Landwirtschaft ist nicht nur den Menschen vorbehalten. Manche Fische, Schnecken und Ameisen züchten Pflanzen oder halten sich Nutzvieh.

Berlin/Washington. Traktoren und Zuchtbullen, Biogemüse und Gartenblumen - noch bis Sonntag präsentiert die Internationale Grüne Woche in Berlin die neusten Trends aus Landwirtschaft und Gartenbau. Zu besichtigen ist dort eine Art Leistungsschau des menschlichen Erfindergeistes: Nach Jahrtausenden der Tüftelei ist es dem Menschen doch ziemlich erfolgreich gelungen, Pflanzen und Tiere für seine eigenen Zwecke nutzbar zu machen. Lange galt er sogar als einzige Art, die das überhaupt geschafft hat. Doch es gibt durchaus auch Tiere mit einem Talent für Ackerbau und Viehzucht.

"Allerdings sind solche Aktivitäten im Tierreich sehr selten", sagt Ted Schultz vom Smithsonian National Museum of Natural History in Washington D.C. Erstaunlicherweise handelt es sich dabei nicht um die üblichen Verdächtigen aus unserer nächsten Verwandtschaft. Vom Hammer bis zur Zahnseide haben Affen zwar zahlreiche Erfindungen gemacht, die früher als typisch menschlich galten. In Sachen Landwirtschaft halten sie sich allerdings zurück.

Fische dagegen gelten nicht unbedingt als die Einsteins der Tierwelt. Und doch gibt es unter ihnen talentierte Gärtner, haben japanische Forscher um Hiroki Hata von der Universität Kyoto beobachtet. Die Riffbarsche der Art Stegastes nigricans leben in den Korallenriffen des Indopazifiks und fressen vor allem Rotalgen der Gattung Polysiphonia. Diese zarten Gewächse vertragen allerdings keine zu starke Beweidung und werden zudem leicht von konkurrenzstärkeren Algen überwuchert. Also verteidigt jeder Riffbarsch ein Territorium, aus dem er andere Fische und Seeigel hinauswirft. Und damit sich auf seinen Beeten kein Unkraut breitmacht, rupft der schuppige Gärtner unerwünschte Algen aus, schwimmt ein Stück damit weg und lässt sie erst außerhalb seines Reviers fallen.

Algen sind allerdings nicht die einzigen Produkte, die tierische Bauern kultivieren. Eine Schnecke namens Littoraria irrorata, die durch die Salzmarschen an der Südostküste der USA kriecht, hat zum Beispiel eine besondere Vorliebe für bestimmte Pilze. Und damit sie davon auch genug findet, hilft sie ein bisschen nach. Mit ihrer Raspelzunge bearbeitet sie die Blätter der Schlickgräser. In den so entstehenden Wunden können sich die Pilze offenbar besonders gut ansiedeln und vermehren. Zumal die Schnecken ihre Gärten auch noch mit ihrem stickstoffreichen Kot düngen. Zumindest die Grundzüge des erfolgreichen Gartenbaus beherrschen die Weichtiere also durchaus.

Noch talentiertere Landwirte haben Zoologen unter den Insekten entdeckt. So haben sich etliche Ameisenarten zu erfolgreichen Viehhaltern entwickelt. Ihre Herden bestehen aus Blattläusen, die eine zuckrige Lösung namens Honigtau ausscheiden. Manche Ameisen melken ihre Haustiere regelrecht. Im Gegenzug verteidigen sie ihre Schützlinge gegen räuberische Marienkäfer und andere Feinde. Und einige bringen ihr Vieh sogar eigens zu besonders fetten Weidegründen.

Ähnlich raffinierte Methoden nutzen auch die auf Gartenbau spezialisierten Verwandten der krabbelnden Hirten. "Pilzzüchtende Ameisen sind die am besten untersuchten tierischen Landwirte überhaupt", weiß Ted Schultz, der das Ameisenlabor des Washingtoner Naturkundemuseums leitet. Mehr als 230 Arten dieser sechsbeinigen Farmer leben vor allem in Mittel- und Südamerika. Und bei allen funktioniert nichts ohne ertragreiche Pilzgärten. Wenn eine junge Königin ein eigenes Volk gründen will, muss sie daher einen Pilzklumpen aus ihrem Heimatnest mitnehmen. Der dient als Starterkultur für ihren neuen Garten.

