Die Wasserqualität des Flusses hat sich insgesamt verbessert, doch jedes Hochwasser spült belastete Sedimente nach Hamburg.

Hamburg. Schwermetalle, organische Verbindungen und andere Schadstoffe haben über Jahrzehnte die Elbe verschmutzt. Zwar ist das Wasser längst sauberer geworden, doch der Fluss hat ein Schadstoffgedächtnis: Seine Sedimente sind noch immer stark belastet und treten zum Beispiel ans Tageslicht, wenn Hamburger Hafenbecken und Wasserläufe ausgebaggert werden. Der Klimawandel könnte das Schadstoffproblem verschärfen, lautet das Fazit des internationalen Projekts DiPol, das jetzt abgeschlossen wurde.

Die beteiligten Hamburger Forscher gingen aufs Wasser, um ihre Ergebnisse auszutauschen. Auf einer Barkasse schipperten sie zunächst zur Bunthausspitze, an der sich die Elbe in Norder- und Süderelbe teilt. "An dieser Messstelle zeigte sich, dass die Belastung der Sedimente durch an Partikel gebundene Umweltgifte wie Dioxine oder dioxinähnliche PCB zwischen 1993 und 2008 etwa konstant geblieben ist. Es gibt zwar Schwankungen, aber keinen abnehmenden Trend", sagte Dr. Burkhard Stachel von der Umweltbehörde, der seit Jahrzehnten die Wassergüte der Elbe im Blick hat.

Die Herkunft der Gifte ist bekannt: Unterhalb der Muldemündung steige der Dioxingehalt der Sedimente stark an, so Stachel. "Die Belastung stammt aus dem kontaminierten Gebiet Bitterfeld/Wolfen." Hier lag zu DDR-Zeiten das berüchtigte Chemiedreieck, damals ein ökologisches Notstandsgebiet. Noch heute würden dort mit jedem Starkregen Dioxine und andere hochgiftige organische Schadstoffe aus den Böden freigesetzt, die, an Schwebstoffe gebunden, über Gräben und Bäche in die Mulde und weiter in die Elbe fließen.

Mit Blick auf die Dioxine sei die Elbe immer noch relativ hoch belastet, sagt der Chemiker, unterhalb der Muldemündung lägen die Gehalte meist über dem Zielwert von 20 Nanogramm Dioxine je Kilogramm Sediment. "Im Rhein finden sich dagegen nur in Ausnahmefällen erhöhte Dioxinkonzentrationen. Und in der Donau sind die Werte sogar zehn- bis hundertfach niedriger. Sie dient uns als Referenzfluss, weil sie relativ unbelastet ist."

Auch Schwermetalle strömen über die Mulde in die Elbe. Die wichtigste Quelle dieser Schadstoffgruppe liegt im Erzgebirge nahe Freiberg. Dort werden kontinuierlich stillgelegte, in Bundesbesitz befindliche Bergwerke entwässert. Ein Großteil der Schwermetallbelastung im Hamburger Hafen, etwa von Kadmium, Zink und Kupfer, stamme aus diesen Grubenwässern, sagte Dr. René Schwartz. Er leitet bei der Umweltbehörde das ELSA-Projekt zur Sanierung der Elbsedimente. Aber auch die Saale und die Schwarze Elster tragen Schwermetalle in den Fluss.

Bei den dioxinähnlichen PCB liegt die Hauptquelle dagegen in Tschechien: Über Jahrzehnte vergiftete das Unternehmen Spolchemie den Fluss Bílina, der das böhmische Becken in die Elbe entwässert. Heute leitet das Werk keine Schadstoffe mehr ein. "Wir leiden unter den Verschmutzungen der 1970er- und 1980er-Jahre", sagte Schwartz. "Alles, was an Tonmineralien anhaftet, findet sich heute in den Sedimenten wieder."

