreiber über ein Blatt, nimmt die sich drehende Kugel auf der einen Seite Tinte auf und gibt sie auf der anderen wieder ans Papier ab.

Wird der Stift nicht benötigt, gelangt die Mine über einen Mechanismus wieder ins Gehäuse zurück. 1938 meldet Bíró die Konstruktion zum Patent an, bald kommen die ersten funktionsfähigen Stifte unter dem Namen Go-Pen auf den Markt.

Dabei war das Prinzip eines Kugelschreibers nicht komplett neu. Bereits Galileo Galilei soll eine Art Kugelschreiber entworfen haben, ein weiteres Schreibgerät mit eigener Tinte präsentierte 1873 der aus England in die USA eingewanderte Alonzo Townsend Cross. Auch Gerbermeister John J. Loud entwarf dort 1888 einen Ledermarker mit fünf Kugeln. Allerdings existierten diese Kugelschreiber-Vorläufer nur als Prototypen und wurden nie in Serie produziert.

Nicht anders erging es 1906 dem kroatischen Erfinder Slavoljub Eduard Penkala. Sie alle waren an der Tinte gescheitert, die entweder die Schreibgeräte verklebte oder auf dem Papier verlief. Dieses Problem hatte Bíró erkannt und tüftelte an einer Lösung. „Für unsere Experimente war es dringend notwendig, verschiedene Tinten auszuprobieren“, sagte er einmal rückblickend.

Der jüdischstämmige Erfinder verließ Ungarn am 31. Dezember 1938, einen Tag vor Inkrafttreten eines neuen Gesetzes der regierenden Nationalisten, das die Mitnahme von Patenten ins Ausland untersagte. Zunächst suchte er mit seiner Familie Zuflucht in Frankreich, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen ging er nach Argentinien. Zuvor hatte er zufällig den damaligen Präsidenten Agustín Pedro Justo kennengelernt, der ihn ermutigt hatte, ins Land zu kommen. In Südamerika erneuerte Bíró am 10. Juni 1943 sein Patent und gründete die Kugelschreiberfabrik Eterpen. Unter dem Namen Birome wurden jährlich sieben Millionen Kulis hergestellt.

Der endgültige Durchbruch für den Kugelschreiber begann mit dem britischen Geschäftsmann Henry George Martin. Er erkannte in ihm das ideale Schreibwerkzeug für Flugzeugbesatzungen, denn die bis dahin benutzten Füller liefen unter niedrigem Luftdruck in großer Höhe aus. Martin kaufte Bíró die Patentrechte ab und begann im südenglischen Reading mit der Produktion von Kugelschreibern. Schon im ersten Jahr verkaufte Martin gemeinsam mit seinem Partner Frederick Miles 30.000 Stück an die Royal Air Force. Auch amerikanische Fliegerbesatzungen wurden mit den neuen Schreibutensilien ausgerüstet.

Um einem Streit wegen der Patentrechte für die USA zu entgehen, baute der Amerikaner Milton Reynolds den Kugelschreiber leicht modifiziert nach und brachte ihn ab 1945 in den Handel. Von „Reynold`s Rocket“ wurden in wenigen Tagen rund 100.000 Stück verkauft, obwohl sie mit 8,50 Dollar etwa anderthalbmal so teuer wie Füllfederhalter waren. Der Nachbau wies jedoch Qualitätsmängel auf, und aufgrund der andauernden Retouren ging der Hersteller in Konkurs.

Doch den globalen Siegeszug des revolutionären Schreibgeräts konnte das nicht aufhalten. Etliche Unternehmen begannen mit der Fertigung ohne Lizenz, obwohl die Rechte bei Martin lagen. Für Europa nahm sie schließlich die Biro Patente AG im schweizerischen Zug wahr und kassierte von den Herstellern bis zum Auslaufen des Patents 1965 Lizenzgebühren in Millionenhöhe. In Deutschland kosteten die ersten Kuli-Modelle nach dem Krieg etwa 20 Mark.

1950 erwarb der französische Baron Marcel Bich ebenfalls Patentrechte und taufte seinen neuen Stift Bic – als besser klingende Namensvariante. Mit dem preisgünstigen Kuli aus Plastik stieg die Firma zum weltgrößten Kugelschreiberhersteller auf, bis heute wurden über 80 Milliarden Stück verkauft. Seit 1972 brachten die Franzosen neben den Wegwerfschreibern erstmals auch bunte Einwegfeuerzeuge auf den Markt.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Kugelschreiber zudem als beliebter Werbeträger etabliert.

Als eine moderne Sage gilt, dass die Nasa für eine Million Dollar einen speziellen Kugelschreiber entwickeln ließ, der sogar im Weltraum unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit funktioniert, während die Sowjetunion einen einfachen Bleistift benutzte.

Tatsächlich konstruierte der Amerikaner Paul Fisher bereits 1965 einen „Space Pen“, allerdings ohne Nasa-Auftrag. Die Mine bestand aus einem versiegelten Druckbehälter mit Spezialtinte, die selbst mit nach oben gerichteter Schreibspitze und unter Wasser schreiben konnte.

Massenware gibt es mittlerweile schon für weniger als 20 Cent pro Stück, edle Schreibgeräte von Luxusherstellern wie Montblanc oder S.T. Dupont können ein paar Hundert Euro kosten. Der zurzeit teuerste Kugelschreiber der Welt ist für stattliche 190.000 Euro zu haben. Dafür bietet Schmuckdesigner Butani 18 Karat Gold (750er) und 1816 Diamanten. Übrigens reicht die Mine eines herkömmlichen Kugelschreibers für eine Linie von 2,5 bis drei Kilometern – damit können rund 100 DIN-A4-Seiten eng beschrieben werden.

Biró blieb sein Leben lang Tüftler und entwarf nach dem gleichen Kugelprinzip ein Parfüm, einen Vorläufer des Deo-Rollers. Die Serienherstellung scheiterte ebenso wie sein Fieberthermometer und Blutdruckmesser fürs Handgelenk. Reich ist er mit der Erfindung des Kugelschreibers aber nicht geworden, vermutlich hat er sein Patent zu früh verkauft. In einem seiner letzten Interviews vor seinem Tod sagte er: „Mein ‚Spielzeug‘ hat der argentinischen Staatskasse 36 Millionen Dollar eingebracht.“ Trotzdem war er nicht verbittert. Seinen bescheidenen Lebensabend verbrachte er in seiner Wahlheimatstadt Buenos Aires. Er widmete sich der Malerei und dem Schreiben seiner Memoiren, die aber nie veröffentlicht wurden.

„Er wollte einen preiswerten Schreiber, den sich jeder leisten konnte. Sein Traum ging in Erfüllung“, sagt Bírós Tochter Marina, „er durfte erleben, wie der Kugelschreiber auf der ganzen Welt benutzt wird, und starb als zufriedener Mann.“ Ihm zu Ehren wurde wenigstens in einigen Ländern der Kugelschreiber benannt: In Großbritannien und Italien heißen die Stifte Biro, in Frankreich Biron, in Spanien Birome. Der Erfinder starb 1985 mit 86 Jahren.