Hamburger Wissenschaftler berechnen eine klimabedingte Verdopplung der Cyanobakterien bis 2098. Ökosystem in Schieflage.

Hamburg. Die Zahl der Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, könnte sich in der Ostsee im Zuge des Klimawandels womöglich verdoppeln. Das haben Wissenschaftler des KlimaCampus der Universität Hamburg berechnet. "Unsere Ergebnisse zeigen bei zunehmenden Wassertemperaturen nicht nur eine verlängerte jährliche Wachstumsphase, sondern auch mehr als zweimal so viel Algenbiomasse bis zum Ende des Jahrhunderts", berichtet Prof. Inga Hense. Mögliche Folgen: plötzliche Algenblüten, unangenehm für den Tourismus und zum Teil gesundheitsschädlich. Darüber hinaus könnten auch andere Arten boomen und das Ökosystem in Schieflage bringen, weil die Blaualgen das umgebende Meerwasser mit wachstumsförderndem Stickstoff anreichern.

Nach den Berechnungen der Klimaforscher vermehren sich die Einzeller wie erwartet aufgrund der steigenden Wassertemperaturen. Bisher hatte man den Wachstumsschub durch den Klimawandel jedoch deutlich niedriger eingeschätzt: "Für Prognosen biologischer Systeme müssen auch nichtlineare Effekte berücksichtigt werden. Das macht die Berechnungen aufwendiger", so Hense. Die Biologin und ihr Team hatten zusammen mit Kollegen vom Swedish Meteorological and Hydrological Institute deshalb ein physikalisches Klimamodell mit einem biologischen Modell gekoppelt und dabei erstmals den kompletten Lebenszyklus der Cyanobakterien abgebildet.

Entscheidend ist offenbar auch die Abfolge von kalten und warmen Wintern: "Halten wir alle Eckdaten im Modell konstant, ergeben sich dennoch unterschiedliche Zuwachsraten - je nachdem, wie sich die Kälteperioden aneinanderreihen und die Produktivität der Einzeller beeinflussen", sagt Hense. Verglichen hatten die Wissenschaftler die Zunahme einer gegebenen Blaualgenpopulation über einen Zeitraum von jeweils 30 Jahren - unter den Bedingungen von 1969 bis 1998 und unter Rahmenbedingungen, die uns voraussichtlich von 2069 bis 2098 mit zunehmender globaler Erderwärmung erwarten. Im nächsten Schritt wollen die Forscher horizontale Meeresströmungen, mit denen die Algen verdriften, in ihre Berechnungen einbeziehen.