Forscher jubeln: Vor der Küste Schleswig-Holsteins ist eine 14 Hektar große Düneninsel entstanden - eine Kinderstube für viele Vogelarten.

Norderoogsand/Tönning. 25 Kilometer vor der Nordseeküste Schleswig-Holsteins ist im Wattenmeer eine neue Vogelinsel entstanden. "Wie eine Vulkaninsel" sei die Nordspitze des Norderoogsandes binnen weniger Jahre aus dem Meer aufgetaucht. Sie habe bereits eine Höhe von vier Metern erreicht, berichtet die Tönninger Nationalparkverwaltung nun in ihrer Zeitschrift "SH Nationalpark Nachrichten" (Ausgabe Januar 2013). "In einem Vierteljahrhundert Nationalpark hat es das nicht gegeben", sagte der Leiter der Nationalparkverwaltung, Detlef Hansen.

Wo vor zehn Jahren auf plattem Sand lediglich einige Silbermöwen und Austernfischer brüteten, haben jetzt dem Artikel zufolge zehn Vogelarten auf meterhohen, dicht bewachsenen Dünen und in den Salzwiesen eine Kinderstube für ihren Nachwuchs eingerichtet. Im Frühsommer 2012 wurden dort 149 Paare Silbermöwen, 74 Heringsmöwen, jeweils vier Paare Austernfischer und Graugänse, jeweils zwei Mantelmöwen, Eiderenten und Sandregenpfeifer sowie ein Wanderfalken-Paar gezählt.

Der Norderoogsand ist einer der größten Außensände (also eine küstennahe Sandinsel) Nordfrieslands und gehört zum Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Seinen Namen erhielt der Sand von der benachbarten Hallig Norderoog. Der Norderoogsand ist ein bis 2,5 Kilometer breit und etwa 5,7 Kilometer lang. Wie Dr. Martin Stock von der Tönninger Nationalparkverwaltung in dem Artikel berichtet, ist der Norderoogsand im Laufe der Jahre immer dichter an die Hallig Norderoog herangerückt. Zurzeit liegen nur noch 1500 Meter dazwischen.

Umweltschützer vom Naturschutzverein Jordsand haben die spektakuläre Neuentwicklung auf dem Norderoogsand schon seit 1999 beobachtet. Heute ist auf einer Fläche von 14 Hektar, so viel wie 20 Fußballfelder, im Norden des Sandes aus einzelnen windgeformten und vegetationsfreien "Sicheldünen" ein beständiger Dünenbereich geworden.

Denn der Sand wächst auch in die Höhe. "Wir haben lokal einen Meeresspiegelanstieg von 3,5 Millimetern pro Jahr. Aber die Sände können mitwachsen, weil Sand aus dem Meer herantransportiert und auf die weiten Flächen geblasen wird. Bei der Dünenbildung wird Sand, der durch beständigen Wind aus einer vorherrschenden Richtung vielleicht hinter einem Stück Treibholz aufweht, von Pflanzen besiedelt", erzählt Martin Stock.

Die höchsten Dünen sind bereits über vier Meter hoch und zum Teil mit Strandhafer und Strandroggen bewachsen. "In den Dünentälern dazwischen bildeten sich Salzwiesen wie an den Ostenden der ostfriesischen Inseln", erläutert Martin Stock. Dort wüchsen mittlerweile typische Salzwiesenpflanzen wie Queller, Dreizack, Wermut und Keilmelde. Im gesamten Dünenbereich zählten die Naturschützer 49 Pflanzenarten, eine Zahl, die sie selbst überrascht hat. Fünf Jahre zuvor wurden dort nur fünf Arten gefunden. Fast die gesamte Vegetation bestand damals aus Dünenquecke.

In der neuen Dünenlandschaft in der Nordsee brüten nach den Angaben des Vereins Jordsand mittlerweile auch die Zwergseeschwalben. "Damit steigt die ökologische Bedeutung des Norderoogsandes enorm. Es besteht die Hoffnung, dass auch die seltene Brandseeschwalbe diese Dünen als Brutplatz für sich entdecken wird", sagt Geschäftsführer Thorsten Harder. Dieser Vogel, der zurzeit nur vier Brutplätze an der Deutschen Küste hat, brütet auch auf der Hallig Norderoog.

Das neue Vogelparadies des Wattenmeeres entsteht vor allem im Norden des Norderoogsandes. Der mittlere und südliche Teil des Norderoogsandes scheint laut dem Verein Jordsand dagegen immer mehr abgetragen zu sein, da diese Flächen mittlerweile schon bei höher auflaufenden Fluten unter Wasser stehen.