In diesen "Risikoregionen der Elbe" könnten sich die Probleme durch den Klimawandel verschärfen, warnte Prof. Susanne Heise, die als Ökotoxikologin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften am Projekt DiPol beteiligt war: "Bei jedem größeren Hochwasser werden die Schadstoffe aus den belasteten Einzugsgebieten in die Elbe eingetragen. Nach den Aussagen der Klimaforscher müssen wir vermehrt mit extremen Wetterlagen, also auch mit mehr Hochwasser durch starke Niederschläge, rechnen", sagte die Forscherin mit Blick auf den träge dahinfließenden Strom.

René Schwartz ergänzte, auch Trockenperioden seien schädlich: "Bei Niedrigwasser schwappt der Wasserkörper mit den Gezeiten viel länger im Hafen hin und her. Dadurch lagern sich mehr belastete Sedimente ab, die bei Hochwasser in den Fluss gespült worden waren." Nur die Tatsache, dass es in den Mittelgebirgen des Elbe-Einzugsgebietes durch wärmere Winter wahrscheinlich weniger Schnee geben wird, könnte sich positiv auswirken: Im Frühjahr würde dann die Hochwassergefahr durch Schmelzwasser sinken.

Die Barkasse erreichte das Naturschutzgebiet Heuckenlock an der Süderelbe und verlangsamte ihre Fahrt. Hier hatten DiPol-Teilnehmer untersucht, inwieweit sich die Giftfracht der Elbe an Ufern, die nicht ausgebaggert werden, abgelagert hat. Dabei fanden sie überraschend hohe Schadstoffgehalte in den Sedimenten. Das spiegelte sich auch in den 13 Brassen wider, die Wilhelmsburger Angler dort im Dienste der Wissenschaft aus dem Wasser gezogen hatten. Die Fische wühlen zur Nahrungssuche im Schlamm - und nehmen neben Kleingetier vor allem Quecksilber auf. Bei zwölf der gefangenen Brassen überschritten die Gehalte des Schwermetalls den Zielwert der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie.

Jedes Hochwasser spüle Schadstoffe ins Heuckenlock, sagte Susanne Heise. Um zu prüfen, wo genau sich die mobilisierten Gifte wieder ablagern, hatte sie mit ihrem Team in den Jahren 2010 und 2011 bei starkem Hoch- oder Niedrigwasser Kunststoffmatten ausgelegt, in denen sich die Sedimente verfingen. Die Matten sammelten unter anderem im Heuckenlock, Mühlenberger Loch und Neuenfelder Watt an der Nordseeküste niedersinkende Schwebstoffe ein. Nach einer Woche sahen die Forscher nach: Im Heuckenlock fanden sich auffällig viel Kupfer und Quecksilber. Auch bei den organischen Schadstoffen analysierten die Forscher dort hohe Gehalte. Sie wurden sogar noch im Neuenfelder Watt an der Elbmündung fündig, allerdings waren hier die Werte zehnfach niedriger als im Heuckenlock. Fazit der Untersuchung: Überall sorgte das stärkste Hochwasser für Spitzenwerte bei den Schadstoffen.

Nicht alle Gifte, die im Flussbett des Hafens schlummern, stammen aus dem Oberlauf. So gehe die Belastung mit Arsen zum Teil auf die Kupferhütte Norddeutsche Affinerie (heute Aurubis) zurück, sagte Susanne Heise. Als Beleg zitierte sie aus Untersuchungen des Sediments und der Luftqualität. Danach sei um die Kupferhütte herum die Arsenbelastung "deutlich erhöht". Und im Sediment rund um die Werften finde sich noch das Gift TBT, das bis vor wenigen Jahren in Schiffsanstrichen steckte, sagte René Schwartz.

Auf dem Rückweg durchquerte die Barkasse die Hafengewässer. Vor den Landungsbrücken spritzte Elbwasser an Bord. Vor 30 Jahren hatte man sich vor den Spitzern geekelt, heute haben sie nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie Badewasserqualität. Allerdings bleiben bei der Bewertung verschmutzte Schwebstoffe außen vor. Damit die Elbe wirklich ins Reine kommt, muss sie ihr Gedächtnis verlieren.