Vor 60 Jahren machte München den Anfang mit dem Zebrastreifen, zwei Jahre später folgte Hamburg. Aus einem “Wildwechsel“ wurde ein geschützter Übergang für Fußgänger. Aber er bleibt verbesserungswürdig

Die Zeichnung von Zebras dient in der Natur eher der Tarnung: Aus der Entfernung verschwimmen in flimmernder Hitze Konturen und Silhouette der afrikanischen Steppenbewohner. Im Straßenverkehr hingegen sollen die markanten schwarz-weißen Streifen möglichst große Aufmerksamkeit erregen. Heute sind Zebrastreifen eins von vielen Verkehrszeichen zum Schutz von Fußgängern. "Wer einem Bevorrechtigten nicht das Überqueren der Fahrbahn ermöglicht, obwohl dieser erkennbar einen Fußgängerüberweg benutzen will, kann mit einem Bußgeld von 80 Euro und vier Punkten im Verkehrszentralregister bestraft werden", heißt es in unserer Straßenverkehrsordnung (StVO) in schönstem Amtsdeutsch.

Vor 60 Jahren war das noch anders. Als am 8. Juli 1952 der erste Zebrastreifen Deutschlands in München auf die Straße gepinselt wurde, hatten Autofahrer Vorrang - erst 1964 wurde das geändert.

Schon in den 1930er-Jahren machte die wachsende Zahl von Kraftfahrzeugen das Verkehrsgeschehen in westlichen Metropolen immer gefährlicher, drei von vier Unfallopfern waren Radfahrer und Fußgänger. Eine belebte Straße heil zu passieren geriet zum Lotteriespiel. Um das "Queren" der Fahrbahnen sicherer zu machen, ließ die britische Regierung 1948 an Kreuzungen in London probeweise Straßenmarkierungen in Form von zwei parallelen punktierten Linien anbringen.

Ob der spätere britische Premierminister James Callaghan - damals Mitarbeiter im Verkehrsministerium - tatsächlich Namensgeber der Straßenbemalung war, ist umstritten. Der Legende nach sollen ihn die Balken auf dem Asphalt an das Zebra erinnert haben, weshalb er die Markierung "zebra crossing" nannte. Die britischen Streifen waren zunächst blau und gelb und erst später schwarz-weiß. Am 19. September 1949 wurde ein internationales Straßenverkehrsabkommen inklusive eines Protokolls über Verkehrszeichen unterzeichnet, in dem die neuen Überwege erstmals auftauchten. In München installierte die Stadt nach dem Vorbild des Übergangs an der Neuhauser Straße im Sommer 1952 elf weitere "Fußgänger-Brücken". Gemeint waren ebenerdige, weiß markierte Wege auf schwarzem Grund.

Ein Jahr später hielten sie als "Fußgängerüberwege" (Vorschriftszeichen 293) unter § 26 Einzug in die westdeutsche StVO. Sie bestehen aus "parallel zur Fahrtrichtung angeordneten Markierungsstreifen mit der Mindestlänge von 3 und der Breite von 0,5 Metern, deren Abstand ebenfalls 0,5 Meter beträgt". Die DDR richtete im Berliner Ortsteil Niederschöneweide einen ersten "Fußgängerschutzweg" ein. In der Schweiz nannte man sie "Fußgängerstreifen", in Österreich einfach "Schutzweg". Heute kaum mehr vorstellbar: Die erste Autobahn der Schweiz von Luzern nach Kriens wurde 1956 mit einigen "Fußgängerstreifen" ausgerüstet. Nach etlichen verheerenden Unfällen verschwanden sie aber wieder schnell von der Bildfläche.

In Deutschland beanspruchen die Hamburger die Urheberschaft des Begriffs "Zebrastreifen". 1954 begleitete das Hamburger Abendblatt eine Aktion der Stadt, Übergänge an verkehrsreichen Stellen zu beachten. In der Behördensprache hießen die Markierungen für Fußgänger damals noch "Dickstrichketten". Umsichtige Fahrer, die dort bremsten, erhielten vom Abendblatt sogenannte Gutpunkte. Die "Aktion Zebra" fand großen Zuspruch, die Abkürzung stand für "Zeichen eines besonders rücksichtsvollen Autofahrers". Im Volksmund wurden die Übergänge so zu "Zebrastreifen".

