Hamburgs Rechtsmedizin hat einen exzellenten Ruf. Ein Bildband zeigt ihr Können - von der Gerichtsmedizin bis zum Dienst an Lebenden.

Die Rechtsmedizin hat sich im Fernsehen in den vergangenen Jahren zum Quotenrenner entwickelt. Aber wie in vielen Krimis hat auch die in "CSI" gezeigte Praxis mit der Realität nur wenig zu tun. Einen Eindruck davon, wie es tatsächlich zugeht in diesem Reich aus Fliesen und Stahl, vermittelt das Buch "Spurensuche - Einblicke in die Arbeit der Rechtsmedizin".

Die Autorin Franziska von Aspern und der Fotograf Bodo Marks haben die Mitarbeiter des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Eppendorf begleitet. Daraus entstanden ist ein Text-Bild-Band, in dem die Menschen, die hier arbeiten, ihren Arbeitsalltag beschreiben und schildern, wie sie mit belastenden Erlebnissen fertigwerden. Es zeigt auch, dass Rechtsmedizin wesentlich mehr ist als spektakuläre Obduktionen.

In verschiedenen Abteilungen wird bis ins kleinste Detail untersucht, was den Tod eines Menschen verursacht hat, welche Spuren Hinweise auf den Täter und die Umstände der Tat geben. Der zertrümmerte Schädel einer Frau, die mit mehreren Axtschlägen getötet wurde, kann viel erzählen: Welche Form hatte das Tatwerkzeug? Was lässt sich anhand der Knochenrisse zur zeitlichen Abfolge der Axthiebe sagen? Schlug der Täter von hinten zu, und welche der Verletzungen war tödlich?

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Wichtig besonders für die Ermittlung spurenarmer Mordfälle ist die sogenannte operative Fallanalyse, an der neben Kriminalbeamten auch Experten aus der Psychologie, der Rechtsmedizin und der Biologie teilnehmen. "Für drei Tage geht das Team in Klausur, drei Tage, an denen der vermutliche Tathergang im Mittelpunkt steht", schreibt die Autorin. Es geht darum, "die innere Logik des Geschehens zu erkennen". Hat der Täter versucht, seine Tat "symbolisch ungeschehen zu machen, indem er die Hände des Opfers faltet, es reinigt oder zudeckt"? Das weist möglicherweise auf eine enge Opfer-Täter-Beziehung hin.

Bei dieser Arbeit komme das Team "dem Geschehen und dem Opfer emotional sehr nahe", so der Rechtsmediziner Dr. Axel Gehl. "Das ist harter Tobak, denn wir müssen uns am Tat- oder Fundort der Leiche in das Opfer hineinversetzen, um zu ergründen, warum es sich so und nicht anders verhalten hat."

Doch nicht nur die offensichtlichen Gewaltverbrechen beschäftigen die Rechtsmediziner. Nicht selten untersuchen sie auch Fälle, in denen ein Arzt bei einer ersten Leichenschau zunächst eine natürliche Todesursache angegeben hatte. Außer in Bayern ist mittlerweile in allen Bundesländern vorgeschrieben, dass vor Feuer- und Seebestattungen eine zweite Leichenschau vorgenommen wird, in der der Rechtsmediziner die Angaben auf dem Totenschein mit seinen Untersuchungsbefunden vergleicht. "Bei fünf bis zehn Prozent der Verstorbenen erwirken wir einen Stopp der Einäscherung. Etwa die Hälfte der Einwände lässt sich durch Nachfragen bei den behandelnden Ärzten klären. Die andere Hälfte der Einwände geht an die Polizei", sagt Privatdozent Dr. Jan Sperhake.

Die forensische Anthropologin Eilin Jopp ist Expertin für Vor- und Frühgeschichte des Menschen. Sie hat sogar schon Mumien untersucht. "Auch nach Jahrtausenden lässt sich durch den Vergleich von Knochendichteuntersuchungen der Handknochen feststellen, ob jemand Rechts- oder Linkshänder war." Vorausgesetzt, beide Hände sind noch vorhanden ...

Aber in dem Institut werden nicht nur Tote untersucht - es kümmert sich auch um die Lebenden. So werden hier Menschen untersucht, die Opfer von Gewalt geworden sind. Eine spezielle Einrichtung, das Kinderkompetenzzentrum, hilft misshandelten Kindern und Jugendlichen. In den Laboren werden unter anderem Vaterschaftstests durchgeführt und Blutproben von Verkehrssündern auf ihre Alkoholkonzentration untersucht.

Die Experten können auch anhand von Haaranalysen einen längerfristigen Drogenkonsum nachweisen. Drogen wie Opiate, Kokain oder Ecstasy werden aus dem Blut in die Haare aufgenommen. Bei einem Haarwachstum von etwa einem Zentimeter pro Monat können die Experten dann an einem sechs Zentimeter langen Haar den Drogenkonsum der vergangenen sechs Monate analysieren. Dafür werden 200 Milligramm Haare benötigt.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Aufklärung von Vergiftungen. Rund um die Uhr stehen in der Toxikologie des Instituts Experten zur Verfügung, die Blut- und Urinproben auf Gifte und Inhaltsstoffe von Drogen und Medikamenten untersuchen. Dafür werden die Proben mithilfe chemischer Verfahren in ihre einzelnen Bestandteile aufgetrennt. Diese werden dann im Abgleich mit zwei Datenbanken identifiziert, in denen 17 000 Substanzen erfasst sind.

Die Fotos und die Berichte der Mitarbeiter zeigen eindrucksvoll das breite Spektrum der rechtsmedizinischen Arbeit und auch, warum Menschen in diesem ungewöhnlichen Beruf aufgehen, obwohl sie täglich mit dem Tod und grauenhaften Verbrechen konfrontiert sind.

"Spurensuche - Einblicke in die Arbeit der Rechtsmedizin", Franziska von Aspern, Fotografien Bodo Marks, Militzke-Verlag, ISBN 978-3-86189-850-4, 19,99 Euro