Hat der Tumor bereits gestreut, können Kombinationstherapien das Wachstum verlangsamen. Studien auf Kongress vorgestellt.

Hamburg. Krebszellen werden immer gezielter bekämpft, das Wachstum des Tumors wird gleich auf mehreren Wegen gleichzeitig blockiert. Die intensive Erforschung des Brustkrebses führt dazu, dass die Therapiemöglichkeiten des häufigsten Tumorleidens bei Frauen weiter verbessert werden können. Jetzt wurden die neuesten Studien auf dem weltweit größten Brustkrebskongress im amerikanischen San Antonio vorgestellt. Das Abendblatt sprach mit zwei Experten des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), die die wichtigsten Forschungsergebnisse vorstellen, die dort präsentiert wurden.

So gibt es jetzt einen neuen Antikörper, der bei Brustkrebstypen eingesetzt wird, die den Wachstumsrezeptor Her 2 vermehrt auf ihrer Oberfläche tragen. Wird dieser Antikörper namens Pertuzumab zusammen mit dem bereits bekannten Antikörper Herceptin (Trastuzumab) eingesetzt, sind die Therapieergebnisse deutlich besser als bisher. Beide Antikörper haben unterschiedliche Ansatzpunkte: "Das Herceptin blockiert den Rezeptor und verhindert damit, das er ein Wachstumssignal in die Zelle senden kann. Pertuzumab verhindert, dass sich der Rezeptor Her 2 mit anderen Rezeptoren auf der Oberfläche der Krebszelle zusammenlagert. Dadurch wird die Aktivierung von Her 2 unterbunden und ebenfalls das Wachstumssignal blockiert", sagt Prof. Volkmar Müller, Leiter der medikamentösen Tumortherapie in der Klinik für Gynäkologie des UKE.

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Auf dem Kongress wurde eine Studie vorgestellt, in der diese Substanzen bei Frauen mit Brustkrebs, der bereits Metastasen gebildet hatte, untersucht worden waren. Eine Gruppe hatte zusätzlich zur Chemotherapie eine Kombination der beiden Antikörper erhalten, die andere Gruppe nur Herceptin. "Bei der Gruppe, die beide Antikörper erhalten hat, konnte das Fortschreiten der Erkrankung um 18 Monate und damit sechs Monate länger hinausgezögert werden als bei der Gruppe, die nur Herceptin erhalten hatte. Das ist ein riesiger Fortschritt. Herceptin allein kann das Fortschreiten im Durchschnitt nur zwölf Monate aufhalten", sagt Müller.

Starke Nebenwirkungen sind bei dem neuen Antikörper anscheinend nicht zu befürchten: "Nach der ersten Gabe der Medikaments können grippeähnliche Symptome auftreten. Danach wird es in der Regel gut vertragen", sagt Dr. Ursula Scholz, Leiterin des Brustzentrums am UKE.

Jetzt soll in einer weltweiten Studie untersucht werden, wie wirksam die Kombination der beiden Her-2-Antikörper bei Frauen ist, bei denen gerade erst die Diagnose gestellt worden ist und die noch keine Metastasen haben. An dieser Studie sind in Deutschland 80 Zentren beteiligt, in Hamburg das UKE. An der Studie teilnehmen können Patientinnen, bei denen die Diagnose "Her-2-positiver" Brustkrebs gestellt worden ist und bei denen die Chemotherapie noch nicht begonnen hat. Interessierte Frauen können sich an das UKE wenden: Tel. 040/74 10-581 30

Auch in der Antihormontherapie, einer weiteren Säule der Brustkrebsbehandlung, setzen Experten jetzt auf die Kombination von zwei Angriffspunkten. Antihormone werden eingesetzt, wenn sich auf den Zellen des Brustkrebses Rezeptoren für das weibliche Geschlechtshormon Östrogen befinden, die ebenfalls das Krebswachstum fördern. In einer Studie wurden jetzt Frauen mit Brustkrebs, die bereits Metastasen hatten, mit einer Kombination aus zwei antihormonellen Substanzen behandelt: dem bereits bekannten Aromatasehemmer Letrozol, der den Hormoneinfluss auf die Brustkrebszellen bremst, und der neuen Substanz Everolimus, die eine Schaltstelle für Wachstumssignale in der Zelle blockiert, ein Protein mit dem wissenschaftlichen Namen mTOR. In der Studie erhielt eine Gruppe von Frauen Letrozol, die andere Gruppe zusätzlich Everolimus. "Durch die Kombination ließ sich der Zeitraum, in dem das Fortschreiten der Erkrankung gestoppt werden konnte, von vier auf elf Monate verlängern. Das ist schon ein großer Erfolg", sagt Müller. Schwerwiegende Nebenwirkungen seien bei dem neuen Mittel nicht zu befürchten. Bekannt sei, dass es zur Erhöhung der Blutzuckerwerte und zu leichter Abgeschlagenheit kommen könne.

Beide neuen Medikamente, sowohl das Pertuzumab als auch das Everolimus, werden bisher nur im Rahmen von Studien eingesetzt und sind noch nicht für die Standardbehandlung des Brustkrebses zugelassen.

Neue Erkenntnisse gibt es auch in der operativen Therapie. So kann bei der Operation immer häufiger auf die Entfernung vieler Lymphknoten aus der Achselhöhle verzichtet werden. "Nach Studien, die in San Antonio vorgestellt wurden, haben sich Hinweise verdichtet, dass nicht für alle Patienten mit Befall von Lymphknoten eine ausgedehnte Operation der Achselhöhle notwendig ist", berichtet Scholz.

Auch im UKE wurde aufgrund neuer Erkenntnisse das Konzept umgestellt. Während der OP werden die Wächterlymphknoten entnommen. Diese Lymphknoten werden als Erste von den Tumorzellen befallen. "Anders als früher werden diese Lymphknoten nicht in jedem Fall schon während der OP in die Pathologie geschickt, sondern wir warten das endgültige Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung ab. Nur wenn wir vergrößerte Lymphknoten finden, die auffällig erscheinen, schicken wir sie zu einem solchen sogenannten Schnellschnitt. Wenn darin Tumorzellen gefunden werden, entnehmen wir in der gleichen OP mindestens zehn weitere Lymphknoten aus der Achselhöhle", erklärt Scholz.

Werden nur die Wächterlymphknoten entfernt und darin in der endgültigen Untersuchung Metastasen gefunden, ist das weitere Vorgehen von deren Zahl und Größe abhängig. "Wenn Metastasen gefunden werden, die kleiner als zwei Millimeter sind, oder wenn nicht mehr als zwei Lymphknoten vom Tumor befallen sind, werden in der Regel keine weiteren Lymphknoten entnommen. Dadurch können wir die Frauen wesentlich schonender operieren. Ihre Armbeweglichkeit ist nicht eingeschränkt und es kommt nicht mehr zu einem Lymphödem. Deshalb ist die Lebensqualität deutlich besser."