Aber in den 1950er-Jahren, mitten im Zeitalter des Wirtschaftswachstums, stand noch der ungehinderte Verkehrsfluss im Vordergrund. Für Fußgänger blieb häufig nur eine Art "Wildwechsel", um auf die andere Straßenseite zu gelangen.

Fast die Hälfte der knapp 20 000 Verkehrstoten im Jahr 1970 in der Bundesrepublik kam innerorts ums Leben. Obwohl seit 1996 motorisierte Verkehrsteilnehmer anhalten müssen, wenn der Fußgänger erkennbar einen Zebrastreifen benutzen will, ist auch heute die Sicherheit an den Zebrastreifen trügerisch.

Eine Untersuchung des Auto Clubs Europa (ACE) belegt, dass innerhalb von Ortschaften hier fast jeder fünfte Unfall mit einem Fußgänger passiert. 2010 wurden rund 5100 Fußgänger an Übergängen von Autos oder Fahrrädern angefahren. Trotz Park- und Überholverbot und der Pflicht, sich langsam zu nähern. Besonders gefährdet sind Kinder bis 15 und Ältere ab 75 Jahren.

Um Passanten bei einem Unfall besser zu schützen, bietet der Autohersteller Volvo in seinem Modell V40 neuerdings einen Fußgänger-Airbag. Bei einer Kollision breitet sich ein u-förmiger Luftsack aus, der innerhalb von 50 Millisekunden aus der sich nach vorn öffnenden Motorhaube hervorschießt und den unteren Teil der Windschutzscheibe sowie die beiden A-Säulen abdeckt. Schwere Kopfverletzungen sollen so verhindert werden.

Außerdem arbeitet man in anderen Ländern seit geraumer Zeit an Verbesserungen der herkömmlichen Zebrastreifen. Schon 1963 meldete sich der Berliner Psychologe und Psychotherapeut Dr. Eberhard Schaetzing zu Wort und meinte, der Zebrastreifen in seiner bisherigen Form begünstige sogar Unfälle: "Ganz allgemein werden von allen normalen, zu Fuß gehenden Lebewesen Querstreifen als hemmend empfunden, während die Längsstreifen (für den Autofahrer) das Gegenteil bewirken." Der Zebrastreifen bremse Fußgänger und verunsichere sie. Schaetzing schlug vor, die Streifen quer zur Straße zu malen, also quer aus Sicht der Autofahrer und längs aus Sicht der Fußgänger.

In der Schweiz wurden einige der schwarz-gelben Übergänge mit funkelnden Glasperlen von Swarovski bestückt, die Österreicher denken über eine Straßenbemalung in Rot-Weiß nach. Bei unseren niederländischen Nachbarn wurden versuchsweise LED-Lämpchen in den Asphalt integriert, die bei der Annäherung eines Fahrzeugs von Grün über Gelb auf Rot schalten, um Fußgänger zu warnen. Einige Zebrastreifen in den USA werden über grell blinkende Leuchten im Boden und über ein großes Schild am Straßenrand angekündigt.

In Spanien signalisiert eine an Bürgersteigen angebrachte Warnleuchte dem Fußgänger direkt vor den Füßen, ob er gehen darf oder stehen bleiben soll. Die am meisten frequentierte Kreuzung mit Zebrastreifen befindet sich in Tokio. Im Geschäftsviertel Shibuya wuseln zu abendlichen Spitzenzeiten bei einer einzigen Grünphase bis zu 15 000 Menschen über die Straße - geradeaus und diagonal.

Der berühmteste Zebrastreifen der Welt liegt wahrscheinlich vor der Tür der Abbey Road Studios in London. Hier entstand 1969 das legendäre Cover der letzten Beatles-Platte und zeigt die vier Pilzköpfe beim Überqueren der Straße. Seit 2010 gehört der Übergang zum Kulturerbe Großbritanniens. Bis heute halten hier immer noch ganze Heerscharen von Fans den Verkehr auf, um ein Erinnerungsfoto zu knipsen.