130 Jahre lang wärmte die Glühbirne unser Auge, Herz und Heim. Von nächster Woche an wird sie verbannt. Öko-Vernunft oder Öko-Diktatur?

Fensternischen bekommen eine neue, sanfte Ausleuchtung. Biblische Figuren, das historische Gestühl, der gerade restaurierte Stuck an Decke und Wänden - die schönsten Details in Hamburgs mächtiger Hauptkirche St. Michaelis sollen bald in neuem Licht erscheinen. Dazu werden viele Hundert Leuchtquellen nach einem Entwurf des Hamburger Lichtplaners Peter Andres in den nächsten Wochen im Michel installiert, nachdem der Kirchenvorstand ein eigenes Lichtkonzept für das Innere der barocken Kirche beschlossen hat. Energiesparlampen werden es aber nicht sein. "Um Himmelswillen, auf eine solche Idee würde ich niemals kommen", sagt Andres, Ingenieur, Professor und einer der renommiertesten Lichtplaner Deutschlands.

Dabei sieht es derzeit so aus, als gäbe es bald keine Alternative mehr zu den modernen, ökogerechten Leuchtmitteln. Denn am nächsten Dienstag startet das Glühbirnenverbot der Europäischen Union - genauer gesagt: die "Anordnung zur Durchführung der Richtlinie 2005/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an nicht gerichtete Haushaltslampen". Zuerst knipst die EU allen matten und den Glühbirnen mit 100 Watt Leistung das Licht aus, dann schrittweise bis 2012 auch den übrigen von herkömmlicher Bauart. Der Handel wird verboten, Händler müssen mit 50 000 Euro Bußgeld rechnen, wenn sie sie dennoch anbieten. Der Zoll ist bereits angehalten, auf undurchsichtige Birnen-Pakete aus dem EU-Ausland zu achten. "Es wird Stichproben-Kontrollen geben, das ist dann so ähnlich wie bei Elefantenstoßzähnen, die ja auch nicht eingeführt werden dürfen", sagt der Hamburger Zollsprecher Arnes Petrik.

Klingt nach Kriminalisierung einer Erfindung, der Thomas Edison vor 130 Jahren noch zum Durchbruch verholfen hatte. Aber das Ziel des EU-Vorstoßes ist zunächst einleuchtend: Herkömmliche Glühbirnen sind im Prinzip so etwas wie Mini-Heizgeräte. 95 Prozent der Energie werden als Wärme abgegeben, nur der kleine Rest als Licht. Ein schönes Licht zwar, aber eben in Zeiten der Klimawandels nicht effizient genug. Würde man alle rund 3,5 Milliarden Lampen in Europa auswechseln, könnten 15 Millionen Tonnen C02 und etwa fünf Milliarden Euro Stromkosten jährlich eingespart werden, so die EU-Rechnung. 25 große Kraftwerke wären überflüssig, glaubt Greenpeace, weil Energiesparlampen 80 Prozent weniger Strom verbrauchten. Der "Klimafeind" Glühbirne sei ein Produkt von gestern.

Angefangen hat der Krieg gegen die Birne übrigens gar nicht im EU-Reich, sondern in den USA. Als Terminator betätigte sich dort einmal mehr Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger, indem er die Edison-Lampe bereits 2007 verbot. "Hasta la Vista, Birne!" Australien und viele weitere Länder folgten, und nun auch die EU.

Das Schicksal der Glühbirne scheint daher besiegelt, der "Klimafeind" besiegt. "Und das ist eigentlich schade", bedauert Lichtkünstler Michael Batz. Die Vernunft sage zwar ja zum Verbot, das Herz aber nicht. Im Gegensatz zum "artifiziellen Licht" der Energiesparlampe, erzeuge die Glühlampe eben diesen "schmelzend warmen Ton", sagt Batz. Ähnlich wie das Sonnenlicht, warm wie der Kerzenschein, gelbes und rotes Licht, wie es die Menschen seit jeher begleitet hat. "Dieses Licht ist eine unserer Urerfahrungen", sagt Batz. Das Lagerfeuer der Moderne, gewissermaßen.

Und das soll nun auf ewig gelöscht werden - auch wenn sich Bundesbürger noch massenhaft mit Glühbirnen eindecken. Zweistellige Zuwachsraten im Verkauf registrierte in den vergangenen Monaten manch deutscher Baumarkt. Ist den Menschen nun plötzlich bewusst geworden, auf was sie verzichten sollen?

Längst hat sich ein erbitterter Glaubenskrieg an dem Birnenverbot entzündet. Manche bringt es regelrecht aus der Fassung. "Öko-Diktatur", schimpfte die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin im Abendblatt. Weil die Bürokraten dem Bürger vorschrieben, wie sie zu sparen hätten. Grünen-Politikerin Rebecca Harms konterte flugs und klang dabei wie eine gesundheitsbeseelte Mutter, die ihren Kindern Schokolade verbietet: C02-Emissionen und reduzierter Stromverbrauch seien "vernünftige Argumente" für ein Verbot. Basta! Auch Greenpeace hat sich in den Kampf gegen die Klima-Birne eingeschaltet und arbeitet dabei mit der üblichen Symbol-Taktik: Am Brandenburger Tor in Berlin machten Aktivisten Zehntausende Glühbirnen mit einem Radlader platt. Der mächtige Öko-Verein propagierte dabei genauso wie das Umweltbundesamt die Energiesparlampe als die Alternative.

Was übrigens auch Lampenhersteller und Baumärkte mit Nachdruck tun. Wie bei jedem gut geführten Naturschutzverein wird dazu mit sympathischen Eisbären-Figuren geworben. Kauf diese neue Lampe - dann muss das arme Tier nicht im Meer versinken, weil das Eis ihm unterm Hintern wegschmilzt. So in etwa muss die Botschaft verstanden werden. Wer mag da noch zur alten Glühbirne greifen?

