Frankreich hat rund 30.000 Frauen empfohlen, sich vorsorglich ihre Brustimplantate herausnehmen zu lassen. Der Silikon-Skandal aus Frankreich strahlt auch nach Deutschland aus.

Paris. Es ist eine beispiellose Rückrufaktion in der Geschichte der Schönheitsoperationen: Das Gesundheitsministerium hat in Frankreich rund 30.000 Frauen empfohlen, sich vorsorglich ihre Silikon-Brustimplantate herausnehmen zu lassen. In einer Mitteilung auf der Website des Ministeriums hieß es, dass diese Empfehlung "rein vorsorglich und ohne Dringlichkeit" sei.

Unterdessen hat eine hochgewachsene hübsche Frau der Zeitung "Libération“ gesagt: "Mein Chirurg hatte mich zwar beruhigt, aber ich konnte nicht mehr schlafen. Deshalb habe ich mir die Implantate im letzten Jahr herausoperieren lassen.“ Die Frau gehört zu den Demonstranten, die wegen des Silikon-Skandals tagelang vor dem Gesundheitsministerium in Paris protestiert haben. "Ich wollte nicht mit zwei tickenden Zeitbomben im Körper leben“, ergänzt sie.

Als Sieg ihrer Hartnäckigkeit feiern die Demonstranten die empfohlene Rückruf-Operation des Gesundheitsministers. Die Demonstranten haben zudem eine Opfervereinigung gebildet. Das Ministerium habe sich lange geweigert, das Problem der minderwertigen Implantate der Firma Poly Implant Prothèse (PIP) anzugehen, sagte ein Sprecher. Jetzt zahlt die Sozialversicherung für die Entfernung aller minderwertigen Silikon-Einlagen. Neuoperationen werden allerdings nur für Brustkrebs-Rekonstruktionen oder Unfallopfer finanziert.

Das Gesundheitsministerium hat seit zwei Wochen sogar eine Notrufnummer für besorgte Silikon-Opfer freigeschaltet. Ein Mitarbeiter berät über die Verfahren und wünscht den Anruferinnen zum Abschluss des Gesprächs auch noch frohe Festtage.

Verunsicherten Frauen in Deutschland rät das zuständige Bundesinstitut, ihren implantierenden Arzt zu konsultieren. Zudem erhalte eine betroffene Frau in der Regel ein Implantatspass mit dem Namen des Herstellers. Betroffen seien neben den PIP-Produkten auch sogenannte M-Implantate der Firma Rofil Medical Nederland. Eine exakte Zahl der eingesetzten Implantate in Deutschland konnte das Institut nicht nennen.

In Frankreich haben 30.000 Frauen ein solches Billigimplantat erhalten, mehr als 2000 Frauen sind seit März 2010 vor Gericht gezogen. 40.000 Trägerinnen dieser Implantate gibt es in Großbritannien. Die Produktion und der Export von PIP-Einlagen wurde im April 2010 verboten, als das Unternehmen Poly Implant Prothèse pleite ging. Auch in Deutschland dürfen PIP-Produkte nicht mehr verwendet werden, genauso wenig wie in Brasilien, Kolumbien, in Chile und in Spanien.

PIP hat in seinen besten Zeiten pro Jahr etwa 100.000 Implantate produziert. Eine Zeitlang war PIP weltweit dritter Produzent der weichen Geltaschen. Die Schönheitsprodukte gingen an Chirurgen, Krankenhäuser und Privatkliniken in mehr als 65 Länder. Doch die besten Geschäfte machte PIP in Südamerika.

Im Jahr 2007 wurden mehr als 58 Prozent der Produktion nach Venezuela, Brasilien, Kolumbien oder Argentinien exportiert. Dort stehen Brustvergrößerungen seit Jahren hoch im Kurs. Vermutlich wirkt in diesen Ländern das Vorbild kurvenreicher weiblicher Fernsehstars in den so beliebten "Telenovelas“ besonders stark. Der Gang zum Schönheitschirurgen zieht sich dort durch alle sozialen Schichten, auch wenn sich viele Frauen mit kleinen Oberweiten einen derartigen Eingriff nur schwer leisten können.

Man kann von Glück sagen, dass die französischen Gesundheitsbehörden diesmal recht schnell reagiert haben. Schnell im Vergleich zu anderen Fällen wie bei dem jüngsten Skandal um die gefährliche französische Schlankmacherpille „Mediator“. Das Medikament soll bis zu 2000 Todesfälle verursacht haben, und wurde erst 2009 vom Markt genommen, obwohl die schweren Nebenwirkungen längst bekannt waren. Von Petra Klingbeil