Die Kapernaum-Kirche in Horn könnte bald ein islamisches Gotteshaus sein. Kein Einzelfall, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.

Hamburg. Wenn die ehemalige evangelische Kapernaum-Kirche in Horn demnächst in eine Moschee umgewandelt wird, ist das für Hamburg ein beispielloser Vorgang. Der Halbmond tritt an die Stelle des Kreuzes, der Imam an die des Pastors, Allah ersetzt die heilige Dreieinigkeit - für viele Hamburger eine schwer erträgliche Vorstellung. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass die 1958 bis 1961 von Otto Kindt im Stil der Nachkriegsmoderne errichtete Kapernaumkirche schon seit 2004 nicht mehr für Gottesdienste genutzt wird.

Die Umwandlung von Kirchen in Moscheen ist in der Geschichte schon oft vorgekommen, wie übrigens auch der gegenteilige Fall. Man stelle sich einmal vor, von der gewaltigen Kuppel des Petersdoms würde das Kreuz entfernt und stattdessen der Halbmond angebracht. Etwas Vergleichbares hat sich 1453 in Konstantinopel tatsächlich ereignet. Als die Osmanen die Stadt am Bosporus eroberten, nahmen sie die Hagia Sophia, die Krönungskirche der byzantinischen Kaiser, sofort in Besitz und machten aus dem wichtigsten Gotteshaus der Ostkirche eine Moschee. Die Kreuze wurden beseitigt, Glocken, Altäre und Ikonen entfernt, Mosaiken und Wandgemälde teilweise zerstört, teilweise übertüncht. Es gab Plünderungen und Verwüstungen. Man räumte den großartigen, von einer gewaltigen Kuppel überragten Raum leer, legte Gebetsteppiche aus und flankierte das Bauwerk nach und nach mit vier Minaretten, die das Äußere der Hagia Sophia bis heute prägen. Seit 1934 dient die Hagia Sophia übrigens als Museum, zurzeit gibt es Bestrebungen, sie wieder als moslemisches Gotteshaus zu nutzen.

Auch wenn aus der wichtigsten Kirche der Orthodoxie Mitte des 15. Jahrhunderts die Hauptmoschee der Osmanen geworden war, blieb das Bauwerk in seiner Substanz weitgehend erhalten. Mehr noch: Die islamische Gesellschaft scheute sich nicht, bei Neubauten ihrer Gotteshäuser direkt an die christliche Architekturtradition anzuknüpfen. Schon der Ende des siebten Jahrhunderts errichtete Felsendom auf dem Jerusalemer Tempelberg ist ein Zentralbau mit Kuppel, der sich ganz offensichtlich an der frühchristlich-byzantinischen Architektur orientiert. Und bei der Süleymaniye-Moschee in Istanbul, die der geniale osmanische Architekt Sinan 1550 bis 1557 im Auftrag von Süleyman dem Prächtigen erbaute, zeigt sich das Vorbild der Hagia Sophia ganz deutlich.

Wenn die Osmanen christliche Gebiete eroberten, zerstörten sie mitunter die dortigen Kirchen. So erging es der Aghioi Apostoloi, der berühmten Apostelkirche von Konstantinopel, die 1461 beschlagnahmt und geschleift wurde, um Platz für die Fatih-Moschee zu schaffen. An die großartige Apostelkirche erinnert heute nur noch der Markusdom von Venedig, der nach ihrem Vorbild erbaut wurde. Oftmals verhielt man sich aber pragmatischer und verwandelte lieber die vorhandenen Kirchen in Moscheen. Viel war dafür nicht notwendig, man musste nur Kreuze, Bilder, Altäre und Lettner entfernen, festes Gestühl gab es in Kirchen damals ohnehin nicht. Dann wurde die Mihrab, die Gebetsnische, die stets nach Mekka ausgerichtet ist, eingebaut und der Fußboden mit Gebetsteppichen ausgelegt. Das Anfügen von Minaretten veränderte zwar den äußeren Eindruck, ließ sich aber architektonisch leicht lösen. Es gibt Moscheen, denen man noch nach Jahrhunderten ihre christliche Vergangenheit ansehen kann. Ein beeindruckendes Beispiel dieser Art ist die Selimiye-Moschee im türkischen Teil der zyprischen Hauptstadt Nikosia, die Anfang des 13. Jahrhunderts als gotische Sophienkathedrale erbaut und 1571 in eine Moschee umgewandelt wurde. Die Westtürme, die damals noch unfertig waren, vollendeten die Osmanen als Minarette. Heute flattern zwischen den beiden Türmen die Fahnen der Türkei und der Türkischen Republik Nordzypern.

