Eine neue Hamburger Studie untersucht die Einflüsse in der Schwangerschaft auf die spätere Gesundheit der Kinder

Hamburg. Drei Wochen noch, dann wird Joyce Jacobs ihr erstes Kind im Arm halten. Sehen kann sie ihren Sohn jetzt schon, auf dem Monitor eines 3-D-Ultraschallgeräts: Wie sein Herz schlägt, wie sich seine Zunge bewegt, wie er in einer akrobatischen Verrenkung seine Zehen vors Gesicht hält.

Die 35 Jahre alte Kinderkrankenschwester ist in der 38. Woche schwanger. Sie gehört zu den ersten Teilnehmerinnen der sogenannten Prince-Studie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Dort will ein Team aus Geburtsmedizinern, Kinderärzten, Immunologen und Psychologen das Verständnis dafür vertiefen, wie Mutter und Ungeborenes miteinander kommunizieren - und wie sich Umwelteinflüsse während der Schwangerschaft auf die spätere Gesundheit des Kindes auswirken. Die Studie ist ein zentraler Teil des neuen Verbundprojekts Feto-Maternal Immune Cross Talk, das sich in zehn Bereiche gliedert. Es wird von der Forschungs- und Wissenschaftsstiftung Hamburg mit zwei Millionen Euro bis 2013 gefördert.

Der Anlass für die Forschung: "Studien deuten darauf hin, dass eine erhöhte Stressbelastung bei Schwangeren dazu führen kann, dass ihre Kinder ein erhöhtes Risiko für Allergien, Asthma und Neurodermitis, aber auch für psychische Erkrankungen haben", erläutert Prof. Petra Arck, die Leiterin des Verbundprojekts. "Unser Ziel ist, rechtzeitig Schwangerschaften zu erkennen, bei denen Risiken bestehen, und Richtlinien zu entwickeln, was in solchen Fällen zu tun ist."

Stress könne alles sein, was Menschen überfordere, und das sei individuell sehr verschieden, sagt Petra Arck: "Es kann etwa die Angst vor der Herausforderung sein, ein Kind großzuziehen oder davor, krank zu werden. Stress kann auch entstehen, weil eine Schwangere sich um ihre berufliche Zukunft sorgt." Doch auch schlechte Ernährung, Medikamente oder Infektionen könnten die Schwangerschaft negativ beeinflussen. Wie wichtig es sei, die Wirkung solcher Faktoren auf die Gesundheit von Kindern zu erforschen, zeige der Umstand, dass immunologische Erkrankungen wie Neurodermitis und Asthma zumindest in westlichen Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen hätten, sagt Petra Arck.

Der Umgang mit diesem Thema erfordere allerdings Einfühlsamkeit und eine genaue Wortwahl, damit keine unbegründeten Ängste entstünden und kein zusätzlicher Druck aufgebaut werde. Denn unter Druck fühlen sich viele werdende Mütter wohl ohnehin schon: "Fast alle Schwangeren beschäftigen sich mit der Stressfrage", sagt Dr. Anke Diemert, Leiterin der Prince-Studie. Hier gelte es gegenzusteuern. "Bei unserer Untersuchung geht es nicht um Schuldzuweisungen. Wir möchten auch nicht, dass die Frauen jetzt noch häufiger über Stress nachdenken. Vielmehr wollen wir auf wissenschaftlicher Grundlage die Unterstützung von Schwangeren verbessern", sagt die Frauenärztin.

Eine Schwangerschaft ist für das weibliche Immunsystem eine doppelte Herausforderung: Es muss die väterlichen Antigene des Ungeborenen dulden (normalerweise würde es Fremdkörper abstoßen) und trotzdem in der Lage sein, Infektionen abzuwehren, damit die Mutter nicht krank wird. Möglich wird das durch eine ausgeklügelte Immunantwort, die in der Gebärmutter in dem Bereich geregelt wird, wo sich der Mutterkuchen (Plazenta) an die Gebärmutterschleimhaut anlagert. In der Gebärmutterschleimhaut bilden sich Gefäße aus, durch die Sauerstoff und Nährstoffe in die Plazenta gelangen und von dort durch die Nabelschnur zum Fötus. Die mütterliche Anpassung an die Schwangerschaft steuern unter anderem sogenannte regulatorische T-Zellen. Gerät das Immunsystem der Mutter durch Stress in Aufruhr, wird die Funktion dieser und anderer wichtiger Zellen womöglich unterdrückt. Bisher ist darüber aber nur wenig bekannt.

Für die Prince-Studie hat das Team von Anke Diemert bisher 50 Teilnehmerinnen aufgenommen, 1000 Fälle wollen die Forscher insgesamt dokumentieren. Alle Teilnehmerinnen werden während ihrer Schwangerschaft dreimal kostenlos per Ultraschall untersucht, zusätzlich zu den drei von den Kassen bezahlten Ultraschalluntersuchungen. Dabei prüfen die Ärzte, ob die Plazenta gut durchblutet ist und ob sich die Organe des Ungeborenen normal entwickeln. Besonderes Augenmerk legen sie dabei auf Thymus und Leber, weil diese Organe eine entscheidende Rolle für die Ausbildung des fötalen Immunsystems spielen. Außerdem nehmen die Ärzte Blut ab - bei Teilnehmerinnen, die im UKE entbinden, auch nach der Geburt aus der Nabelschnur (nach Abnabelung). Bei jedem Termin erhalten die Teilnehmerinnen einen Fragebogen zu ihrem Wohlbefinden.

Im Labor messen die Forscher den Hormonspiegel im Blut der Schwangeren, der durch Stress gestört sein kann, und sie analysieren anhand bestimmter Parameter im mütterlichen und im fötalen Blut, wie das Immunsystem der Mutter arbeitet und sich parallel das Immunsystem des Fötus entwickelt. In diesen Vergleich gehen auch die Daten aus dem Ultraschall und die Ergebnisse des Fragebogens ein. Nach der Schwangerschaft sollen die Frauen jedes Jahr in weiteren Fragebogen Auskunft über ihre Gesundheit und die ihres Kindes geben. Auf diese Weise soll Stück für Stück ein Bild entstehen, was Kinder schwächt- oder starkmacht.

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse könnten bei Problemen während der Schwangerschaft etwa spezielle Hormonbehandlungen eingesetzt werden. Denkbar seien auch sogenannte körpereigene Therapien. Dabei könnte man der Schwangeren Zellen entnehmen und diese so stimulieren, dass sich etwa die Zahl der regulatorischen T-Zellen erhöht. Diese würden dann zurück in den Körper der Schwangeren geschleust. Doch bis solche Methoden tatsächlich eingesetzt würden, könne es noch einige Jahre dauern, sagt Petra Arck, die Leiterin des Verbundprojekts.

Nur noch wenige Tage gedulden muss sich Joyce Jacobs. Wobei - gedulden trifft es nicht: "Ich genieße die Schwangerschaft", sagt sie, "ich fühle mich auch nicht gestresst." Sie sei kürzergetreten, sie achte darauf, sich nicht zu überanstrengen, "aber das heißt nicht, dass ich den ganzen Tag nur noch auf dem Sofa sitze und nichts tue, aus Angst, bloß nicht in Stress zu geraten. Ich kann nur dazu raten, die Schwangerschaft als Chance zu sehen - das hilft dabei, gelassen zu bleiben."

Für die Prince-Studie sucht das Team um Anke Diemert weitere Teilnehmerinnen. Informationen unter: www.abendblatt.de/wissen-prince