Schultz und seine Kollegen interessieren sich dafür, wie sich diese ausgefeilte Form der tierischen Landwirtschaft entwickelt hat. Um das herauszufinden, haben die Forscher das Erbgut zahlreicher Arten verglichen und so den Stammbaum der Ameisengärtner rekonstruiert. Demnach haben die ersten der kleinen Krabbeltiere schon vor etwa 50 Millionen Jahren das Geheimnis der Pilzzucht entdeckt. Diese frühen Landwirte sammelten verrottetes organisches Material und kultivierten darauf Pilzarten aus ihrer Umgebung.

Manche Ameisen begnügen sich bis heute mit solchen relativ primitiven Anbaumethoden. Andere aber nicht. Im Laufe der Jahrmillionen haben diese Insekten nicht nur spezielle Pilzlinien gezüchtet, die ihren Ansprüchen besonders entgegenkommen. Sie haben auch gelernt, ihre Gärten immer raffinierter zu gestalten. "Den evolutionären Höhepunkt dieser Landwirtschaft haben die Blattschneiderameisen erreicht", meint Ted Schultz.

Diese Spezialisten unter den Pilzzüchtern sollen nach Schätzungen der Forscher vor acht bis zwölf Millionen Jahren entstanden sein. Bis heute sieht man die auffälligen Tiere oft in langen Kolonnen durch den tropischen Regenwald marschieren und Pflanzenstücke in ihr Nest schleppen. Die fressen sie aber nicht, sondern nutzen sie als eine Art Kompost. Arbeiterinnen kauen das Material kräftig durch, verteilen den Brei in ihren unterirdischen Gärten und pflanzen einen Pilz namens Attamyces bromatificus darauf. Anschließend wird das Ganze noch mit Kot gedüngt. Auch spezielle Bakterien, die Stickstoff aus der Luft fixieren können, helfen der Kultur beim Gedeihen.

Immer wieder machen sich jedoch ungenießbare Pilzarten in den Kulturen breit, wie der Parasit Escovopsis. Beete kontrollieren und jäten gehört daher auch für Ameisengärtner zu den wichtigsten Aufgaben. Mit ihren Mundwerkzeugen entfernen die Tiere nicht nur die fremden Pilze, sondern auch gleich das befallene Substrat. Sogar Pestizide kommen im Kampf gegen das Unkraut zum Einsatz, hat ein britisches Forscherteam von der University of East Anglia in Norwich herausgefunden. Die Wissenschaftler haben verschiedene Bakterienarten entdeckt, die den Ameisen eine ganze Palette von wirksamen Antibiotika gegen die unerwünschten Eindringlinge liefern.

Was aber tun, wenn der Lohn aller Mühen zu erfrieren droht? Die Pilze in tropischen Ameisengärten wachsen bei etwa 25 Grad Celsius am besten, längere Perioden unter zehn Grad vertragen sie nicht. Doch zumindest die am weitesten nördlich lebenden Blattschneiderameisen der Art Atta texana, die in Texas und Louisiana vorkommen, müssen mit solchen Kälteeinbrüchen durchaus rechnen. Wie sie mit diesem Problem fertigwerden, hat Alexander Mikheyev vom Okinawa Institute of Science & Technology in Japan beobachtet: Normalerweise züchten die Tiere ihre Pilze in Kammern dicht unter der Bodenoberfläche. Wenn es dort zu kalt wird, packen sie ihre wertvolle Kultur rasch zusammen und schaffen sie in tiefer gelegene Räume. Auch dort kann es zwar deutlich kühler werden als in den Gärten ihrer tropischen Verwandten. Doch im Laufe der Zeit scheinen die texanischen Blattschneider besonders robuste Pilzlinien gezüchtet zu haben. Alexander Mikhe-yev fühlt sich da an menschliche Landwirte erinnert, die ihre Nutzpflanzen im Laufe der Geschichte auch an verschiedene Klimazonen anpassen mussten: "Wie ähnlich die Landwirtschaft von Ameisen und Menschen funktioniert, verblüfft uns immer wieder."