In der Geschichte gab es auch immer wieder Umwandlungen von Moscheen in Kirchen. Wer heute die andalusische Stadt Córdoba besucht, findet dort eine großartige Kathedrale vor, die eine islamische Vergangenheit hat. Tatsächlich ist die heutige Mezquita-Catedral de Córdoba nicht als christliche Kirche, sondern Ende des achten Jahrhunderts von den Mauren als Moschee erbaut worden. Bei der Reconquista, der Rückeroberung der Iberischen Halbinsel und der Vertreibung der Mauren, wurden die meisten der oft prachtvollen Moscheen zerstört und anschließend durch christliche Kirchen ersetzt. In Córdoba ging man behutsamer vor und widmete die Moschee, die mit 23.000 Quadratmetern Fläche zu den größten moslemischen Gotteshäusern weltweit gehörte, im Jahr 1236 in eine christliche Kathedrale um. Zunächst nahmen die neuen christlichen Hausherren nur wenige bauliche Veränderungen vor, erst im 16. Jahrhundert wurden große Teile der maurischen Architektur beim Einbau eines gotischen Kirchenschiffs zerstört. Kaiser Karl V., der das Umbauprojekt genehmigt hatte, soll bei einem späteren Ortstermin gesagt haben: "Ich wusste nicht, um was es sich hier handelte. Denn wenn ich es gewusst hätte, hätte ich nicht erlaubt, dass man Hand an das alte Gebäude legt. Ihr habt getan, was möglich war, etwas erbaut, was es andernorts schon gibt, und dafür habt ihr etwas zerstört, was einmalig in der Welt war." Belegt ist diese selbstkritische Äußerung freilich nicht. Manchmal blieben von den Moscheen wenigstens die Türme übrig, wie zum Beispiel in der andalusischen Kleinstadt Ronda, in der man das frühere Minarett zum Glockenturm der neuen Kirche umbaute.

Auf dem Balkan kam es Ende des 19. Jahrhunderts zu einer massenhaften Umwandlung von Moscheen in Kirchen. Nachdem die Osmanen 1878 durch russische Truppen aus Bulgarien vertrieben wurde, sorgte ein "Slawisches Wohltätigkeitskomitee" in Moskau planmäßig dafür, dass zahlreiche verlassene Moscheen nun in orthodoxe Gotteshäuser umgewandelt wurden. Die dafür notwendigen baulichen Veränderungen waren erheblich, zumal die orthodoxe Kirche eine Inkonostase (Bilderwand) erfordert, die den Raum in nachhaltiger Weise prägt.

Im ungarischen Pécs, dem früheren Fünfkirchen, kommt der Triumph des Christentums über den einst mächtigen Islam besonders deutlich zum Ausdruck: Die Moschee des Paschas Gazi Kasim, die die Osmanen im 16. Jahrhundert anstelle der abgerissenen Bartholomäuskirche erbauten, diente nach der Befreiung von den Türken 1668 als katholische Kirche. An den Kielbogenfenstern, dem Tropfsteingewölbe im Innenraum und der Richtung Mekka gerichteten Mauervertiefung, die früher als Gebetsnische diente, kann man die islamische Vergangenheit des Bauwerks noch gut erkennen. Die Kuppel wird überragt von einem Kreuz, das sich ein Stück über dem Halbmond befindet - und damit den Sieg des Christentums über den Islam symbolisiert.

Wenn heute Islamisten in Ländern wie Ägypten oder Nigeria Kirchen schänden, zerstören oder in Moscheen umwandeln wollen, ist das ein Resultat von religiös motivierten oder instrumentalisierten blutigen Konflikten. Auch in früheren Jahrhunderten war die Umwandlung von Kirchen in Moscheen wie auch der umgekehrte Fall stets die Folge von Kriegen und machtpolitischen Veränderungen. Wenn es in Deutschland heute bei Gotteshäusern zum Religionswechsel kommt, hat das ganz andere Gründe. Hier trifft eine säkularisierte Gesellschaft, in der es nicht mehr selbstverständlich ist, einer christlichen Kirche anzugehören, auf die starke Zuwanderung von Menschen, deren Zugehörigkeit zum Islam Bestandteil ihrer Identität ist.

Dass die Kirchen die Entwicklung kritisch sehen, ist verständlich. Für sie ist ein Kirchengebäude "der Ort, an dem das Evangelium von Jesus Christus gepredigt und gelebt wird", wie es in einer Stellungnahme von Hans Ulrich Anke, dem Präsidenten des EKD-Kirchenamtes in Hannover, zum Fall der Kapernaum-Kirche heißt. Aber was ist, wenn es keine Gemeinden mehr gibt, die hier Gottesdienst feiern oder diese sich die bauliche Erhaltung nicht mehr leisten können?

Die Umwidmung von Kirchen in Moscheen ist in der Bundesrepublik bisher nur in ganz wenigen Fällen geschehen. Der Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass sich beide Religionen nicht selten in den Gotteshäusern der jeweils anderen gut eingerichtet haben - und diese nur deshalb überhaupt bis heute erhalten geblieben sind.