Frühjahrsmüdigkeit ist keine Krankheit. Viel Obst und Bewegung helfen schon. Richtige Ernährung gibt neue Energie.

Hamburg. Noch hat uns der Winter mit seinen Minustemperaturen voll im Griff. Doch allmählich zeigen sich in der Natur zaghaft die ersten Vorboten des Frühlings. Für viele ist das ein Zeitpunkt des Aufatmens, des Gefühls neuer Energie. Doch es gibt auch Menschen, die gerade in diesen Zeiten alles andere als frisch und energiegeladen sind, sondern im Gegenteil von lähmender Müdigkeit gepackt werden. Sie fühlen sich ständig matt und erschöpft, sind leicht reizbar, können sich schlecht konzentrieren und haben Schwierigkeiten, in ihrem Beruf die gewohnte Leistung zu erbringen - sie leiden unter der Frühjahrsmüdigkeit.

Dieser Zustand kann zwar sehr belastend sein. "Aber eine Erkrankung im medizinischen Sinne ist es nicht. Wir sprechen von einer Befindlichkeitsstörung. Sie lässt sich nicht durch Studien wissenschaftlich messen oder beweisen, sondern beruht eher auf einer Art Erfahrungsmedizin", sagt Dr. Jörg Putensen, Schlafmediziner und Oberarzt der medizinischen Klinik im Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg. Das Phänomen sei weit verbreitet wie auch andere Befindlichkeitsstörungen, für die es allerdings bis heute keine wissenschaftlichen Beweise gebe. Als Beispiel nennt er die Wetterfühligkeit oder das vermehrte Auftreten von Schlafstörungen bei bestimmten Mondphasen.

Besonders anfällig für die Frühjahrsmüdigkeit sind zum einen Menschen, die zu einem niedrigen Blutdruck neigen, zum anderen sind es Menschen, die besonders stressempfindlich sind und auch häufiger unter anderen Befindlichkeitsstörungen wie beispielsweise Schlafstörungen oder Gereiztheit leiden.

Auch wenn es sich nicht um eine Krankheit handelt, medizinische Erklärungsmodelle für die Frühjahrsmüdigkeit gibt es schon. Dabei scheinen vor allem die Hormone eine wichtige Rolle zu spielen, ganz besonders das Serotonin. Es ist eine stimulierende, euphorisierende Substanz, die auch gern als Glückshormon bezeichnet wird und vermehrt unter dem Einfluss von Licht in unserem Körper gebildet wird. "Eine Überlegung ist, dass unsere Serotoninspeicher in der langen dunklen Jahreszeit aufgebraucht werden, sodass sie zu Beginn des Frühjahrs leer sind. Dann brauchen die Speicher in der Sonne des Frühjahrs erst wieder eine gewisse Zeit, um sich zu füllen", sagt Putensen. Ein anderes Hormon hingegen, das Schlafhormon Melatonin, wurde während der dunklen Wintertage im Übermaß gebildet, sodass man sich müde und erschöpft fühlt.

Ein anderes Erklärungsmodell: "Durch die steigenden Temperaturen im Frühjahr kommt es zu Erweiterungen der Blutgefäße. Das hat zur Folge, dass der Blutdruck abfällt, und man fühlt sich matt und müde, wie viele Menschen, die unter niedrigem Blutdruck leiden", erklärt Putensen.

Üblicherweise beginnt die Frühjahrsmüdigkeit in den ersten Frühjahrstagen Mitte März und kann dann zwischen zwei und vier Wochen anhalten. Allerdings sollte man nicht jede Erschöpfung als Frühjahrsmüdigkeit abtun. "Wenn sie in dieser Zeit auftritt, wird sie oft als Frühjahrsmüdigkeit interpretiert - und möglicherweise auch fehlgedeutet. Denn es können auch Krankheiten dahinterstecken, die mit Müdigkeit einhergehen. Dazu gehören zum Beispiel Erkrankungen wie die Blutarmut, Infektionen, Depression oder eine Unterfunktion der Schilddrüse, aber auch die Schlafapnoe, das krankhafte Schnarchen mit nächtlichen Atemaussetzern, das typischerweise mit Müdigkeit am Tage einhergeht und nicht saisonabhängig ist", warnt der Internist. Er empfiehlt deswegen, jede Müdigkeit, die länger als zwei bis vier Wochen anhält und über den Frühlingsanfang hinaus besteht, beim Hausarzt abklären zu lassen.

Sollte es sich wirklich nur um eine Frühjahrsmüdigkeit handeln, rät Putensen, sich auf keinen Fall in der Wohnung zu verkriechen, sondern möglichst viel an die frische Luft zu gehen. "Selbst wenn der Himmel bedeckt ist, bekommt man draußen immer noch mehr Helligkeit ab als im beleuchteten Wohnzimmer.

Am besten ist es, wenn man den Aufenthalt im Freien dann noch mit regelmäßiger Bewegung kombiniert. Ideal sind Ausdauersportarten, wie zum Beispiel längere Spaziergänge, Joggen, Radfahren oder Tennisspielen." Auch die richtige Ernährung kann dabei helfen, sich fitter zu fühlen und mit mehr neuer Energie in den Frühling zu starten: leichte Kost mit viel frischem Obst und Gemüse.