Hellblau, Lila oder gelb – Die Krustentiere kleiden sich in seltsame Farben. Wissenschaft rätselt. Geschmack soll nicht beeinträchtigt sein.

Portland/USA. Ein neues Naturphänomen beschäftigt die Wissenschaft: Im Atlantik werden zunehmend farbige Hummer gefunden. Was hinter dem ungewöhnlichen Verhalten der Tiere steckt, ist bislang noch nicht vollständig erforscht.

Als Bill Sarro letzten Monat knapp 50 Kilogramm Hummer für sein Fischrestaurant und -geschäft geliefert bekam, staunte er nicht schlecht: Sechs der Krustentiere waren orangefarben – obwohl statistisch gesehen von zehn Millionen Hummern nur einer orange ist.

Normalerweise sind Hummer grünlich-braun. Sarro und sein Mitarbeiter dachten also zuerst, man habe ihnen statt der üblichen, noch lebenden Ware gekochten, toten Hummer gebracht – denn beim Kochen wechselt der Hummer seine Farbe ins rötliche. Aber diese orangenen Hummer bewegten sich noch.

Berichte über andersfarbige Hummer in den Fanggründen an der nordamerikanischen Ostküste waren lange Zeit eine Seltenheit. In den letzten Jahren aber häufen sich die Erzählungen der Fischer. Sie bringen Hummer an Land, die hellblau, orange, gelb, weiß oder mehrfarbig überraschen – manche auch zweifarbig, eine Tierhälfte in einer Farbe, die andere in einer anderen.

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Michael Tlusty, Forscher am Neuengland-Aquarium in Boston, will herausfinden, warum immer mehr farbige Hummer auftauchen. „Sehen wir sie öfter, weil Menschen von ihnen angetan sind und darüber twittern“, fragt sich Tlusty, oder hingen die häufigen Funde damit zusammen, dass immer mehr Hummer gefangen würden?

Im US-Bundesstaat Main etwa vervierfachte sich der Hummerfang in den letzten 20 Jahren auf knapp 500 Tonnen. „Man könnte jetzt eine ganze Reihe von Erklärungen versuchen, aber es gibt dazu keine aktuellen Daten“, sagt Tlusty.

Sicher ist, dass die Farbvielfalt durch genetische Variationen zu erklären sind. Blaue Hummer sollen im Verhältnis von eins zu einer Million vorkommen und ein gelber auf 30 Millionen normale. Als am seltensten gelten weiße Hummer – eins zu hundert Millionen schätzen die Experten die Wahrscheinlichkeit.

Belegt ist auch, dass die farbigen Hummer über die Jahre in bestimmten Gebieten häufiger wurden. Im Meer vor der Küstenstadt Cutler im US-Bundesstaat Maine existierte früher ein Tummelplatz für blaue Hummer, weiß Bob Bayer vom Hummer-Institut an der Universität Maine. Denn bei Cutler hatte man 1.500 „blaue“ Hummer-Larven im Jahr 1990 ausgesetzt, um ihre Überlebensdauer zu messen und dann Fangquoten für Hummer festzusetzen, sagt Bayer. Ähnliches gelte für die Gewässer vor Montauk im Bundestaat New York.

Die hellorangenen Hummer, die bei Bill Sarro ankamen, stammen laut Bayer üblicherweise aus dem Atlantik vor Kanada. Bis auf die Farbe gebe es aber keine Unterschiede, sagt Bayer. Beim Kochen würden alle Hummer rot, der Geschmack sei immer gleich. Kleine Ausnahme: Weil weiße Hummer keine Pigmente haben, können sie, selbst wenn sie gekocht werden, nicht die Farbe wechseln.

Einen Erklärungsansatz für das gehäufte Phänomen der farbigen Hummer hat Diane Cowan vom „The Lobster Conservancy“ in Friendship, Maine. Eigentlich seien die auffälligen Farben auf dem Meeresgrund für Raubfische leichter zu orten und bunte Hummer deshalb gefährdeter.

„Aber die Raubfisch-Population ist deutlich gesunken, besonders beim Kabeljau, und dadurch könnten die Überlebenschancen besser geworden sein“, sagt Cowan. Fischer haben über die Jahre schon viele exotische Hummer in ihr Lobster-Haus gebracht. Für Cowan war der schönste einer, dessen Kruste pink und lila war.