US-Forscher züchteten embryonale Stammzellen aus dem Erbgut einer Hautzelle mit dem Ziel, neuartige Therapien zu entwickeln

Beaverton. In den USA wurde dieser Tage Wissenschaftsgeschichte geschrieben: Forscher von der Oregon Health and Science University in Beaverton haben menschliche embryonale Stammzellen durch Klonen hergestellt. 17 Jahre nach Klonschaf Dolly, neun Jahre nach den gefälschten Klonen von menschlichen Stammzellen in Südkorea und sechs Jahre nach dem wahrhaftigen Klonen von Rhesusaffen gelingt dem Team um den Zellbiologen Shoukhrat Mitalipov der große Coup: Es hat die Kerne von menschlichen Hautzellen in Spendereizellen verpflanzt und so geklonte embryonale Stammzellen erschaffen, wie die Forscher im Fachmagazin „Cell“ schreiben. Daraus könnte man theoretisch alle möglichen Arten von Klon-Organen züchten, die exakt auf den Zellkernspender passen.

Der Traum vom persönlichen Organersatzteillager spaltet zwar die Wissenschaft, wird aber vielerorts schon lang gehegt. Bereits vor 17 Jahren, nach der Geburt des Klonschafs Dolly, galt das Klonen von Menschenzellen als große Hoffnung. Chronische und unheilbare Krankheiten wie Parkinson oder Chorea Huntington sollten damit irgendwann heilbar werden.

Entsprechend eifrig versuchten Wissenschaftler weltweit, das sogenannte therapeutische Klonen auch bei anderen Tieren und beim Menschen erfolgreich umzusetzen. Dafür braucht man zunächst zwei Dinge: Den Kern einer Spenderzelle – beispielsweise aus der Haut – und eine entkernte, unbefruchtete Eizelle. Fusioniert ergeben diese beiden Komponenten eine neue Zelle mit besonderen Fähigkeiten: Sie enthält zwar die genetischen Eigenschaften der Hautzelle, befindet sich aber nun in einem embryonalen Stadium. In dieser frühen Phase können sich Zellen noch in alle möglichen Richtungen entwickeln.

Entsprechend kann die Klonzelle zur Nerven-, Leber- oder Bauchspeicheldrüsenzelle werden, je nachdem, mit welchen Wachstumsfaktoren sie versetzt wird. Und sie könnte, sofern man sie weiter wachsen und sich teilen lässt, zu einem lebensfähigen Organismus werden. Oft war diese Fortentwicklung aber mehr Theorie als Praxis. Während das Klonen von Nutztieren wie Rindern und Schafen mit den Jahren immer alltäglicher wurde, stellte das Klonen von Primaten und Menschen eine bleibende Herausforderung dar. Die gewonnenen Stammzellen waren oft voller genetischer Defekte und damit weit entfernt von einem therapeutischen Nutzen.

Zwischenzeitlich hieß es sogar, das therapeutische Klonen sei bei Primaten und Menschen gar nicht anwendbar. Das änderte sich 2005, als sich der Südkoreaner Woo Suk Hwang von der Universität in Seoul für das erfolgreiche therapeutische Klonen beim Menschen feiern ließ. Doch stellte sich heraus, dass Hwang gelogen hatte – die Studiendaten waren gefälscht und die Hoffnung auf Organe durch therapeutisches Klonen erst einmal gestorben.

Erneute Zuversicht brachten bald neue Studienergebnisse, die zwar nicht ganz so spektakulär, aber im Nachhinein wegweisend waren: 2007 gelang es erstmals, Stammzellen von Rhesusaffen herzustellen. Bereits damals steckte der jetzt gefeierte Forscher aus Beaverton dahinter: Shoukhrat Mitalipov. Die damals gesammelten Erkenntnisse halfen sicher bei der aktuellen Studie. „Frische, ausgewachsene Eizellen des Menschen sind nur schwer zu bekommen. Durch die Erfahrungen vorangehender Studien konnten die Forscher sicherstellen, dass sie dieses rare Gut möglichst effizient nutzen“, sagt Natalie DeWitt, Molekularbiologin vom California Institute for Regenerative Medicine in San Francisco. Das würde auch erklären, wie es den Zellbiologen gelang, ihre Methode innerhalb kürzester Zeit zielsicher beim Menschen umzusetzen.

So wussten sie, dass Eizelle und Hautzellkern am besten mithilfe des Sendai-Virus und elektrischer Spannung zu verknüpfen seien. Und wie viel Koffein sie zu dem neuen Zellgemisch geben mussten, um eine vorzeitige Aktivierung der Eizelle zu verhindern. Dies trug dazu bei, dass die Forscher bereits kurz nach Beginn ihrer Experimente erfolgreich waren. Erst im September 2012 hatten sie damit begonnen, Eizellen von freiwilligen Spendern mit den Zellkernen von Hautzellen zu fusionieren. Schon im Dezember entwickelten sich vier der geklonten Embryonen weiter.

Diese Stammzellen ließen die Wissenschaftler erst einmal wachsen. Nach sieben Tagen waren daraus Kolonien mit etwa 150 Stammzellen entstanden. Danach stoppten die Forscher das Wachstum. Schließlich galt es nicht, einen Menschenklon zu schaffen, sondern embryonale Stammzellen, die irgendwann der Regeneration von Organen dienen könnten. Entsprechend positiv fallen die Reaktionen vieler Wissenschaftler weltweit aus. „Die Arbeit ist als wissenschaftlich hochwertig einzuschätzen und hatte sich bereits abgezeichnet“, urteilt die Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Elisabeth Knust.

Die DFG würde die Entwicklung weiterverfolgen und das Für und Wider der Methode sorgfältig abwägen. Denn natürlich birgt das therapeutische Klonen auch Gefahren. Kritiker wenden ein, dass der Mensch nun das Werkzeug zur Hand habe, um sich selbst zu klonen. Schließlich könne man die embryonalen Stammzellen weiter wachsen lassen, bis ein Fetus oder sogar ein Baby daraus entstünde. Ob das aber überhaupt möglich ist, darüber ist sich die Forschergemeinde zu einem solch frühen Zeitpunkt noch uneins.

„Theoretisch könnte der Embryo natürlich in die Gebärmutter eines Menschen eingesetzt werden. Von den Tierexperimenten wissen wir aber, dass solche Feten und Kinder normalerweise schwere gesundheitliche Probleme haben, sodass sie kurz nach ihrer Geburt sterben“, sagt DeWitt. Deswegen würde kein rechtschaffener Arzt geklonte Embryonen in eine Gebärmutter implantieren. Doch auch wenn man dies unterlässt, bleibt eines ethisch problematisch: Würden Organe mithilfe des therapeutischen Klonens gezüchtet, so würden dafür Embryonen getötet. Deshalb erscheint es wahrscheinlicher, dass man die Organzüchtung eher mit einer weiter fortgeschrittenen Stammzellmethode vorantreibt: der Rückprogrammierung von erwachsene in embryonale Stammzellen.