Konkurrenz für Apple und Google: Microsoft will seine Angebote für Smartphones, PC und Spielkonsolen geräteübergreifend verfügbar machen.

Hamburg. Gut ein Jahr ist es her, da begann Microsoft die Aufholjagd: Mit dem Start seines Smartphone-Betriebsystems Windows Phone 7 wollte der Softwarekonzern im Mobilfunkmarkt zu den Konkurrenten Google und Apple aufschließen. Seitdem konnte Microsoft einen ersten Erfolg verbuchen: Der angeschlagene Handy-Marktführer Nokia hat sich von seinem System Symbian verabschiedet - und nutzt nur noch Windows Phone.

Jetzt legt Microsoft nach: Die neue Version Windows Phone 7.5 (Mango) bietet etwa Zugänge zu den Netzwerken Twitter und LinkedIn, eine Spracherkennung, mit deren Hilfe man Textnachrichten schreiben und im Internet surfen kann, und die Möglichkeit, aus eigenen Musikdateien Klingeltöne zu erstellen. Rund 500 Veränderungen gegenüber der Vorgängerversion hat Microsoft nach eigenen Angaben insgesamt vorgenommen. Insofern muss man es als Understatement bezeichnen, die Version 7.5 zu nennen - eigentlich wäre schon der Titel Windows Phone 8 angebracht. Doch offenbar will sich das Unternehmen die volle Ziffer bis zum kommenden Jahr aufsparen. Dann sollen PC- und Smartphone-Welt weiter zusammenwachsen, ein Ziel, dem die Entwickler mit Mango einen großen Schritt nähergekommen sind.

Als dritte Plattform kommt die Spielkonsole Xbox 360 hinzu, die mittlerweile weit mehr ist als eine Daddelkiste. So stellen Partner wie der Bezahl-TV-Sender Sky oder das ZDF über den Online-Dienst Xbox Live mediale Inhalte bereit. Auch zwischen beruflich und privat wird im Windows-Kosmos künftig nicht mehr unterschieden. Ob Bürosoftware, Unterhaltung oder Speicherplatz im Internet - alles soll plattformübergreifend verfügbar sein.

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"Wir alle sind heute Nutzer, mal in privater, mal in beruflicher Rolle, und wir erwarten, dass unsere Bedürfnisse in beiden Welten gleichermaßen befriedigt werden", sagt Oliver Kaltner, General Manager der Consumer Channel Group bei Microsoft Deutschland, unter deren Federführung die Umstrukturierung vollzogen werden soll. So würden Computer im Büro auch genutzt, um Mitgliedschaften in sozialen Netzwerken zu pflegen - toleriert von den Arbeitgebern, die sich davon eine verstärkte Außenkommunikation und zufriedenere Mitarbeiter erhoffen. Und zu Hause wolle man dann vielleicht seine Erfolge an der Spielkonsole direkt über Facebook mitteilen. "Entscheidend ist, dass vom Arbeits-PC über das Smartphone bis hin zur heimischen Entertainment-Ausstattung alle Geräte reibungslos zusammenarbeiten", so Kaltner. Wer habe heute schon noch Zeit und Lust, Handbücher und Gebrauchsanweisungen zu studieren.

Seit Kurzem kann man sich ein Bild davon machen, wie das genau aussehen soll. Denn als nächsten Schritt verpasste der Konzern seiner Spielkonsole Xbox 360 eine runderneuerte Benutzerplattform. Das Update macht die Xbox zu einem Mediacenter, das nicht nur auf dem PC gespeicherte Musik und Videos abspielen kann. Über Zune, das Microsoft-Pendant zu Apples iTunes, kann man Songs und Clips kaufen oder Kinofilme per Video-on-Demand mieten. Mit der zusätzlich erhältlichen Kinect-Kamera lassen sich Spiele, digitale Medien und die Kommunikation über soziale Netzwerke durch Gesten und Sprachbefehle steuern. Über eine Xbox-App kann man mit dem Smartphone auf Inhalte, das persönliche Profil und Nachrichten zugreifen, die auf der Onlineplattform für die Spielekonsole, Xbox Live, gespeichert sind. Der Xbox-Begleiter macht das Windows Phone gar zur Fernbedienung für die Konsole. Umgekehrt kann man sein Handy über das Internet verwalten und Anwendungen installieren. Fotos lassen sich direkt auf Microsofts Skydrive-Plattform hochladen.

Das alles ist in der digitalen Welt nicht neu und wird in der einen oder anderen Form auch von anderen Anbietern offeriert. Neu ist allerdings der umfassende Ansatz, mit dem Microsoft seine Kunden zur Nutzung des sogenannten Cloud Computing bringen will - unabhängig davon, welchen Dienst sie gerade mit welchem Gerät nutzen. Mit dem Verlagern von Daten und Anwendungen ins Internet, so ist Microsoft-Mann Kaltner überzeugt, renne man beim Anwender offene Türen ein. "Man muss die Leute nur fragen, ob sie etwa schon bei Facebook angemeldet sind. Viele sind dann überrascht, wenn sie erfahren, dass sie Cloud Computing längst nutzen." Und während man im Urlaub früher maximal zehn Filme à 36 Aufnahmen verknipst habe, komme man heute leicht auf 1500 Schnappschüsse. Da erschließe sich der Nutzen von Diensten wie Skydrive von selbst.

Mit der Veröffentlichung von Windows 8 soll sich der Kreis im kommenden Jahr schließen. Xbox Live und sein Desktoppendant Windows Live werden noch weiter miteinander verschmelzen, das Kacheldesign der Windows Phones auf dem PC Einzug halten. Auch die Kinect-Steuerung war laut Kaltner von Anfang an dazu konzipiert, auch auf stationären Computern und mobilen Geräten eingesetzt zu werden.

Doch im Rennen um die Oberhoheit über Dienste, Daten und Inhalte hat der Konzern in den vergangenen Jahren wertvolle Zeit verloren. Zu lange hielt man am unflexiblen Windows Mobile fest. Zu lange schaute man den innovativen Konkurrenten Apple und Google zu. Marktforschern zufolge werden in Westeuropa in diesem Jahr etwas mehr als sechs Millionen Windows-Smartphones verkauft; im nächsten Jahr sollen es dank starker Partner wie Nokia, HTC und Samsung bereits 14,4 Millionen sein. Weltweit dümpeln die Marktanteile allerdings im einstelligen Prozentbereich vor sich hin. Googles Betriebssystem Android und Apples iOS sind derzeit das Maß aller Dinge. "Wir wissen, dass wir in einigen Feldern noch Abstände haben", räumt Kaltner ein. Doch gerade im schnelllebigen Mobilfunkgeschäft könnten die Gewinner von heute - er meint Google und Apple - bereits die Verlierer von morgen sein.