Aber die Front gegen EU und Verbot besteht nicht mehr nur aus Licht-Liberalen. Spätestens seit einem Bericht des Magazins "Ökotest" über doch nicht so tolle Sparwerte und Quecksilberbelastung bei den Energiesparlampen formiert sich eine zweite Fraktion, die sonst eher gegen Mobilfunk oder Gentechnik zu Felde zieht. Elektromagnetische Strahlung durch die elektronische Vorschalteinheit an Energiesparlampen und das Kunstlicht macht sie argwöhnisch. Krebs, sowieso, und viele andere Leiden auch könnten durch diese neuartigen Leuchtmittel ausgelöst werden, so die große Furcht, die das Bundesamt für Strahlenschutz diese Woche durch Entwarnung noch einmal zu zerstreuen suchte.

Höchste Zeit also, ein wenig mehr Licht ins Dunkel der Birnen-Diskussion zu bringen. Da ist zum Beispiel der Preis: In einem gut geführten Hamburger Lichthaus zahlt man 13,90 Euro für eine Marken-Kompaktleuchtstofflampe, vulgo Energiesparlampe. Herkömmliche Glühbirnen gibt es schon für ein, zwei Euro. Die modernen Lampen sollen sich zwar dank längerer Lebensdauer und hoher Energieausbeute irgendwann amortisieren, versprechen die Hersteller, doch zu allererst beschert sie ihnen auch schöne Gewinne. Und das nutzt wohl weniger den Bären als den Bilanzen.

Ein paar weitere Überlegungen machen zumindest stutzig: Lediglich drei Prozent unseres Energieverbrauchs, so eine Zahl in dieser Diskussion, fließen in die Erzeugung von Licht. Die Glühbirne dürfte damit ein vergleichsweise geringer Verursacher von C02 sein. Zumal Licht zu 70 Prozent während der Heizperiode eingeschaltet wird. Die Wärme der Birne verpufft dann nicht, sondern trägt zum wohligen Temperaturgefühl bei und spart, wenn auch geringfügig, Heizenergie. In Australien macht daher das Verbot vielleicht Sinn, in Nordeuropa dürfte man ins Grübeln kommen.

Das hat der Hamburger Lichtplaner Peter Andres längst hinter sich, und damit sind wir wieder beim Michel. Das Licht von Energiesparlampen sei künstlich, falsch und müsste eigentlich sogar weh tun, sagt Andres. "Wir haben nur noch kein Schmerzempfinden dafür entwickeln können - genauso wenig wie für gefährliche Röntgenstrahlen." Er erklärt das mit dem Spektrum der Farben: Tageslicht sehen wir in einem etwa gleichmäßigen Bereich von "blauen" Wellenlängen um 380 Nanometern (NM) bis zu roten und warmen 780 NM. Die alte Glühbirne, so Andres, deckt diesen Bereich vollständig ab, mit einem Schwerpunkt im warmen gelb-roten Bereich. Bei Energiesparlampen hingegen gebe es in dem Farbspektrum keinen harmonischen Verlauf, sondern viele einzelne Spitzen: Folge: "Ein völlig unnatürliches Licht, in dem Farben falsch erscheinen", sagt Andres.

Dennoch sei das Glühbirnenverbot eigentlich gar kein Problem für Licht-Ästheten. Denn es gebe eine einfache Alternative, ohne dass man sich in den fahlen Schein der Energiesparlampe hocken müsse: die Halogen-Glühbirne. Die spare im Gegensatz zur herkömmlichen Lampe 30 Prozent Energie, habe ein genauso schönes und natürliches Licht, eine längere Lebensdauer, koste nicht viel mehr und falle wegen ihrer höheren Effizienz auch nicht unter das Verbot, sagt Andres. Es gibt sie sogar mit der guten alten Fassung E27.

Noch besser seien jedoch die kleinen und effizienteren Niedervolt-Halogen-Glühlampen mit Wärmerückgewinnung, die rund 54 Prozent Energiesparung bringen. Bei herkömmlichen Birnen sprudeln ständig Moleküle von der Wendel und setzen sich am Glas ab. Das Glas wird daher im Laufe der Zeit matt, die Wendel dünner - und irgendwann, nach etwa 1000 Stunden, macht es Peng! und das war's mit der Birne, ganz ohne EU. Der Trick bei der Halogen-Glühbirne: Auch in ihr glüht eine Metallwendel. Aber Gas im Glas sorgt dafür, dass die Moleküle wieder auf die Wendel zurückgeführt werden. Daher auch eine deutlich längere Lebensdauer.

Der Verbraucher, rät Andres, solle sich von Marktstrategen und eifrigen Umweltschützern nicht hinters Licht führen lassen. Sein Tipp: In alte Leuchten einfach Halogen-Glühbirnen hineinschrauben. Wenn man eine neue Leuchte kauft, sollte man dann auf den Wirkungsgrad und die kleinen Niedervolt-Lampen achten.

Auf den warmen Ton der alten Glühlampe, auf dieses Urfeuer am Ohrensessel braucht also auch trotz EU und Klimawandels niemand zu verzichten. Und für alle, die auch von den bald verbotenen matten Birnen nicht lassen mögen, gibt es eine Lösung, die sich der Münchner Lichtkünstler Ingo Maurers ausgedacht hat, um gegen das Glühbirnenverbot zu demonstrieren: Er überzieht neue, moderne klare Birnen einfach mit hitzebeständigen Kondomen. "Safer Light" sozusagen. Auf dass uns allen doch noch ein Licht aufgehe.